Was bedeutet eigentlich… «Quiet quitting»?

Benno Maggi erklärt in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich...?» Begriffe aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal erklärt er die Bedeutung des Neutrums «Quiet quitting» und die Problematik, die dahintersteckt.

Still sind im Dezember die Nächte definitiv nicht mehr, sondern eher mit aufdringlichen Soundteppichen versehen: von festlich (Werbemuzak) über vorwurfsvoll (Heilsarmee) bis grölend (Glühwein-Partys). Still wird zu dieser Jahreszeit höchstens gekündigt: «Quiet quitting» nennt man das neuerdings. Besonders um die Festtage beginnt in den Büros und Homeoffices alljährlich das stille Verabschieden.

«Schon wieder ein Jahr um und keine Besserung in Sicht», scheinen sich Mitarbeitende beim Jahreswechsel zu denken. Vielleicht liegt das daran, dass über die Festtage alle Zeit zum Reflektieren haben und Verwandte und Freund:innen treffen, die ihnen vorprahlen, was für ein tolles Leben sie führten. Direkt danach: erst mal LinkedIn prüfen und siehe da – auch hier werden nur Erfolge gepostet, wird abgeklatscht und kommentiert. Wie toll doch alle sind! Mit dem Scrollen wächst die eigene Unzufriedenheit und die Verabschiedung nimmt ihren Lauf. Aber schon in der ersten Woche des neuen Jahres verlässt die meisten der Mut und aus dem geplanten Jobwechsel wird Rückzug, statt ordentlich wird leise verabschiedet.

Dienst nach Vorschrift

Die deutsche Version von «Quiet quitting» klingt militärischer und bringt es nicht ganz auf den Punkt. Da passt das leise Verabschieden schon besser. Verabschieden von der Motivation, sich für ein Unternehmen einzusetzen. Verabschieden von den Annehmlichkeiten, die einem plötzlich als Nachteile erscheinen oder von den Kolleginnen und Kollegen, die auch schon cooler waren als gerade. So was nennt sich dann subjektive Wahrnehmung, Bias oder selbsterfüllende Prophezeiung. Anstelle einer logischen Argumentation reden Scheinargumente alles schlecht, was war und ist, damit das, was sein könnte, vertretbar wird.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Oder denken Sie sich beim Lesen dieser Zeilen vielleicht, es gäbe auch rationale Gründe dafür, den Job wechseln zu wollen? Natürlich gibt es die. Deshalb ist «Quiet quitting» nicht einfach ein Modewort der Generation Z, sondern bezeichnend für eine der wichtigsten Diskussionen, die derzeit in der Arbeitswelt geführt werden sollten.

Wir müssen uns darüber unterhalten, wie Arbeit und Leben neben der Arbeit auch ganzheitlich betrachtet werden können – und zwar laut. Gemeinsam das Ideal ausloten zwischen Selbstoptimierung und Leistungs- und Gewinnoptimierung. Diese Debatte bietet nämlich die Chance, über Sinn und Zweck der Zusammenarbeit zu sprechen, über Chancen, Perspektiven, Erwartungen und Wohlbefinden, über Qualität, Leistung oder über die Zukunft der Arbeit überhaupt.

Arbeitgebende müssten sich dabei dringendst überlegen, ob es nicht besser wäre, die Themen der Mitarbeitenden offensiv anzugehen, statt darüber zu jammern, dass sich diese in ihren Homeoffices verschanzen und sich innerlich von ihnen verabschieden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wäre zu raten, statt zu resignieren, ehrlich mit sich selbst und dem Arbeitgeber zu sein, aufzustehen und ihre Bedürfnisse zu formulieren. So wie das in jeder Beziehung zwingend ist. In diesem Sinne: frohes Fest der Liebe!

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