Marken-Check Citroën: Warum das Eckige (wieder) ins Runde muss

Heinrich Paravicini von Mutabor nimmt für Werbewoche.ch Marken-Relaunches und Brand-Designs unter die Lupe. Diesmal: die Bildmarke Citroën im Wandel der Zeit und ihr Potenzial.

Die Geschichte des Citroën-Logos: Kontinuierliche Weiterentwicklung seit mehr als einem Jahrhundert. (Bild: Stellantis)

Ich bin Deutscher, jedoch in Paris aufgewachsen. Sozialisiert wurde ich darum nicht dem VW Käfer, sondern dem Citroën «deux cheveaux». Dazu kam es, dass meine Eltern in den 1970er Jahren in Boulogne Billancourt wohnten – nur unweit des grossen Citroën-Werkes. Die Marke mit dem Doppelwinkel hat mich also seit meiner frühesten Kindheit begleitet. Und zu Zeiten meiner Kindheit war dieser Winkel vor allem eins. Spitz, kantig und aufstrebend. So ein Logo hatte keine andere Marke.

Mit der Einführung der legendären DS (Déesse) im Jahr 1959 wurde ebendieser spitze Doppelwinkel geboren. Das Oval, welches die 40 Jahre zuvor dominierte, verschwand damals gänzlich. Die aufstrebenden Winkel in Pfeilform prägten fortan eine Ära der Innovationen: DS, Ami6, SM, CX – bis die Marke Ende der 1970er Jahre von Peugeot PSA übernommen wurde. In der Folge gab es von beiden Marken immer mehr baugleiche Fahrzeuge. Aus dieser Umklammerung sollte sich Citroën jahrelang nicht mehr befreien.

Der Citroën 2CV, Baujahr 1950: Ein Klassiker der Automobilgeschichte. (Bild: TheSuperMat)

Es ist bestimmt kein Zufall, dass mit der Ausgründung der Produktlinie DS zur Submarke im Jahr 2009 – 50 Jahre nach der Einführung der DS – die Identität von Citroën endgültig zu wackeln begann. Das edle und elegante Flair war fortan nun für die Premium-Automobile von DS bestimmt. Diese übernahmen auch ihrem sehr gekonnten Logo die Charakterzüge des spitzen Doppelwinkels. Rest-Citroën wiederum sollte nun die kreative Marke für jedermann werden. Das Ergebnis: In den Jahren ab 2009 war die Marke bei ihrem Logo offenbar kontinuierlich selbst auf einer kreativen Suche, wie die Boomerang-artigen Winkel und der verunglückte, pseudo-zeitgeistige Schriftzug verrieten. Bereits 2016 – sieben Jahre später – musste überarbeitet werden, fünf Jahre später ein weiteres Mal – welches interessanterweise in der offiziellen Logohistorie verschwiegen wird.

Im Jahr 2021 kam es dann zu der Fusion von PSA und Fiat Chrysler zum Stellantis Konzern. Und, oh Wunder: es scheint, dass man sich – ob der Tatsache, dass Citroën nun zu einer Portfoliomarke unter vielen degradiert war – wieder zu einem wirklichen radikalen Move entschied, der im September 2022 präsentiert wurde. Dies gelang weniger beim sehr defaultmässigen Claim «Nothing moves you like a Citroën» – Sie können das letzte Wort gerne durch jede beliebige Automarke ersetzen – aber beim Logo und Markendesign ist nun die klare Emanzipation von DS Automobiles gelungen, die seit 2015 auch als voll eigenständige Marke firmieren.

Nach 13 Jahren des Irrlichterns ist ein Branding am Entstehen, das eigenständig und ohne Wehmut nach der verlorenen DS Inspiration Citroën wieder zu einer stolzen Marke machen kann. Und dies unter dem Zeichen, mit dem André Citroën im Jahr 1919 mit seiner Automobilproduktion gestartet war: Dem Doppelwinkel im Oval. Der Ursprung der «deux chevrons» ist übrigens die doppelte Pfeilverzahnung von Zahnrädern, mit deren Produktion sich die Firma bereits vor dem Einstieg in den Automobilmarkt einen Namen gemacht hatte. Auf dem Typ A – dem ersten europäischen Grossserien-Automobil – kam es in einer ovalen Plakette zum Einsatz.

Mit dem aktuellen Logo und der neuen Schrift ist der Markenauftritt von Citroën in der Gegenwart angekommen. (Bild: Designtagebuch)

Mit der elektrischen Zukunft von Citroën wird nun ebendieses Symbol wiederbelebt – der Geist der Grossserie und des kompakten Citroën 2CV von 1950 leben hier wieder auf: «Revolutionäre und mutige Autos, die mit traditionellen Regeln der Industrieproduktion brechen und eine neue Ära der (elektrischen) Familien-Mobilität einläuten», kommentiert Citroën-CEO Vincent Cobée den neuen Markenauftritt. Und ich glaube, er hat damit grundsätzlich recht.

Dennoch bleibt zu bemängeln, dass leider wieder einmal die Konsequenz im Formalen fehlt.  Die Linienstärken und die Proportion des Zeichens hätten sich noch etwas mehr am eleganten Original orientieren können – dann wäre auch kein Osterei dabei herausgekommen. Und warum konnten Sie sich nicht dazu durchringen, ihre neue, wirklich gut gemachte Corporate Schrift auch im Marken-Schriftzug zuzulassen? Stattdessen wurde der typografische Unfall von 2009 nur glattgebügelt. Schade drum.

Summa summarum: Ein grosser Schritt in die richtige Richtung – aber eben noch nicht konsequent genug. Ich erwarte also eine weitere Optimierung bereits in den nächsten Jahren. Und diese kommt sicher schon bald.


* Heinrich Paravicini ist Gründer und Kreativchef von Mutabor.

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