22. Berner Medientag: «Vorsicht vor gesteckten Geschichten»

«Primeurs und Enthüllungen oder alles nur heisse Luft?: Am 22. Berner Medientag diskutierten am letzten Samstag mehr als 100 Journalistinnen und Journalisten, Kommunikationsleute und Lobbyisten über die Sonntagspresse, den Medienplatz Bern und das Verhältnis Politik und Journalismus.

Fünf nationale und immer mehr regionale Sonntagszeitungen wollen am Wochenende mit exklusiven Meldungen aufwarten. Doch die Jagd nach Primeurs und Exklusivmeldungen hat ihre Tücken: Mangels tagesaktueller Ereignisse nährt sich der Journalismus am Sonntag noch stärker als unter der Woche von Indiskretionen aus Politik, Verwaltung und Lobby, heisst es in einer Mitteilung vom Berner Medientag. Mehr als 100 Vertreter aus Journalismus, Politik und Kommunikation diskutierten dazu am Samstag in der Aula des Kulturzentrums Progr in Bern. NZZ-Medienredaktor Rainer Stadler plädierte dabei an die Nachhaltigkeit von Artikeln in der Sonntagspresse. Oft würden Geschichten spätestens tags darauf entschärft oder gar widerlegt und fallen so in sich zusammen.

Es würden ihr zwar immer wieder Geschichten von Kommunikationsleuten angeboten, erklärte Sarah Nowotny, Bundeshausredaktorin der NZZ am Sonntag, aber diese seien oft nicht zwingend die besten. Häufig bilde ein solches Angebot einen Rechercheansatz, woraus wiederum eine neue Geschichte entstehen könne. Dem pflichtete ihr Konkurrent, Joël Widmer, Bundeshausredaktor der Sonntagszeitung, bei: In letzter Zeit habe er mehr Geschichten verworfen als übernommen. Manchmal versuche man auch Organisationen zu überzeugen, eine Medienkonferenz an einem Freitag abzusagen, um stattdessen die Geschichte exklusiv am Sonntag im eigenen Blatt erzählen zu können.

Wer als Kommunikationsexperte die Berichterstattung mit gesteckten Geschichten zu beeinflussen versuche, laufe Gefahr, das Gegenteil auszulösen, warnte Roland Binz, Spezialist für Krisenkommunikation und Ex–Konzernsprecher der SBB. «Im Zeitalter der Transparenz sollte man stattdessen auf Dialog mit allen Zielgruppen setzen», betonte er. Dieselbe Meinung vertrat Martin Schläpfer, Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik der Migros. Trotzdem riet er den Politikjournalisten, ihren Standort nach Bern zu verlegen. Nur so sei man nahe am Geschehen und könne auch mal informell mit jemandem sprechen. Barbara Ritschard, ehemalige Stabsmitarbeiterin von Bundesrat Moritz Leuenberger warnte die Journalistinnen und Journalisten vor versteckten Interessen. Häufig fehle es den Journalisten an nötigen Informationen, um gesteckte Geschichten aus Verwaltung und Politik zu durchleuchten.

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Der Berner Medientag fand am vergangenen Samstag, 24. November zum 22. Mal statt. Organisiert wird der Branchenanlass von einem unabhängigen Organisationskomitee bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Berufsorganisationen Impressum, Syndicom, SSM und BPRG, die den Anlass auch finanziell unterstützten. Das OK wurde unterstützt von den Sponsoren Tamedia, SRG Bern Freiburg Wallis, Arbeit und Bildung Bern sowie Burgdorfer Bier.

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