Anonyme Kolumnen? Ja, aber unter Bedingungen, findet der Presserat

Ist es ethisch, eine Kolumne anonym zu veröffentlichen, um dem Autor möglichst viel Freiheit zu gewähren? Das kann es sein, sagt der Presserat, aber nur unter zwei Bedingungen.

anonym

Einerseits muss die Leserschaft erkennen können, welchen Standpunkt der Autor oder die Autorin vertritt. Andererseits hat die Redaktion dafür zu sorgen, dass der Inhalt der Kolumne nicht grob gegen die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalisten» verstösst – insbesondere, wenn der Verfasser selbst kein Journalist ist.

Der Presserat heisst in diesem Punkt eine Beschwerde der Genfer SP gegen Le Temps gut. Die Zeitung behauptete, dass ihre «anonyme Kolumnistin» Emilie Sombes, welche keine Journalistin ist, «nicht an die Erklärung der Rechte und Pflichten gebunden sei, die diesen Beruf regelt». Diese Behauptung sowie die Tatsache, dass es im Text keine weiteren Hinweise zur Kolumnistin gibt, verstösst gegen den Journalistenkodex, befand hingegen der Presserat.

Zudem hätte Le Temps die Reaktion von Carole Anne Kast, Präsidentin der SP Genf, wie von ihr verlangt, ungekürzt veröffentlichen sollen. Hingegen stellte der Presserat keine Verletzung der Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Quellen) des Ethikkodexes fest. (pd)

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