Dreikönigstagung 2023: Schutz vor internationalen Techplattformen im Fokus

Der neue Verlegerverbandspräsident Andrea Masüger hat an der traditionellen Dreikönigstagung die Bedeutung der Medien herausgestrichen und dabei Staat und Politik aufgefordert, für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen. Zum Schutz vor den internationalen Techplattformen brauche es ein griffiges Leistungsschutzrecht wie in der EU und für die Sicherung der medialen Grundversorgung den Ausbau der indirekten Presseförderung.

Über 200 Vertreter:innen aus den Medienunternehmen, aus der Politik, den Behörden und der Wirtschaft folgten der Einladung zum gemeinsamen Jahresauftakt der Medienbranche, der traditionellen Dreikönigstagung. In der ersten Neujahrsansprache als neuer Verlegerpräsident unterstrich Andrea Masüger die zentrale Bedeutung der privaten Medien für die Informationsversorgung der Schweizer Bevölkerung und die demokratischen Prozesse im Land: «Je mehr lokal über Politik berichtet wird, desto höher sind die Stimmbeteiligung und das generelle Interesse an Politik.» Die privaten Medienunternehmen setzten alles daran, die mediale Grundversorgung sicherstellen zu können, kämen aber immer stärker unter Druck. «Deshalb müssen Staat und Politik für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sorgen», so Masüger.

Leistungsschutzrecht und indirekte Presseförderung

Dringend ist für den Verband Schweizer Medien ein Leistungsschutzrecht. Denn internationale Tech-Plattformen wie Google oder Meta übernehmen heute journalistische Inhalte, mit denen sie Geld verdienen, ohne die Schweizer Medienunternehmen und Redaktionen dafür zu vergüten. Darum braucht es eine Anpassung des heutigen Urheberrechts, konkret ein Leistungsschutzrecht, wie man es in der EU, vielen europäischen Ländern und in Übersee bereits kennt. Auch der Bundesrat sieht die Notwendigkeit für eine solche Vergütung und wird in den kommenden Wochen einen entsprechenden Gesetzesentwurf präsentieren. Zum anderen ist der Ausbau der indirekten Presseförderung für den VSM ein zentrales Anliegen, damit die mediale Grundversorgungen in den Regionen auch künftig sichergestellt werden kann. Andrea Masüger betonte, dass sich die beiden Massnahmen ergänzen: «Das Leistungsschutzrecht schützt den Medienplatz Schweiz vor den internationalen Techplattformen, die Medienförderung stützt die regionalen Medien in der Grundversorgung der Bevölkerung.»

FDP-Präsident: Klares Votum zugunsten eines Leistungsschutzrechtes

Nur eine freie, unabhängige Medienlandschaft garantiere eine funktionierende Demokratie, so FDP-Parteipräsident Thierry Burkart, der Hauptreferent der Dreikönigstagung. Es brauche Medien, die über relevante Themen informieren und diese auch pluralistisch einordnen würden. Für diese zentrale Aufgabe und Leistung der Journalistinnen und Journalisten müssten die Medien ihrerseits einen Gewinn erwirtschaften können, um auch langfristig in den Journalismus investieren zu können. In diesem Zusammenhang ist es für Thierry Burkart klar, dass das geistige Eigentum der Medienschaffenden geschützt sein muss und journalistische Inhalte von Techplattformen nicht ohne Vergütung übernommen werden können. «Auch ein Warenhaus, das im Hintergrund Musik spielt, muss eine Abgabe für Nutzung der Musik zahlen», so Burkart. «Das Leistungsschutzrecht ist notwendig», so Thierry Burkart, der sich anlässlich seiner Rede auch für die etablierte indirekte Presseförderung aussprach. Eine direkte Presseförderung dagegen lehnt der FDP-Präsident ab, weil seiner Meinung nach dadurch eine staatliche Einflussnahme drohen und somit die Glaubwürdigkeit der Medien leiden könnte.

Dr. Martin Andree: GAMAM haben den fairen Wettbewerb eliminiert

Den Blick nicht nur auf das Leistungsschutzrecht, sondern auf das gesamte Geschäftsgebahren der Plattformen und der Zustand der digitalen Welt, richtet Dr. Martin Andree von der Uni Köln. Der Medienwissenschaftler zeichnet dabei ein düsteres Bild: «Das freie Internet und ein fairer Konkurrenzkampf wurden durch GAMAM systematisch eliminiert.» Die Tech-Plattformen hätten ihre Monopolstellung missbraucht und unter anderem die Übernahme von Inhalten ohne Vergütung ausgenutzt. Die schier unglaubliche Dominanz einiger weniger Player im Internet ist eine verheerende Entwicklung – die Gesellschaft sei aber zu wenig alarmiert. Lösungsansätze sieht Andree etwa in offenen Standards, dem Verbot der Monetarisierung strafbarer Inhalte oder der Begrenzung des Marktanteils.

Kriegsjournalist Pelda: Es braucht mehr Mut und Ausbildung

CH-Media-Reporter Kurt Pelda, als Kriegsjournalist bekannt geworden und direkt aus der Ukraine an die Dreikönigstagung gereist, beantwortet die Nachfrage von Moderator Bigi in aller Deutlichkeit: «Ja, es braucht zur Bestätigung der Informationen auch die Medienschaffenden vor Ort». Sonst stosse etwa die jahrzehntelange Propaganda der russischen Regierung auf noch weniger Widerstand. Die Medienhäuser müssten vermehrt den Mut aufbringen, ihre Leute in die Krisenherde zu schicken. Durch das Sammeln von Erfahrungen in weniger intensiven Kriegsgebieten – aber auch durch Investitionen in die Ausbildung von Kriegsjournalist:innen  kann das so zentrale Subgenre des Journalismus erhalten und gestärkt werden. Denn er selbst würde nicht mehr ewig weiter machen können: Schliesslich müsse man fit sein, um diesen Job zu machen.

 KI hoch im Kurs

Moderator Hugo Bigi führte nicht nur durch das ganze Programm, sondern moderierte auch eine Paneldiskussion mit Ladina Heimgartner (CEO Blick-Gruppe und Head of Global Media der Ringier AG) und Ursula Nötzli (Chief Communications & Sustainability Officer TX Group) aus dem Präsidium des VSM sowie Christian Bärenfaller, CEO der Pomona Media AG und Mark Eisenegger, Leiter des fög an der Universität Zürich zu den aktuellen Herausforderungen der Medien. Als wichtigen Trend mit Chancen und Gefahren auch für die Medienwelt identifizierten die Diskutierenden immer wieder die Nutzung von künstlicher Intelligenz. «Wir müssen uns damit beschäftigen und die Chancen nutzen», meint Heimgartner. Auch Eisenegger glaubt, dass KI helfen kann, «journalistische Inhalte zielgerichtet zu vermitteln».

Wie man online Chancen nutzt, weiss auch Nötzli. Die Social-Media-First-Strategie, welche Tamedia bei den Jungen teilweise fährt, funktioniert: «Junge Menschen konsumieren noch immer Medien – aber anders». Ein überraschendes Urteil fällt Bärenfaller: Pomona, unter anderem Herausgeberin des Walliser Boten, führt junge Menschen oft über den Radiosender an ihre Marke heran: «Markenbindung funktioniert über verschiedene Kanäle». Man ist sich einig: Die Medienbranche steht vor grossen Herausforderungen, hat aber auch Lösungen parat.

Branchenerfolg OneLog und Wabel’s Appell

Ebenso an der heutigen Dreikönigstagung hat CEO-Ringier Marc Walder bekannt gegeben, dass CH Media und NZZ der Login-Allianz One Log als Aktionäre beitreten. Damit wird die Login-Lösung für die Schweizer Medien massgeblich gestärkt. Rund 40 Medientitel sind bereits an Bord – damit leiste die Schweizer Medienbranche gemäss Walder internationale Pionierarbeit.

Auch Stefan Wabel, Geschäftsführer des VSM, nutzte sein Break-In-Referat für ein klare Botschaft: Die Schweiz muss jetzt dem globalen Trend folgen und die redaktionellen Inhalte, mit denen Google & Co. hohe Erträge erzielen, vergüten. Damit schlägt er in dieselbe Kerbe wie schon Burkart, Masüger und die Panelteilnehmenden: Der bald zur Vernehmlassung veröffentliche Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht wird mit grossen Hoffnungen erwartet.


Die Dreikönigstagung wird jeweils zu Beginn des Jahres vom Verlegerverband Schweizer Medien durchgeführt und feiert 2023 seine 24. Ausgabe. Nach zwei Jahren, in denen die Tagung virtuell stattfand, wurde der traditionelle Jahresauftakt der Schweizer Medienbranche 2023 wieder live in Zürich durchgeführt. Etwas mehr als 200 Persönlichkeiten aus Medien, Politik oder Wirtschaft konnten sich mittels Inputreferaten rund um Themen, die für die Branche von zentraler Bedeutung sind, austauschen. Moderiert wurde die Dreikönigstagung von Dr. Hugo Bigi.

 

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