Presserat rügt Bote der Urschweiz und 20 Minutes

Die Westschweizer Gratiszeitung 20 Minutes musste eine Rüge des Schweizer Presserates einstecken. Ausserdem hat der Presserat die Beschwerde eines Schwyzer Staatsanwalts gegen den Boten der Urschweiz zum Teil gutgeheissen.

Der Bote habe den Staatsanwalt indirekt der Indiskretion verdächtigt, ihn aber nicht pflichtgemäss angehört. Dies schreibt der Presserat in seinem am Dienstag publizierten Entscheid. Einer der Staatsanwälte gelangte an den Presserat und kritisierte, dass er zur zentralen Aussage, er sei Teil einer Seilschaft zum Begehen von Indiskretionen, nicht befragt wurde. Die Redaktion wandte ein, sie habe niemanden direkt oder indirekt der Indiskretion bezichtigt. Doch habe sie nicht verschweigen dürfen, das es eine Seilschaft gebe. Das sei für die Öffentlichkeit relevant.

Am 15. Juli hatte der Bote der Urschweiz unter dem Titel «Schwyzer Justizstreit eskaliert» über den Konflikt zwischen der Schwyzer Staatsanwaltschaft und den kantonalen Gerichten berichtet. Es ging dabei auch um Kritik am Kantonsgerichtspräsidenten im Zusammenhang mit der Haftentlassung eines Kinderschänders. Dabei warf der Bote die Frage auf, ob es sich um eine «Retourkutsche zur Kritik des Kantonsgerichts» an den Staatsanwälten in einem andern Fall handle. Wie der Bote schrieb, sei die zwar nicht belegbar, doch seien gewisse Seilschaften festzustellen. Dabei wurden zwei Staatsanwälte namentlich erwähnt.

Der Presserat ist der Ansicht dass der Bote, da er Personen als mögliche Urheber einer Indiskretion nannte, sie zwingend hätte anhören müssen. Wer in einem justizpolitisch aufgeheizten Klima, in dem zuvor schon Indiskretionen begangen wurden, erneut Indiskretionen andeutet, erhebe einen schweren Vorwurf. Die Redaktion hätte also den Staatsanwalt befragen müssen.

20 Minutes wegen unlauterer verdeckter Recherche gerügt
Die Westschweizer Gratiszeitung 20 Minutes musste ebenfalls eine Rüge des Schweizer Presserates einstecken. Die Zeitung habe in einem Bericht über homosexuelle Neigungen eines Lehrers und Mitglieds des Genfer Stadtparlaments zu einer unlauteren, verdeckten Recherche gegriffen.

Laut dem Zeitungsbericht von Ende April 2011 hatte der Betroffene via einer Gay- Website Avancen gegenüber einem 15-jährigen Jugendlichen gemacht. Hinter dem angeblichen Jugendlichen steckte ein verdeckt recherchierender Mitarbeiter von 20 Minuten. Der Lehrer war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gemäss SDA aufgrund eines gegen ihn laufenden Administrativverfahrens suspendiert. 20 Minutes illustrierte den Artikel mit einem Screenshot der Website, der einen Auszug auf dem geführten Chat und ein gepixeltes Foto des Lehrers und Politikers zeigte.

Gemäss seinem am Dienstag veröffentlichten Entscheid hält es der Presserat für unlauter im Sinne von Ziffer 4 der « Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», einen bereits suspendierten Lehrer via einer Gay-Website in solcher Weise aktiv zu ködern. Er erinnert daran, dass eine verdeckte Recherche nur ausnahmsweise, unter strengen Voraussetzungen zulässig ist. Für ein Eingriff in die Privatsphäre sei ein überwiegendes öffentliches Interesse an den Informationen erforderlich, die sich zudem nicht auf andere Weise beschaffen lassen. Im konkreten Fall fehlt es nach Auffassung des Presserats nicht bloss an einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Recherche. 20 Minuten hätte insbesondere auch gestützt auf das Verhältnismässigkeitsprinzip auf die Veröffentlichung verzichten müssen, da der suspendierte Lehrer zum Zeitpunkt der Publikation seinen Rückzug aus der Politik bereits angekündigt hatte. Zudem habe 20 Minutes auch die Ziffern 3 (Unterschlagung wichtiger Informationen) und 7 (Respektierung der Privatsphäre) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Der Autor des Berichts unterliess es, eine Passage aus dem Chat zu erwähnen, der die Vorwürfe relativiert hätte.
 

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