Leadership: Geld bedeutet Vertrauen – Interview mit Annabella Bassler, CFO Ringier

Die CFO der Ringier-Gruppe, Annabella Bassler, spricht mit m&k über Leadership in Krisenzeiten, zwischenmenschliche Beziehungen, Diversität und die Zukunft in Osteuropa.

CFO Ringier
Annabella Bassler, CFO der Ringier-Gruppe (Bild: Ringier / zus. Details und Illustrationen: Silvan Borer)

 

m&k Sie sind seit 2012 CFO der Ringier-Gruppe, haben also zehnjähriges Jubiläum. Wie würden Sie eine Rede beginnen, die Sie in diesem Rahmen halten würden?

Annabella Bassler: Beginnen würde ich damit, dass diese zehn Jahre einerseits eine lange Zeit sind, aber gleichzeitig sind diese Jahre auch wie im Flug vergangen. Als CFO der Ringier-Gruppe – eines modernen Schweizer Medienunternehmen, aktiv in 18 Ländern in Osteuropa, Asien und Afrika – durfte ich unfassbar viele Erfahrungen sammeln, welche mich beruflich beeinflusst haben und an denen ich auch persönlich gewachsen bin.

 

Was bedeutet Ihnen Geld?

Als CFO, zuständig für über 6’000 Mitarbeitende weltweit, übernimmt man eine grosse Verantwortung. Man hat ständig mit finanziellen Themen, der Sicherheit und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu tun. Geld bedeutet Vertrauen. Deswegen ist und war es für mich schon immer eine grosse Freude und Ehre, diese Verantwortung für ein grosses Familienunternehmen wie Ringier zu übernehmen.

 

Als CFO bewegen Sie sich die meiste Zeit ausserhalb der Komfortzone, das muss man mögen, oder?

Als Leader ist man noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise herausgefordert. Ich liebe Herausforderungen und habe sie schon immer geliebt. Ich bin der Meinung, dass man sich mit Herausforderung am besten weiterentwickeln kann, weil man aus der eigenen Komfortzone treten muss.

«Als CFO übernimmt man grosse Verantwortung. Man hat ständig mit finanziellen Themen, der Sicherheit und Zukunfts­fähigkeit des Unternehmens zu tun.»

 

Spinnen wir das Gedankenspiel mit der Rede zum Jubiläum weiter, wie würde sie enden?

Die Rede zu meinem 10-Jahres-Jubiläum würde ich damit beenden, dass ich nach diesen Jahren realisiert habe, wie wichtig und wertvoll zwischenmenschliche Beziehungen im Arbeitsumfeld sind. Mir wurde bewusst, wie sehr ich dieses Grundvertrauen und diese Offenheit zwischen meinen Mitarbeitenden und mir schätze. Und wie dankbar ich bin, so ein tolles und engagiertes Team zu haben. Es beeindruckt mich jedes Mal von Neuem, zu sehen, was man bewirken kann, wenn man gemeinsam als Team an einem Ziel arbeitet. Ich bin nach diesen 10 Jahren überzeugt: Als Team ist alles möglich. Neben den Prozessen, Zahlen, Fakten und Systemen, welches der Finanzsektor eben mit sich bringt, ist eines für mich ganz entscheidend: «People are key.» Und dies wird für mich mit Sicherheit immer an erster Stelle stehen.

 

Sie waren lange für das Rumänien-Business von Ringier zuständig. Im Moment ist diese Region ja im Fokus internationalen Interesses – aber sonst für manche in der DACH-Region ein eher dunkler Fleck. Wie steht es denn um die Medienbranche in diesen Ländern?

Osteuropa ist ein äusserst spannender Bereich aus Mediensicht, mit vielen spannenden Charakteren und sehr talentierten Mitarbeitenden, die sich für einen neutralen und qualitativ hochwertigen Journalismus engagieren.

 

Wie viel Aufbauarbeit hat Ringier hier geleistet?

Ringier ist bereits seit dem Jahr 1989 in Osteuropa tätig, also lang vor meiner Zeit. Durch die Übernahme der Anteile unseres Joint-Venture-Partners Axel Springer in Ungarn, den baltischen Staaten, der Slowakei und in Serbien im vergangenen Jahr haben wir unser langfristiges Commitment auch nochmal bestätigt. Wir sehen eine grosse Zukunft für Osteuropa. Wir freuen uns, weiterhin am Ball zu bleiben und uns in diesem spannenden Markt zu bewegen.

 

Wie erlebt Ringier die aktuelle Lage?

Aktuell ist die Situation natürlich sehr angespannt. Wir stehen im engen Austausch mit unseren lokalen CEOs und Mitarbeitenden und versuchen, sie und ihre Familien, wo immer möglich, zu unterstützen. Ihre Sicherheit ist unsere oberste Priorität.

 

Wie verhält sich der «Markt Ost­europa» zum anderen wichtigen «Markt Afrika»?

Unsere Aktivitäten in Afrika unterscheiden sich deutlich von Osteuropa oder der Schweiz. Während wir in Europa neben den digitalen Medien auch auf Printprodukte setzten, sind wir in Afrika rein digital unterwegs. Auch dies ist ein spannender Markt und bringt neue Herausforderungen mit sich, welche wir mit Courage und Elan angehen.

 

Wer für die Finanzen von Ringier zuständig ist, muss auch darauf achten, dass die Diversifizierungsstrategien funktionieren. Wie entscheidet die GL, um welche Ventures das unternehmerische Portfolio erweitert werden soll – wen man sich «ins Boot holt» und wen nicht?

Grundsätzlich diskutieren wir Investitionsideen sehr offen und nehmen uns Zeit, zu beurteilen, ob ein Unternehmen in unsere Media/Marketplaces-Strategie passt. Das Ziel ist immer, ein Ökosystem zu bilden. Diese Offenheit macht jeden Arbeitstag spannend und lässt uns auch viele Dinge überdenken und noch einmal aus neuen Perspektiven betrachten. Ringier hat 2007 mit der digitalen Transformation gestartet. Wobei ich auch sagen muss, dass wir heute – 15 Jahre später – noch nicht sagen können, wo wir stehen – aber da wir uns selbst als paranoid beschreiben, sind wir hier auch vorsichtig und sagen, dass das erst der Anfang war. Sagen können wir aber mit Stolz, dass wir bereits zwei Milliarden Franken in über 60 M&A-Transaktionen in die Transformation von Ringier investiert haben.

 

Können grosse Medienunternehmen überhaupt noch von Journalismus alleine leben, oder wird es immer weitere Rationalisierung und Sparmassnahmen sowie Diversifizierung geben?

Wir sind überzeugt, dass Journalismus auch ein Businessmodell der Zukunft sein wird. Gerade auch die Coronakrise hat aufgezeigt, wie wichtig unabhängige, vertrauensvolle und zuverlässige Medienangebote mit ihren Informationen und Einordnungen für die Bürgerinnen und Bürger sind. Allerdings muss auch Journalismus sich weiterentwickeln und vorangehen, um die Bedürfnisse der Leserinnen und User noch besser befriedigen zu können. Ein wichtiges Stichwort ist da beispielsweise Data Journalism.

«Ich bin nach diesen zehn Jahren überzeugt: Als Team ist alles möglich.»

 

Investiert Ringier deshalb in die Weiterbildung der Journalistinnen und Journalisten?

Natürlich. Das machen wir unter anderem mit dem neuen Ringier Media LAB deutlich. Das Ringier Media LAB stärkt die Weiterbildung und Weiterentwicklung der Mitarbeitenden in den Redaktionen. Ein wichtiger Innovationstreiber für unsere Medienmarken.

 

Haben Sie das Gefühl, in einer Männerdomäne zu arbeiten?

Ja und nein. Einerseits gibt es sehr wenig weibliche CFOs in der Schweiz. Beispielsweise hat die «Handelszeitung» im Oktober 2020 einen Artikel publiziert, der zeigt, dass nur zehn von 192 CFOs in börsenkotierten Schweizer Firmen weiblich sind. Es ist natürlich wünschenswert und würde auch mich persönlich sehr freuen, wenn mehr Frauen auch im Finanzsektor vermehrt Führungspositionen übernehmen würden. Aber Finanzen sind schon lange kein «Jungs-Ding» mehr! Beispielsweise ist in unserem Ringier-Finanzteam das Geschlechterverhältnis ausgeglichen.

 

Wünschen Sie sich, dass mehr Frauen auch in den Bereichen Finance und Controlling durchstarten?

Natürlich. Ich wünsche mir, dass der Anteil von Frauen und Männern in allen Bereichen – auch in Finance und Controlling – ausgeglichen ist. Das wäre natürlich der Idealfall. Ein wichtiger Punkt dabei ist das Aufbrechen von Gender-Stereotypen und das Bewusstwerden des Unconscious Bias, welche wir alle in uns tragen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es trotz allem immer noch in unserer Gesellschaft verankert ist, dass Männer sich besser für Themen wie Finance und Controlling eignen würden. Was natürlich überhaupt nicht stimmt.

«Wenn man aus der eigenen Komfortzone treten muss, entwickelt man sich am besten weiter.»

 

Wie begegnen Sie dieser Gender-Gap?

Es ist mir ein grosses Anliegen, dass sich weder Frauen noch Männer aufgrund ihres Geschlechts Grenzen setzen und ihr Potenzial nicht voll ausschöpfen. Gender Equality geht weit über den wirtschaftlichen Aspekt hinaus. Auch in vielen anderen Bereichen gibt es Gender-Gaps, die es anzugehen gilt. Egal ob in der Wirtschaft, den Medien, der Politik oder der Gesellschaft, dieses Thema sollte überall einen Stellenwert haben. Ganz nach dem Motto «It is time to make gender equality a reality!».

 

Welche Vorteile sehen Sie in der Förderung der Diversität in Unternehmen?

Diversität – nicht nur bezogen auf Gender – ist ein grosser Vorteil für ein Unternehmen. Es fördert die Innovation und offeriert neue Business Opportunities. Studien zeigen, dass Frauen und Männer gemeinsam innovativer und ideenreicher sind als getrennt voneinander. Mehr Diversität öffnet Türen und erhöht das Mitarbeitenden-Engagement und die Motivation. Wir erkennen nur dann das Potenzial aller Mitarbeitenden, wenn wir Vorurteile ablegen und die Einzigartigkeit einer jeden Personen anerkennen. Nicht nur für die Effizienz einer Firma ist mehr Diversität von Vorteil, sondern generell für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Dies wirkt sich positiv auf das ganze Arbeitsklima und somit auf die Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen aus. Dies gibt auch im Finanz- und Controlling-Bereich einen tollen Boost.

«Es gibt leider sehr wenig weibliche CFOs in der Schweiz.»

 

Was kann man dafür tun?

Ich bin überzeugt, dass Diversity ein Leadership-Thema ist. Es ist essenziell, diesem Thema die gleiche Wichtigkeit zu geben wie anderen Business-Strategien. Es ist wichtig, dass man sich selber bewusst wird, welche Vorein­genommenheiten, Stereotypen und Strukturen man selber in sich trägt: «It always starts with yourself.» Selbstreflexion ist der erste Schritt zur ­Veränderung. Nur wenn man seine eigenen Gewohnheiten kennt, die meistens unterbewusst entstanden sind, kann man diese auch mit der Zeit bewusst verändern und überwinden. Gutes Leadership basiert immer mehr auf Inklusion. Jede Führungskraft sollte sich daher für dieses Thema einsetzen.

 

2019 lancierten Sie die EqualVoice-­Initiative, die Frauen in der Berichterstattung sichtbarer machen soll. Wie zufrieden sind Sie mit den bisherigen Massnahmen?

EqualVoice ist ein Herzensprojekt für mich und ich hätte niemals erwartet, dass es in so kurzer Zeit so weit kommen würden. Erste Erfolge haben sich bereits bemerkbar gemacht: So hat die Handelszeitung ihren EqualVoice-Factor von 17% auf 32% gesteigert. Dies zeigt, dass Frauen in den Artikeln unseren Redaktionen immer stärker präsent sind. Ein weiterer grosser Schritt ist EqualVoice United. Gemeinsam mit neun führenden Schweizer Unternehmen durften wir im Januar 2022 EqualVoice United lancieren. Unser gemeinsames Ziel: Gender Equality in der Schweizer Wirtschaft voranzutreiben. Wir wissen, Gleichstellung geht über die Medienwelt hinaus. Es braucht uns alle – egal ob in Politik, Wirtschaft, Sport oder Gesellschaft. Es ist Zeit, dass Gleichstellung in unserer Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit wird.


Die EqualVoice-Initiative wurde im November 2019 lanciert. Ziel ist es, Frauen in der Medienbericht­erstattung sichtbarer zu machen und Frauen und Männern die gleiche Stimme zu geben. 82% aller Artikel weltweit handeln von Männern – in der Schweiz sind wir leicht besser mit einem Anteil von 72% aller Artikel, die von Männern handeln. Wir wollen mehr Role Models sichtbar machen und Gender-­Stereotypen – von Frauen und Männern – aufbrechen. EqualVoice ist auch auf Instagram und LinkedIn zu finden.

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