Mutproben in Grenchen

Verlage Die Espace Media Groupe baut Stellen ab, will aber an allen Aktivitäten festhalten – und weiter expandieren.

Verlage Die Espace Media Groupe baut Stellen ab, will aber an allen Aktivitäten festhalten – und weiter expandieren.«Ja, wir verhandeln mit der NZZ-Gruppe über eine Kooperation von Berner Zeitung (BZ) und Bund. Wir sind daran interessiert, in Bern eine zweite Stimme zu erhalten. Das ist für uns ein Stück Lebensqualität», sagte Charles von Graffenried, VR-Präsident der Espace Media Groupe (EM) letzte Woche an der Bilanzpressekonferenz. Tags darauf aber skizzierte er in der Berner Zeitung seine Vorstellung der künftigen Schweizer Presselandschaft: Die nationalen Blätter NZZ und Blick bilden quasi die Brotdeckel eines Sandwichs, dessen Füllung neben kleineren Titeln aus sieben grossen Regionalzeitungen besteht – je eine im Tessin, in der
Romandie, in Zürich, im Espace- Mittelland, in der Ost-, in der Nordwest- sowie in der Zentralschweiz.
Damit ist klar, welches Ziel die Berner in den Verhandlungen mit der NZZ anstreben: Das Stuttgarter Modell – zwei getrennte Redaktionen in zwei Titeln mit einem gemeinsamen Inseratemantel. Wird das gemischte Doppel auch noch im neuen EM-Druckzentrum gedruckt, umso besser. Allzu viel dürfte die NZZ bei diesem Modell dann aber kaum zu sagen haben.
Die EM ist in Bern in der Position des Stärkeren. Wirtschaftlich geht es ihr weitaus besser als dem Bund und der gesamten NZZ-Gruppe. Auch wenn die diesjährige Gewinnsteigerung nur dank Stellenabbau um knapp zehn Prozent realisierbar gewesen war. Und ein weiterer Abbau steht bevor. Immerhin profitieren davon bei der EM nicht in erster Linie die Aktionäre, lassen diese doch 90 Prozent des Gewinns im Unternehmen – für Investitionen und Expansion.
No comment am NordringBeides fällt in der Konzernzentrale am Berner Nordring an: Gemäss Albert P. Stäheli, Vorsitzender der Unternehmensleitung, werden dieses Jahr rund 40 Millionen Franken investiert, vorab in das 100-Millionen-Druckzentrum. Weitere Kosten verursacht das Solothurner Tagblatt (ST), ein Split der Berner Zeitung (BZ). Dieser weist derzeit eine beglaubigte Auflage von 2350 Exemplaren aus, die per Ende Jahr auf 4000 Exemplare wachsen soll.
Der Ausbau im Mittelland sieht beim Solothurner Blatt so aus: Grenchen erhält eine eigene Seite, die Frühzustellung sowie das bei der ST übliche Promo-Abo-Angebot – zuerst fünf Monate gratis und dann ein Jahr lang zum halben Preis. Dass die Konkurrenz dort das Berner Werben um die Grenchner Leserinnen und Leser als unlauter bezeichnet (siehe Interview), kümmert BZ-Geschäftsführerin Franziska von Weissenfluh wenig. Die Vorwürfe Vogt-Schilds wollte sie nicht kommentieren.
Zu den laufenden Investitionen, die aus der Espace-Kasse bezahlt werden, gehört auch das 17,5-Prozent-Engagement bei 20 Minuten Schweiz. Damit wollen die Berner Anzeigenverluste auffangen und am nationalen Werbeaufkommen teilhaben – wie mit der 15-Prozent-Beteiligung an der SonntagsZeitung und mit Radio-, TV- und Internet-Aktivitäten. Von Graffenried schliesst nicht aus, dass EM weitere Ersatz-Engagements eingehen könnte. Anbieten würde sich die Jean Frey AG mit ihren überregionalen Titeln. Der Zeitungspatron sitzt dort im VR und könnte für EM den richtigen Zeitpunkt ausloten. «Das sehe ich im Moment nicht. Wenn etwas kommt, kommt es nicht von mir aus», sagt der Banquier von Graffenried dazu.
Eine kämpferische Espace Media Groupe konkurrenziert die Solothurner Zeitung ab August auch in Grenchen.

Espace Media Groupe in Zahlen (in Mio. Fr.)

2001 2002 Veränderung in %
Konzernumsatz 259,9 233,3 –10,3
Konzerngewinn 18,2 22,6 +24,2
Cashflow 37,9 37,0 –2,4
Nettoertrag Berner Zeitung1 28,4 112,9 –12,1
Nettoertrag Conradio AG (Radio/TV) 9,0 8,2 –8,9
Vollzeitstellen 1070 965 –9,8
Markus Knöpfli

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