Hilferufe aus der Mauerblümchen-Ecke

Presseförderung Gratiszeitungen fühlen sich von neuen Subventionsmodellen übergangen, rennen aber mit ihrer Kritik beim Verband Schweizer Presse offene Türen ein.

Presseförderung Gratiszeitungen fühlen sich von neuen Subventionsmodellen übergangen, rennen aber mit ihrer Kritik beim
Verband Schweizer Presse offene Türen ein.
Der Kampf um Anerkennung ist seit seiner Gründung eines der wichtigsten Anliegen des Verbandes der Gratiszeitungen (VSGZ). Es ist eine historische Tatsache, dass sich die Gratispresse noch nie als vollwertige Printmedienkategorie ernst genommen fühlte. Im Lärm der sich zuspitzenden Diskussion rund um die Modalitäten der neuen Presseförderung will der VSGZ jetzt die Chance nutzen, um aus der Ecke des Mauerblümchendaseins auszubrechen. In einer vor kurzem veröffentlichten Mitteilung verlangte er, die Gratiszeitungen seien ins Konzept der zukünftigen Presseförderung einzubeziehen.Seinen Anspruch untermauert VSGZ-Sekretär Hannes Zaugg mit der Erfolgsgeschichte des Gratistitels 20 Minuten. Die Pendlerzeitung habe reichweitenmässig zur auflagenstärksten Tageszeitung der Schweiz, dem Blick, aufgeschlossen. «Das zeigt, dass Gratiszeitungen die Informationsbedürfnisse einer grossen Bevölkerungsschicht abdecken», so Zaugg.
Tatsache aber ist: Die Gratispresse hat in den beiden debattierten Presseförderungsmodellen bisher keinen Platz erhalten. Die parlamentarische Initiative «Medien und Demokratie» (direkte Presseförderung), deren Medienartikel vom Nationalrat kürzlich gutgeheissen wurde, streicht Gratistitel von vornherein aus der Liste förderungswürdiger Titel. Das Grundsatzpapier des Verbandes Schweizer Presse schliesst die Gratispresse zwar nicht expressis verbis aus, erwähnt sie aber auch mit keinem einzigen Wort.
Kein Privileg der Bezahltitel
Der VSGZ freilich weist nachdrücklich darauf hin, dass auch Gratiszeitungen wertvolle Service-public-Leistungen erbringen und folgert daraus, ebenso förderungswürdig zu sein. «Diese Pressekategorie greift Themen von staats- und gesellschaftspolitischer Relevanz auf wie die kostenpflichtigen Medien. Dass sie dies auf der lokalen Ebene tut – und entsprechend Lokalpolitik,
Vereine und lokalen Sport in den Vordergrund schiebt – ist nur konsequent», erklärt Zaugg. Verdienstvoll sei vor allem, dass VSGZ-Mitglieder diese Leistungen gerade in Randregionen erbrächten, wo die Tagespresse schwach vertreten sei. Als Beispiel nennt Zaugg die Wochenzeitung für Emmental und Entlebuch, die mit rund 25 Korrespondenten aus jeder Ecke ihres Einzugsgebiets detailliert berichte. «Die starke Verankerung macht dieses Wochenblatt zu einem unverzichtbaren Medium für die Bewohner dieser Region», so Zaugg.
Dasselbe gelte für eine Grossstadtzeitung wie GHI, welche die Genfer Haushalte gratis zugestellt bekämen. Auch dieses Blatt, das notabene von mehr Genfern gelesen werde als die Tribune de Genève, greife für die Region relevante politische und gesellschaftliche Themen auf. Um die Vielgestaltigkeit der Service-public-Aufgaben zu demonstrieren, hebt Zaugg des Weiteren das zweisprachige Gratisblatt Biel/Bienne hervor. «Diese Zeitung liefert einen wichtigen Beitrag zur sprachlichen Integration.»
Die Anerkennung dieser Leistungen, und nicht etwa der Anspruch auf Förderungsgelder, sei für den VSGZ das derzeit wichtigste Anliegen. «Wir haben in unserem Papier nicht gesagt, dass wir Subventionen wollen», erklärt Zaugg.
Vom Verband umworben
Beim Verband Schweizer Presse (CHP) rennt der VSGZ mit seinem Vorstoss offene Türen ein. «Der Anspruch ist gerechtfertigt, wir haben nie versucht, das Presse-förderungsmodell auf unsere Mitglieder zu beschränken», erklärt CHP-Geschäftsführer Daniel Kaczynski. In diesem frühen Stadium der Diskussion, in dem die Presseförderung derzeit stehe, sei es aber noch nicht möglich gewesen, bereits mit den Vertretern sämtlicher potenzieller Anspruchsgruppen direkte Gespräche zu führen. Dies werde aber noch geschehen.
Fest stehe auch, dass die CHP ihren Horizont nur schon deshalb erweitern müsse, um dem Thema Presseförderung überhaupt gerecht zu werden. Denn heute erhalten um die 3000 Titel Posttaxenverbilligungen, im Verband sind dagegen nur rund 300 Titel vertreten.
Kaczynski teilt die Haltung des VSGZ. «Was Service public ist, hat nichts damit zu tun, ob ein Pressetitel etwas kostet oder nicht.» Diese Debatte habe der Verband bereits im Zusammenhang mit seiner Neustrukturierung vor rund zwei Jahren geführt. Damals wurde entschieden, nicht mehr zwischen bezahlten und kostenlosen Titeln zu unterscheiden und als Folge davon auch die Gratiszeitungen im Verband willkommen zu heissen.
Trotzdem sind die im VSGZ organisierten Titel, neben zahlreichen weiteren Vertretern der Gratispresse, immer noch nicht Mitglieder bei der CHP. Dass der Weg zu deren Integration etwas länger dauert, muss auch mit Blick auf die tief verwurzelten Berührungsängste zwischen Gratis- und Kauftiteln gesehen werden, die sich nicht von heute auf morgen ausräumen lassen. Doch die Bemühungen laufen. «Wir stehen in Kontakt mit dem VSGZ», erklärt Kaczynski. «Die Mitgliedschaft dieser Titel würde Sinn machen, denn dann hätten sie eine Stimme im Verband.»
Hannes Zaugg, Sekretär des Verbandes der Gratiszeitungen.
Gratiszeitungen leisten einen Service public und wollen auch von Presseförderungsbeiträgen profitieren.
Daniel Schifferle

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