Zeichen gegen den «Einheitsbrei»: Berner Zeitung und Der Bund versammeln sich

Redaktorinnen und Redaktoren der Berner Zeitungen Der Bund und Berner Zeitung haben sich am Donnerstag über Mittag zu einem Risotto-Essen versammelt, dies im Hinblick auf die einschneidenden Sparmassnahmen, die Tamedia vermutlich sehr bald umsetzen will.

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Auch wenn bisher nur sehr zurückhaltend kommuniziert worden ist, befürchten die Belegschaften der beiden Berner Tageszeitung mit gutem Grund, dass es zu einem schmerzhaften Stellenabbau kommt. Aus den bisherigen Andeutungen muss man schliessen, dass sich dies publizistisch sehr unvorteilhaft auswirken dürfte, schreiben die Redaktionen in einer gemeinsamen Meldung. Wenn von Kompetenzzentren die Rede ist, heisst dies im Klartext, dass möglichst viele Inhalte zentral produziert werden sollen – selbstverständlich mit weniger Personal. Die Beiträge würden dann praktisch identisch in allen Titeln abgedruckt. Sollte dieses Szenario Wirklichkeit werden, bekämen also alle Abonnenten das Gleiche vorgesetzt, ganz egal, welchen Titel sie abonniert haben. Es würde somit eine Art Einheitsbrei serviert.

Markus Dütschler, Präsident der Personalkommission (Peko) beim Bund, bezeichnete das Risotto – Essen als Zeichen gegen innen und gegen aussen. Zum einen müsse die Geschäftsleitung wissen, dass die Belegschaft dem drohenden Abbau mit grosser Sorge entgegensehe, doch werde sie sich «nicht wie Schafe zur Schlachtbank führen lassen». Vielmehr wolle die Belegschaft stärker einbezogen werden, denn sie sei es schliesslich, welche die Inhalte produziere. Und wegen dieser Inhalte würden überhaupt Zeitungen abonniert. «Von Tamedia, dem Platzhirsch der Branche, darf man erwarten, dass er Publizistik nicht nur mit dem Rotstift betreibt», sagte Dütschler. Er bezeichnete den Anlass aber auch als Signal nach aussen, denn die breite Bevölkerung habe die sehr vereinzelten Informationen, die bislang an die Öffentlichkeit durchgedrungen seien, wohl kaum in ihrer Tragweite erfasst. Jürg Steiner, Präsident der Personalkommission der BZ, legte in seiner Ansprache den Fokus auf die Tatsache, dass hier die beiden lokalen Konkurrenten im selben Haus – Bund und BZ – gemeinsam gegen die Bedrohung protestierten. BZ und Bund bemühten sich tagtäglich, eine gute Zeitung zu machen, die sich von der Konkurrenz abhebe, die Meinungsvielfalt und Verschiedenheit biete, professionell und jenseits von unüberlegten Social Media – Schnellschüssen. «Das Herz, die Leidenschaft, das Engagement – das ist unsere Währung, die wir in die Waagschale werfen», so Steiner.

Am Donnesrtagnachmittag äusserte sich Tamedia, auf Anfrage der SDA, zu der Angelegenheit:

Zeitungen, Zeitschriften und Newsportale «sind und bleiben unser Kerngeschäft und tragen 70 Prozent zu unserem Umsatz bei», sagte Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer am Donnerstag auf Anfrage. Der Werbemarkt sei aber weiter stark rückläufig. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres sei er gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent zurück gegangen. Laut Zimmer muss sich der Konzern vor diesem Hintergrund deshalb die Frage stellen, wie man auch in drei oder fünf Jahren mit deutlich weniger Werbeeinnahmen noch gute Tageszeitungen bieten und gleichzeitig in den digitalen Journalismus investieren könne.

«Unser Ziel ist es, in Bern weiterhin zwei Tageszeitungen mit unterschiedlichem Profil anzubieten», führte Zimmer aus. Da aber noch keine definitiven Entscheidungen gefallen seien, wolle er nicht über Szenarien spekulieren. Zimmer sprach auch das Dilemma zwischen möglichst grosser Vielfalt und Qualität an. Guter Datenjournalismus und Tools dafür, investigative Rechercheteams oder gute Video-Angebote seien nur in Redaktionen mit einer gewissen Grösse möglich, umgekehrt sei auch Vielfalt und eine starke Verankerung vor Ort wichtig.

«Wir sind uns dieses Dilemmas und unserer Verantwortung für den Medienplatz Schweiz bewusst und werden versuchen, möglichst alle Aspekte zu berücksichtigen», sagte Zimmer.

Die Journalistinnen und Journalisten von Bund und BZ wurden von der Gewerkschaft Syndicom und dem Berufsverband Impressum unterstützt. Rund hundert Personen beteiligten sich an dem Risottoessen.

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