Belästigungsvorwürfe auch bei Radiotelevisione svizzera

Nach Belästigungsvorwürfen beim Westschweizer Fernsehen Radio Télévision Suisse (RTS) sind auch Vorfälle beim Tessiner Fernsehen Radiotelevisione svizzera (RSI) bekannt geworden. Bisher sind 30 Beschwerden beim Tessiner Sekretariat der Mediengewerkschaft SSM eingegangen.

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Jerome Hayoz, Zentralsekretär vom Schweizerischen Syndikat Medienschaffender SSM, und die Sektion Lugano bestätigten damit am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA Berichte der Tribune de Genève und von 24heures vom Samstag. Diese hatten von Mobbing- und Belästigungsvorfällen bei RSI geschrieben.

Wie Rolando Lepori vom SSM-Sekretariat Tessin in Lugano auf Anfrage sagte, handelt es sich bei der Hälfte der 30 Beschwerden um Mobbing, bei der anderen Hälfte um Belästigung, darunter sexuelle Belästigung und Persönlichkeitsverletzung.

Bei der RSI-Medienstelle hiess es auf Anfrage, die Direktion setze «entschieden alles daran, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den grösstmöglichen Schutz gegenüber jeglicher Form von Missbrauch zu bieten». Verschiedene Kanäle zur Anzeige allfälliger Missbräuche stünden zur Verfügung, darunter auch anonyme. RSI werde das weitere Vorgehen mit der SSM-Sektion Tessin abstimmen.

Auch die SRG hat Kenntnis von den eingegangenen Meldungen, wie die Medienstelle auf Anfrage mitteilte. Die SRG sei im Austausch mit den Sozialpartnern. Die dem SSM gemeldeten Fälle würden geprüft und nach Abklärungen kommuniziert.

Betreffend der deutschsprachigen Unternehmenseinheit SRF hiess es beim SSM, man sei mit SRF daran, den Prozess zu definieren, was das Vorgehen bei allfälligen Meldungen von Belästigung betreffe. Gespräche seien am Laufen.

 

Externe Untersuchungen

Zwei externe Stellen untersuchen derzeit die kürzlich bekannt gewordenen Belästigungsvorwürfe bei RTS (Werbewoche.ch berichtete). Die interne Revision der SRG überprüft zudem mit externer Unterstützung die vorhandenen Instrumente zum Schutz der persönlichen Integrität der Mitarbeitenden.

Der ganze Verwaltungsrat und er selber stünden ein für eine lückenlose, unabhängige Untersuchung der Fälle bei RTS sowie der Verantwortlichkeiten und der Tauglichkeit der vorhandenen Instrumente zum Schutz der persönlichen Integrität, liess sich SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina in der Mitteilung zitieren.

 

Ungewollte Küsse und Machtmissbrauch

In einer Recherche der Westschweizer Tageszeitung Le Temps war von offener Belästigung, ungewollten Küssen, anzüglichen Kommentaren und systematischem Machtmissbrauch die Rede gewesen. Angeschuldigt wurden drei Mitarbeiter, darunter Darius Rochebin, langjähriger Moderator der RTS-Tagesschau. Die Direktion und die Personalverantwortlichen von RTS hätten konsequent weggeschaut.

Rochebin, der seit Herbst beim französischen Nachrichtensender LCI eine Talk-Show mit berühmten Persönlichkeiten moderiert, hat unterdessen eine Verleumdungsklage gegen Le Temps eingereicht.

Die beauftragten Stellen und Personen werden jeweils einen Bericht zuhanden des SRG-Verwaltungsrates verfassen. Voraussichtlich im Februar 2021 sollen Sozialpartner, Mitarbeitende der SRF und die Öffentlichkeit darüber informiert werden.

Auf die Anschuldigungen reagierten die RTS-Direktion und der SRG-Verwaltungsrat Anfang November mit der Bekanntgabe, dass die beiden Führungskräfte vorübergehend suspendiert und zwei unabhängige Untersuchungen eingeleitet wurden. Es gilt die Unschuldsvermutung. (SDA)

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