«Stocks wird 18 Prozent tiefer beglaubigen»

Wirtschaftsmagazine Die Börsenkrise hinterlässt bei der Auflage des Anlegerblatts Stocks ein tiefes Loch. Trotzdem ist Verleger Ralph Büchi weit davon entfernt, ans Aufgeben zu denken.

Wirtschaftsmagazine Die Börsenkrise hinterlässt bei der Auflage des Anlegerblatts Stocks ein tiefes Loch. Trotzdem ist Verleger Ralph Büchi weit davon entfernt, ans Aufgeben zu denken. WW Es muss sehr schmerzhaft sein, jetzt ein Anlegermagazin wie Stocks im Markt zu haben. Können Sie Ihre Tränen in Worte fassen?Ralph Büchi Niemand hätte sich vorgestellt, dass die negative Entwicklung derart lange anhalten könnte. Aber wir sind nach wie vor überzeugt, dass Zürich und Genf auch in Zukunft wichtige Finanzzentren bleiben. Und ebenso gewiss ist, dass die Schweiz ein Anlegerland par excellence bleiben wird – mit überdurchschnittlich hohem Engagement der privaten Anleger. Deshalb sind wir trotz der aktuell ungemütlichen Situation an der Börse überzeugt, dass es für ein wöchentliches Anlegermagazin wie Stocks in diesem Markt Platz hat.
Aber beim Abverkauf von Stocks hat die Verzweiflung an der Börse sicher bereits tiefe Spuren hinterlassen. Ein freudiges Ereignis dürfte die Beglaubigung im Frühjahr kaum werden…
Klar, Stocks bekommt die Krise deutlich zu spüren. Wir werden in diesem Monat um 18 Prozent tiefer beglaubigen als im Vorjahr. Die verkaufte Auflage beträgt aktuell gut 21000 Exemplare. Trotzdem betrachte ich dieses Resultat als überraschend gut. Denn es zeigt, dass es weiterhin einen Kern von Anlegern gibt, die auch angesichts einer so turbulenten Entwicklung auf ein Börsenmagazin wie Stocks bauen.
Besonders trist muss der Absatz am Kiosk aussehen, der ja schon im letzten Jahr nur knapp 10 Prozent der Auflage ausmachte.
Auch der Kioskverkauf wird sicher unter den Zahlen von 2002 liegen. Aber mit diesem Resultat steht Stocks in guter Gesellschaft mit allen anderen Wirtschaftstiteln. Die Einbussen schmerzen uns finanziell weniger, denn es ist kein Geheimnis, dass man mit den Kioskexemplaren nicht viel verdient. Aber das Interesse am Kiosk ist ein wichtiger Indikator dafür, wie gut oder schlecht ein Titel im Wind steht.
Bei den Kioskkäufern handelt es sich nicht um den harten Kern der Anleger. Für den künftigen Erfolg eines solchen Magazins ist es vor allem wichtig, die Kernleser behalten zu können – und die haben wir mit unseren Abonnenten.
Vergangene Woche schloss die Börse unter der psychologischen Marke von 4000 Punkten, der tiefste Stand seit mehr als sechs Jahren – das Vertrauen in die Aktien dürfte damit auf lange Zeit kaputt sein.
Die meisten Experten sind der Ansicht, dass wir in den nächsten zwölf Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine massive Korrektur nach oben erleben werden, wenn auch nicht mit den übermässigen Bewertungen der Neunzigerjahre. Es wäre wohl ein Fehlentscheid, die investierten Mittel jetzt völlig von den Aktienmärkten abzukoppeln. Dann hätte man kaum mehr Chancen, diese Gelder wieder zu äufnen. Unter langfristigen Renditeaspekten gibt es keine Anlage-Alternative zu den Aktien.
Aber zumindest beim Kleinanleger muss man davon ausgehen, dass das Vertrauen in die Aktien bereits unter den «Point of no Return» gesunken ist.
Ich glaube nicht an einen «Point of no Return». Was wir erleben, ist ein sehr starkes, aber auch reinigendes Gewitter. Es ist ja nicht in erster Linie das Vertrauen in die Aktien, das verschwunden ist, sondern das Vertrauen in viele Unternehmensführer und diverse Unternehmen. Firmen und Manager sind aber daran, das Vertrauen neu zu erarbeiten. Wem dies gelingt, der wird dafür von den Finanzmärkten belohnt werden.
Und wenn das Misstrauen doch nachhaltiger ist, als Sie vermuten?
Neue Anlageprodukte, beispielsweise strukturierte Finanzprodukte, zielen darauf, das Risiko für die Investoren zu minimieren. Täglich kommen solche Neuschöpfungen auf den Markt, die Anlegern erlauben, ihr persönliches Risikoprofil zu schnüren. Tatsache ist, dass Geldanlegen damit auch komplizierter geworden ist. Das ist aber für Stocks sogar ein Vorteil, denn jetzt brauchen Anleger erst recht Lektüre, die ihnen durch das täglich erweiterte Angebot hilft.
Eine inhaltliche Neuausrichtung oder zumindest eine Erweiterung der
Inhalte von Stocks war bis jetzt noch kein Thema?
Wir haben darüber in den vergangenen Monaten viel diskutiert. Wir haben uns entschlossen, unseren bisherigen Fokus zu behalten. Wir machen aus Stocks jetzt nicht irgend ein Wirtschaftsmagazin, das generell Wirtschaftsthemen behandelt. Wir bleiben ein Anlegermagazin, aber selbstverständlich hat sich unser Horizont erweitert. Denn viele Anleger verfügen heute über hohe Cash-Bestände, die ebenfalls bewirtschaftet werden müssen. Wir schreiben auch vermehrt über andere Anlageformen, zum Beispiel sind festverzinsliche Anlagen ein Schwerpunkt in der neuesten Stocks-Ausgabe.
Das heisst aber auch, dass sich die Zielgruppe von Stocks verändert, nachdem sich die Kleinanleger von der Börse am meisten vergrault fühlen.
Unsere Zielgruppe hat sich schwergewichtig verlagert in Richtung der vermögenden Privatanlegerschaft. Die Online- oder Daytrader, ein Kennzeichen des Booms im Jahre 2000, sind weitestgehend Vergangenheit. Das erkennt man ja auch daran, dass von den grossen Schweizer Online-Tradern nur noch Swissquote übrig geblieben ist.
Um Sparmassnahmen wird aber auch Stocks nicht herumkommen. Wie viele Leute mussten Sie entlassen?
Wir haben niemanden entlassen. Allerdings sind wir mit zehn Personen in der Redaktion und vier im Layout bereits seit dem Start ein sehr schlankes Team. Über diese knappe Personaldecke sind wir im Moment natürlich sehr froh. Aber wir haben auch sonst gespart. Die Promotionsauflage haben wir zurückgefahren, und bei Umfängen und Werbung sind wir auf die Bremse getreten – wie alle anderen Printmedien auch. Wir müssen jetzt einfach bestmöglich überwintern …
… und auf derzeit absolut fehlende Anzeigen warten, die besonders im Finanzbereich kaum jemals mehr so heftig zurückkehren wie in den verflossenen Boom-Jahren.
Ich bin überzeugt, es besteht ein enormer Nachholbedarf, gerade für Werbung im Finanzbereich. Denn die Banken können ja nicht einfach zuschauen, wie ihre Kunden zur Konkurrenz wandern oder gar den Finanzmärkten den Rücken kehren.
Glaubt an eine Rückkehr der Finanzdienstleister in den Anzeigenmarkt: Stocks-Verleger Ralph Büchi
Interview: Daniel Schifferle

Weitere Artikel zum Thema