Was bedeutet eigentlich… «idealtypisch»?

Benno Maggi erklärt in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich...?» Begriffe aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal teilt er seine Gedanken zum Begriff «idealtypisch».

Typisch. Kaum schaffen wir es endlich, sprachlich all die Fettnäpfchen elegant zu umschiffen, damit Political Correctness ein- und Cancel Culture ferngehalten werden aus unserer Arbeit, genügt es nicht mehr, dass etwas nur als gutschweizerisch «typisch» bezeichnet werden darf. Erst wurde es durch das deutsche «passt doch» abgelöst, was einem jedoch mit der Zeit zu streng vorkam. Aber das behäbige «typisch» hat trotzdem ausgedient. Wer etwas auf sich hält, redet heute von idealtypisch. Als konstruierter Begriff mit dem Präfix «ideal-» ist es plötzlich in aller Munde. Aber was heisst denn das genau?

Soziologie als Einmaleins der Werbung

Der Idealtypus ordnet und erfasst nur Ausschnitte der Wirklichkeit, indem er das Wesentliche heraushebt und gelegentlich auch überzeichnet. Insofern hat der Begriff in der Branche sehr wohl seine Berechtigung zur inflationären Verwendung. Ist es doch nicht genau das, was die Werbung ausmacht? Oscar Milton Gossett, David Ogilvy, Leo Burnett, Paul Gredinger und viele andere Legenden der Werbung hatten die Fähigkeit, das Idealtypische eines Produktes zu sehen und in einer kreativen Idee umzusetzen oder umsetzen zu lassen.

Wie sie das taten, zeigt sich in den endlos langen Listen ihrer Quotes und den «Alltime-Best»-Galerien. Ganz oben die erste weibliche Werberin, Helen Lansdowne, mit ihrer 1911 getexteten Tagline «A skin you love to touch» für eine Seife. Besser geht’s kaum.

Der deutsche Soziologe und Nationalökonom Max Weber war es, der anfangs des 20. Jahrhunderts mit seinen Theorien und Begriffsprägungen die Wirtschafts-, Herrschafts-, Rechts- und Religionssoziologie beeinflusste und den von ihm eingeführten Begriff des Idealtypus als «einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte» beschrieb.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Bestimmt, insbesondere wenn die Aufmerksamkeitsspanne der Empfänger immer kürzer und die Liste der zu bespielenden Kanäle immer länger wird. Oder wie David Ogilvy einst sagte: «The headlines which work best are those which promise the reader a benefit.» Die Frage ist einzig, was dieser Benefit ist. Das herauszufinden, ist idealtypisch Aufgabe des Marketings.


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.

Weitere Artikel zum Thema