Neuer Kummer beim Schweizer Film

Am Freitag dieser Woche beginnt eine neue Epoche für den Schweizer Film. Ivo Kummer hat seinen ersten Arbeitstag als neuer Chef der Filmförderung. Mit dem bisher als Direktor in Solothurn erfolgreichen Macher gibt es wieder Hoffnung statt alter «Kummer». Was sonst noch in den letzten Monaten positiv bewegt worden ist in der Landschaft des Schweizer Films, präsentierte zufällig am Vorabend von Kummers «Amtsantritt» die jährliche Medienkonferenz von Swiss Films .

Die eidgenössische Filmförderung von Bern ist vorwiegend für die Produktion zuständig. Swiss Films ist die Promotionsagentur dieser Filme. Swiss Films wird aktuell noch bis 2012 mit 2,8 Millionen Franken vom Bundesamt für Kultur (BAK) sowie Pro Helvetia unterstützt. Davon stehen die 1,4 Millionen von Pro Helvetia zur Debatte. Wird hier das BAK seinen Beitrag erhöhen müssen? Ivo Kummer wird wohl schon bald Besuch von den Leuten von Swiss Films bekommen. Denn diese können mit ihrer Arbeit viele grosse Verdienste ausweisen, wie die Medienkonferenz soeben gezeigt hat.

Die Promotionsagentur Swiss Films zieht eine erfolgreiche Bilanz des Jahres 2010: Stolze 64 Schweizer Filme konnten an den wichtigen Festivals in aller Welt zum Laufen gebracht werden. 18 Kinostarts im Ausland wurden unterstützt. 15 Spiel- und 14 Dokumentarfilme wurden in ausländische Territorien verkauft. Mit neun Hommagen und sieben Werkschauen stellte Swiss Films das Schweizer Filmschaffen nachhaltig in einen weltweiten Kontext. Schwerpunktländer für solche eigens organisierte «Festivals» waren China, Argentinien und Chile. Dazu dokumentiert Swiss Films seit 1998 systematisch alle unabhängig produzierten Schweizer Filme und Koproduktionen, die eine öffentliche Vorführung hatten. Auf der vor einem Jahr neu gestalteten Website sind inzwischen 3 300 Filme zu finden – mit allen Infos zu ihren Festivalkarrieren und Auszeichnungen. «Der kombinierten Filmpromotion von Swiss Films gelingt es in engem Zusammenspiel mit der Filmbranche zunehmend, Filmen die Tür zu einer internationalen Wahrnehmung und Verbreitung zu öffnen«, meint Josefa Haas, Präsidentin des Stiftungsrates. Sie musste an der Medienkonferenz in den Büros von Swiss Films an der Zürcher Neugasse aber auch besorgt fragen: «Zieht sich der Schweizer Film vom internationalen Parkett ins nationale Réduit zurück?»

Neue Filmförderkonzepte 2012 – 2015
Die neuen Filmförderkonzepte 2012 – 2015 des Bundesamts für Kultur, die zur Zeit ausgearbeitet werden und auch Swiss Films betreffen, stellen die Weichen für die künftige Promotionsarbeit. Konkrete Entscheide mit Auswirkung auf die internationale Sichtbarkeit Schweizer Filme sind bereits 2011 getroffen: Der Exportförderungsfonds, der seit 2007 den internationalen Verleih von Schweizer Filmen unterstützt, wird vom BAK 2011 nicht mehr alimentiert und läuft im Juli aus. Eine von Swiss Films erstellte Wirkungsanalyse über die ersten vier Jahre des Programms zeigt deutlich auf, dass dieses Förderinstrument wesentlich dazu beiträgt, den Vertrieb von Schweizer Filmen im Ausland anzukurbeln.

Dazu hat das BAK kurzfristig die Schweizer Beteiligung am europäischen Portal der Filmindustrie cineuropa.org gestrichen. Das Bundesamt für Kultur und Swiss Films sind die Schweizer Partner des Internetportals, welches in vier Sprachen News, Hintergrundberichte und Datenbanken zur europäischen Filmindustrie veröffentlicht. Insgesamt 60 Mitteilungen aus der Schweiz hat Cineuropa 2010 auf seiner News-Seite publiziert.

Mit diesen beiden Sparmassnahmen fehlen bereits im laufenden Jahr wichtige Bausteine für eine effiziente und effektive Filmpromotion, die Schweizer Filme im internationalen Kontext – und insbesondere im europäischen Raum – vernetzt. Solche Sparmassnahmen verringern die über Jahre hinweg aufgebaute internationale Ausstrahlung und die notwendige Vernetzung des Schweizer Filmschaffens.

Rund 1000 Spielfilme werden pro Jahr in Europa produziert. Dank der Digitalisierung hat eine Demokratisierung bei der Produktion eingesetzt. Man kann heute billiger Filme realisieren. Nur 600 dieser 1000 Streifen schaffen aber auch den Weg ins Kino. «Es herrscht also eine Überproduktion», meinte an der Medienkonferenz der Schweizer Regisseur Denis Rabaglia. Aus den Zahlen könnte man auch lesen, dass es wohl falsch wäre, in Zukunft an der Promotion zu sparen. Gefunden werden muss bei einem neuen Konzept allerdings auch der richtige Anlauf für den viel diskutierten Sprung von der Filmkultur zum Filmmarkt.

Vertriebsförderung
20 lange Spiel-, 40 mittellange oder lange Dokumentar- und 50 Kurzfilme, das sind die Schweizer Filme, mit welchen die Promotionsagentur Swiss Films aktuell arbeitet. An über 1000 Festivals vermittelt Swiss Films regelmässig neue Filme, für rund 60 davon gewährt Swiss Films Beiträge bei einer Teilnahme. Die Direktoren von Berlin, Hof oder Locarno sind alle regelmässige Besucher des Vorführraumes an der Neugasse, wo sie sich beraten lassen. Diese Hilfe nehmen auch rund 20 Weltvertriebe und 60 ausländische Verleiher gerne an, wie Direktor Micha Schiwow die Vertriebsförderung des Jahres 2010 bilanziert. Die Kombination von Vertriebsförderung, Filmprogrammen, öffentlichkeitswirksamen Inlandevents – Schweizer Filmpreis Quartz, Kurzfilmnacht-Tour, Filmreihe Appellations Suisse in Locarno – und glaubwürdiger Kommunikation erhöht die Wirksamkeit der einzelnen Aktivitäten und Dienstleistungen von Swiss Films.

Hommagen wurden im letzten Jahr zuteil: Daniel Schmid in Berlin, Peter Liechti in Rom, Buenos Aires und La Rochelle, Alain Tanner in Paris, New York und Skopje, Georges Schwizgebel in Zagreb sowie Peter Mettler in Florenz. Mit Werkschauen wurden Frédéric Mermoud in Annonay, Vadim Jendreyko und Christian Frei in Peking, Lionel Baier in Santiago de Chile, Peter Volkart, Anka Schmid und Hannes Schüpbach in Nanjing geehrt. «Wir zielen auf die Anerkennung eines Werks in seiner zeitlichen und künstlerischen Dimension», erläutert Sabina Brocal, Leitung Events & Filmprogramme. Die Stiftung legt damit einen Grundstein für die internationale Anerkennung der Filmschaffenden. (Bearbeitung Andreas Panzeri)
 

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