Video: Portale unter Druck

Webvideo Neue Community-Sites wie youtube.com, heavy.com oder metacafe.com mit einem jugendlichen Millionenpublikum machen Yahoo, Google und Co. Konkurrenz. Schlimmer noch: Auch grosse TV-Networks nutzen eigene Kanäle.

Webvideo Neue Community-Sites wie youtube.com, heavy.com oder metacafe.com mit einem jugendlichen Millionenpublikum machen Yahoo, Google und Co.
Konkurrenz. Schlimmer noch: Auch grosse TV-Networks nutzen eigene
Kanäle.Greg Kostello hat einen Traum. Vor Jahren
baute er die erfolgreiche Audio-Website mp3.com als Vizepräsident mit
auf. Jetzt will er das Ganze noch einmal wiederholen: im Videoformat.
Also tat er sich mit einer Reihe von erfahrenen Industrieprofis
zusammen, die früher bei illustren Unternehmen wie Universal, Fox oder
MTV arbeiteten, und launchte die Community-Site vmix.com. Hier kann
jeder, der ein Video hat – sei es von seiner eigenen Hochzeit oder der
Promo-Spot einer Fox-Zeichentrickserie –, dieses auf die Website
hochladen und der Welt präsentieren. «Ein Video von einer Highschool
Prom sehen sich zwar vielleicht nur 20 Leute an, aber für sie ist das
sehr wichtig», schwärmt Kostello.

Finanzieren soll sich das Ganze durch ein Werbemodell, indem
Werbetreibende Banner oder auch Video-Ads vor, nach oder zwischen den
Content schalten. Derartige Community-Sites haben es so an sich, dass
sich die Botschaft von Nutzer zu Nutzer weiterverbreitet und schnell
ein Millionenpublikum findet. «Die Leute wollen sich selbst im Internet
wiederfinden, und das tun sie sehr viel leichter, wenn sie sich bei
Vmix präsentieren statt bei Google Video, wo sich kein Mensch in dem
Durcheinander auskennt», glaubt Kostello.

Networks gehen eigene Wege
Tatsächlich waren Portale wie Google, MSN und Yahoo die Ersten, die auf
Videocontent setzten und auf diese Weise Musik, Videos, Nachrichten und
Filmtrailer unters Volk brachten. Doch Community-Sites wie youtube.com,
heavy.com oder metacafe.com, die Millionen von jugendlichen
Mediennutzern erreichen, machen ihnen Konkurrenz. Schlimmer noch:
Früher wandten sich auch die grossen TV-Networks an die
technologieerfahrenen Portale und streamten dort etwa Sportereignisse,
zu denen sie die Rechte besassen. Doch die Networks haben inzwischen
andere Kanäle gefunden: Plattformen wie iTunes von Apple oder auch ihre
eigenen Websites cbs.com und abc.com. «Nachdem die Networks ihren
Content für ihre eigenen Sites weggeschlossen haben, müssen die Portale
nun andere Quellen umwerben, einschliesslich der Kabelsender», meint
Josh Bernoff, Analyst beim Forschungsinstitut Forrester.

1,7 Milliarden Dollar bis 2010
Doch viele bezweifeln, dass die Zukunft so eindimensional aussehen
wird. «Auch wenn die Portale gegen die Networks konkurrieren: Ihr
Content wird überall zu sehen sein», sagt Michael Sprague, Präsident
des Internet-TV-Unternehmens WaveExpress. «Ob das auf Community-Sites
ist, den Internetprovidern, ihren eigenen Sites oder auf iTunes.»
Tatsächlich verstreuen sich Inhalte derzeit kunterbunt quer über das
Netz: CBS Content zum Beispiel ist auf der hauseigenen Website, aber
auch auf Yahoo und Google zu sehen, iTunes kooperiert mit ABC, NBC und
MTV, und diverse Fox-Trailer wurden ausserdem auf Vmix und Metacafe
platziert. «Onlinevideos befinden sich in der Wildwestphase. Keiner
weiss, wo es langgeht», glaubt Michael Boland, Analyst bei der Kelsey
Group. «Die grösste Herausforderung sind derzeit Inhaltsaggregierung
und Werbung.» 

Internetvideodienste werden sich nach Angaben des
Technologieforschungsunternehmenes IDC zu einem Mainstream-Medium
weiterentwickeln und bis zum Jahr 2010 einen Umsatz von 1,7 Mrd. Dollar
erwirtschaften, der hauptsächlich durch Premium-Services generiert
werden soll. Dabei bestehe jedoch das Risiko, sagt IDC-Analyst Josh
Martin, dass die Content-Eigentümer «bereits bestehende
Einkunftsmodelle kannibalisieren werden».   
        
    

«Medienleute haben wenig Erfahrung»
Im WW-Interview erklärt Alfred Tolle, CEO von Lycos, die Rolle der
Werbung im Internetfernsehen und die Bedeutung der Community-Sites.

WW: Welche Art von Werbung wird sich künftig ins Internetfernsehen integrieren?Alfred Tolle: Da ist vieles möglich, vom 5-Sekunden-Clip bis hin zu
einer Minute ist alles drin. Interaktive Medien bieten den Nutzern die
Möglichkeit, kreativ mit der Werbung umzugehen, und viele Unternehmen
werden das ausnutzen, um sich auf innovative Weise neu zu präsentieren.
Wir bei Lycos werden demnächst Videoblogs einführen.
WW:
Stellen die Bemühungen der TV-Anstalten, selbst Videocontent über ihre Websites anzubieten, eine Bedrohung für die Portale dar?Alfred Tolle:
Das glaube ich nicht, viele Medienleute haben noch wenig Erfahrung mit
dem Internet. Bislang stellen sie einfach nur ihre TV-Shows ins Netz,
aber je länger die Sendung, desto besser sieht sie auf dem
traditionellen Fernseher aus. Es macht mehr Sinn, zusätzlichen Content
–etwa über eine Serie – eigens für das Internet zu produzieren, der
dann vielleicht nur fünf Minuten dauert, und dadurch schafft man eine
Anbindung des Zuschauers von beiden Sites her.
WW:
Wie wichtig sind dabei Community-Sites wie youtube.com oder vmix.com?Alfred Tolle:
Die werden früher oder später von den Medienkonzernen geschluckt
werden. Sites wie myspace.com werden gern überbewertet, es ist noch
immer offen, wie sich das auf lange Sicht rentieren soll. Ein Problem
ist ausserdem, dass die Leute dort beliebigen Content hochladen können,
das ist schwer zu kontrollieren, und die Werbetreibenden sehen das
kritisch. Vielversprechender sind da die so genannten Prosumer-Sites,
das sind zum Beispiel junge Filmemacher, die noch keine erfahrenen
Profis sind, denen man damit eine Plattform bietet. In Europa steht man
damit noch am Anfang, aber das wird in dieselbe Richtung gehen.

Gerti Schön

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