Was bedeutet eigentlich… «Stellschraube»?

Benno Maggi erklärt in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich...?» Begriffe aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal teilt er seine Gedanken zum Begriff «Stellschraube».

Was bedeutet eigentlich... «Stellschraube»?

Während die Leute in der Branche vorwiegend mit digitalen Buzzwords um sich werfen, hat in letzter Zeit besonders in Beratungs-Workshops ein Begriff Einzug gehalten, der aus einer Zeit stammt, wo alles noch analog war: die Stellschraube. Gerade im historischen Industrieland Schweiz lohnt es sich, die zunehmende Beliebtheit dieses Wortes genauer zu betrachten.

Die Stellschraube unterscheidet sich von der gemeinen Schraube darin, dass sie zur Einstellung, Regulierung, Festlegung oder Sicherung von Abständen, Dingen oder Veränderungen dient und nicht nur ein mit Gewinde und Kopf versehener Bolzen ist, der in etwas eingedreht wird und zum Befestigen oder Verbinden von etwas dient. So weit, so klar.

Industrialisierung der Beratungsleistung

Wem das alles noch zu konkret ist, dem hilft vielleicht die Herleitung, dass wir uns heute auch in der Schweiz nicht mehr in einer industriellen Gesellschaft befinden, sondern bekanntlich in der postindustriellen. In ihr sind aufgrund des technischen Fortschritts Wissen und Information die Hauptquellen der wirtschaftlichen Wertschöpfung und nicht mehr hauptsächlich Arbeits- und Kapitalressourcen. Gerade die Kommunikations-Branche hat dadurch einen unglaublichen Boom erlebt: Kommunikation scheint heute oft wichtiger als Produktion. Böse Zungen behaupten, es werde deshalb mehr geredet als gemacht oder auf gut Schweizerdeutsch «me glafered, statt glifered».

Damit dieser Vorwurf widerlegt werden kann, verwenden jene, die vor allem das Erste tun, dann eben gerne einen Begriff, der das Zweite impliziert. «Welches sind denn unsere Stellschrauben?», fragen sie hemdsärmelig wirkend in die Runde und bedienen dabei das leicht nostalgische Bedürfnis aller nach Handfestem. Es müssen ja nicht gleich Nägel mit Köpfen und auch nicht gleich Lösungen für immer sein – wir sind mittlerweile hoffentlich alle agil –, aber doch so konkret wie ein Gewinde, das uns erlaubt, zu regulieren, was da zu regulieren ist. Aber statt der Einstellung, Festlegung oder Sicherung von Prozessen zu dienen, wirken die meisten Beraterinnen und Berater, die das Wort verwenden, eher wie Leute, die mit einem Hammer Schrauben in die Wand schlagen wollen. Aber auch das kann seine Wirkung haben: Bäm!


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.

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