«Sie brauchen nicht viele Experten, nur die richtigen»

Wirkliche Differenzierung ist in der Bankenbranche nur schwer zu erreichen, sei es in der Leistung, im Messaging oder im Auftritt. In einem Umfeld, in dem gerne die Tradition als Sicherheitsanker verwendet wird, stellt die Moderne eine grosse Herausforderung dar. Welches die Herausforderungen beim Privatbanken-Branding sind und welche Rolle das Geschäftsmodell der Boutique-Hotel in diesem Kontext spielt, darüber haben wir mit Hotz Brand Consultants und der VP Bank gesprochen.

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Werbewoche: Was sind die Herausforderungen beim Branding für Privatbanken und was waren sie speziell bei der VP Bank?

Chris Steinacker: Wir erleben in der täglichen Beratungspraxis, dass aktuell insbesondere Banken grosse Schwierigkeiten haben, sich im Wettbewerb zu differenzieren. Der Task, Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung zu finden, ist schon lange in den Führungsetagen der führenden Unternehmen beider Branchen angekommen. Und auch die Lösungsansätze, «einfacher werden», «schneller werden», «kundenorientierter handeln», sind identifiziert.

Zwei zentrale Herausforderungen, die es auch für die VP Bank zu beantworten galt, waren, erstens: Wie können wir unseren Kunden diese Lösungsansätze auf eine für uns typische, für unsere Kunden relevante und uns im Wettbewerb differenzierende Art und Weise anbieten? Zweitens: Wie schaffen wir es, dass die gesamte Organisation – und nicht bloss die Abteilung Markenführung – Massnahmen einleitet, um die Differenzierung auch auf der Leistungsebene sicherzustellen? Unsere Antwort auf diese Fragen ist klar: mit einer einzigartigen und inspirierenden Positionierung, die das, was das Unternehmen in der Vergangenheit erfolgreich gemacht hat, nutzt, um den Herausforderungen der Zukunft gemeinsam zu begegnen. Sobald man diese spezifische Identität, den «reason & way of doing things» gefunden hat und zu ihm steht, ist man für die Zukunft gut aufgestellt.

Felipe Gomez de Luis: Bei uns ist die Herausforderung, dass wir sowohl Privat- als auch Intermediärkunden betreuen. Da liegen Welten dazwischen, eigentlich müsste man dafür zwei Unternehmen haben, denn die Art, wie kommuniziert wird, ist grundlegend verschieden. Während die Intermediärkunden auf Geschwindigkeit, Effizienz und geringe Kosten Wert legen, brauchen die Privatkunden ausgiebige Beratung, um Vertrauen entwickeln zu können. Die Herausforderung ist also, eine Marke zu schaffen, mit der man beide Kundenzweige anspricht und den Bedürfnissen beider gerecht wird. Das ist unsere spezifische Situation, die natürlich auch beim Brand Refresh eine zentrale Rolle gespielt hat.

Dominik Streich: Eine Herausforderung ist sicher auch, dass es bei einer Privatbank nur sehr wenige Kontaktpunkte, bei denen man mit Kunden in Berührung kommt, gibt. Diese sollten aber nicht steif und einheitlich wirken und doch einer klaren Idee folgen. Unser Ansatz einer Boutique-Bank half uns also weg von: «Alle Wände müssen in jeder Filiale die gleiche Farbe haben und der Empfang soll gemäss CI mit Logo und den gleichen Möbeln ausgestattet werden, hin zu einem freieren CI-Ansatz. Einer, der erlaubt, dass jede Filiale so gestaltet werden kann, wie die Räumlichkeiten, die Kultur und die Unternehmensziele des jeweiligen Standortes es verlangen». Also kein Standard-Hilton, sondern ein Boutique-Hotel.

Die VP Bank ist nicht nur in Vaduz und Zürich tätig, sondern betreibt auch im aussereuropäischen Ausland Filialen. Welchen Einfluss hatten die verschiedenen Standorte auf den Refresh?

Chris Steinacker: Die VP Bank ist in Liechtenstein, in der Schweiz, in Luxemburg, Singapur, Russland und Hongkong verankert. Die Standorte sind dabei weit mehr als einfache Geschäftsstellen. Man spricht eine gemeinsame Sprache, jedoch mit regionalem Akzent. Bei der Entwicklung der Positionierung wurden die jeweiligen Länderverantwortlichen in Workshops aufgefordert, die spezifischen Anforderungen und Herausforderungen in ihren Märkten herauszuarbeiten, sodass wir aus der Marke heraus Antworten für sie definieren konnten. Dem kulturellen Unterschied zwischen dem europäischen und dem sehr wichtigen asiatischen Raum wurde dann nochmals gesondert Beachtung geschenkt, indem wir einen Fachmann als Advisor hinzuzogen, der sicherstellte, dass alles, was wir entwickelten, auch in diesem wichtigen Markt Anklang findet.

Dominik Streich: Der externe Berater aus Singapur war für uns sehr wertvoll, weil er sehr differenziert zu den einzelnen Ländern Auskunft geben konnte. Mit seiner Erfahrung als ehemaligem Head of Marketing bei internationalen Top-Banken konnte er uns die relevanten Insights zuspielen. Wir reden ja gerne von «Asien», doch die Unterschiede von Land zu Land sind natürlich gewaltig. Sein Wissen hat unser Design auch beeinflusst.

Felipe Gomez de Luis: Nebst der intensiven Auseinandersetzung mit Asien waren wir auch in Luxemburg vor Ort, um gemeinsam mit den dort ansässigen Mitarbeitenden an der Markenstrategie zu arbeiten. Gemeinsam mit ihnen haben wir die Erfolgstreiber der Marke VP Bank speziell für ihre Bedürfnisse geschärft und auf ihren Markt adaptiert.

Wo haben Sie bei dem Brand Refresh angesetzt?

Felipe Gomez de Luis: Wie eingangs erwähnt, ging es darum, die Marke VP Bank für eine erfolgreiche Gegenwart und Zukunft «fit» zu machen. Der visuelle Markenauftritt ist dabei die erste Massnahme, die für die Kunden sichtbar wird, es gibt aber noch eine Menge weiterer Massnahmen, die das Unternehmen spürbar näher an seine Kunden heranbringt. Wir wussten, dass wir visuell an der Marke arbeiten mussten, um sie für die digitalen Kanäle erlebbar zu machen. Gleichzeitig haben wir aber die Gelegenheit genutzt, um die bereits bestehende strategische Markenpositionierung zu schärfen.

Chris Steinacker: Ganz wichtig bei einem Brand Refresh ist es, Antworten auf die Herausforderungen der Moderne zu finden und dabei seine Tradition nicht aus dem Blick zu verlieren. Schliesslich hat einen das, was man in der Vergangenheit getan hat, und wie man es getan hat, häufig über lange Zeit erfolgreich gemacht. Der erste Schritt zur Lösung dieses scheinbaren Dilemmas ist es, Tradition und Moderne nicht als Widersprüche zu sehen. Im Gegenteil: Sich den Herausforderungen der Moderne zu stellen, hat in allen langfristig erfolgreichen Unternehmen Tradition.

Dominik Streich: In der Gestaltung haben wir durch die Leitidee «Clarity» eine Einfachheit bei der Farbgebung und den Illustrationen eingebracht: Weg von dem bronzefarben-dunkelblau-lastigen, hin zu mehr Hellblau, mehr Leichtigkeit und Frische. Die Kombinierbarkeit von Bildwelt und Illustrationsstil war ein weiterer wichtiger Punkt. Bis dato wurden die Illustrationen durch den sehr reduzierten schwarz-weissen Fotografie-Stil wie auf einen Sockel gehoben. Nun haben wir einen sehr illustrativen Fotografiestil gewählt, der mit den Illustrationen korrespondiert. Wir fokussieren auf eine Aussage, überzeugen durch Klarheit und reduzierte Formensprache.

Sie haben von Boutique-Charakter gesprochen. Was genau meinten Sie damit?

Dominik Streich: Den «Sense of Place», die Individualität jedes Standorts herauszuarbeiten, war zentrales Element unseres Konzepts. Eben wie bei einem Boutique-Hotel. Dort spielt die Vase in der richtigen Ecke eine Rolle, ja sogar, wie und welche Blumen darin arrangiert werden. Oder welcher Kaffee wie serviert wird. Details eben, die klein und fein sein mögen, aber im Gesamten dann den Unterschied ausmachen. Gerade bei einer Privatbank. Wir haben für jeden Standort eine Bildwelt entwickelt, die in der Gesamtheit ein klares Bild ergeben und eine klare Haltung für Exzellenz zeigen.

Chris Steinacker: Heute geht es eben nicht mehr darum, jeden Touchpoint bis ins Detail in einer Guideline festzuschreiben, das ist nicht zeitgemäss. Ein lebendiges, interpretierbares System, mit dem man ein Gefühl vermitteln kann, ist gefragt. Deswegen auch die Kombination aus strategischer Schärfung, Leistungs-Schärfung und visuellem Refresh. Das Gefühl, das der visuelle Auftritt vermittelt, soll ja nicht ein anderes sein als jenes bei einem Beratungsgespräch.

Felipe Gomez de Luis: Wir haben bewusst nur an kleinen Stellschrauben gedreht, aber eben sehr überlegt, wie auch am Tone of Voice für die VP Bank. «Sie brauchen nicht viele Experten, nur die richtigen.» Wir haben die Sprache bewusst einfach gehalten und Fachbegriffe vermieden. Damit kommt unsere Haltung besser zum Ausdruck. Sie wirkt klarer, positiver und kommt daher wie eine allgemein anerkannte Wahrheit. Dieser Klang passt gut zum Bild. Beides vermittelt klare Linien, gute Gedanken, natürliche Kompetenz. Das gibt uns eine spürbare Frische und Modernität.

Der Brand Refresh ist eine Co-Creation zwischen dem Branding-Team der VP Bank und Hotz Brand Consultants. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?

Dominik Streich: Ich finde es nicht mehr zeitgemäss, als Agentur einem eingespielten Inhouse-Designteam einen Refresh fixfertig zu servieren, alles vorzuschreiben und zu meinen, wir wüssten alles besser, was für sie gut und richtig sei. Natürlich bringen wir unsere Kompetenzen und Leistungen in eine solche Zusammenarbeit ein und das tut unser Kunde genauso. Darum ist Co-Creation so wichtig, weil es einfach für beide ein Gewinn ist.

Felipe Gomez de Luis: Wir haben in der VP Bank eine eigene Branding-Abteilung mit den Kompetenzen einer Full-Service-Agentur. Bis anhin waren wir es uns gewohnt, alles selbst zu machen. Bei der Agentur-Evaluation haben wir uns daher besonders darauf fokussiert, welche der ausgesuchten Agenturen bereit ist, sich auf ein konstruktives Ping-Pong-Spiel einzulassen. Hotz lebt seit eh und je den Co-Creation-Ansatz, daher hatten wir von Anfang an ein gutes Gefühl, welches sich in den acht Monaten der Zusammenarbeit bestätigt hat.

Um den Brand Refresh zu kommunizieren, wurde für die Mitarbeiter eine Brand-Experience-Party veranstaltet. Wie muss man sich das vorstellen?

Felipe Gomez de Luis: Wir haben den Mitarbeitern nicht verraten, was auf sie zukommt und die Party zuerst wie die halbjährlichen Zahlenpräsentationen anlaufen lassen. Wir wollten ein Erlebnis kreieren, das hängen bleibt. Das Konzept: ein Jahrmarkt. Nach der Präsentation konnten die Mitarbeiter an verschiedenen Erlebnisständen die Markenbotschaften erleben. So etwa an einem Race-Simulator, den man zu zweit bedienen musste. Der Fahrer bekam eine Augenbinde und wurde über Headset von seinem Teamkollegen durch die Fahrbahn gelotst. Zu Beginn hatten die Teams noch Mühe, mussten erst eine Strategie in ihrer Zusammenarbeit entwickeln, dadurch wurde der Fahrstil immer besser und flüssiger. Die Markenbotschaft, klar, oder? «Vertrauen schenkt man nicht, Vertrauen wächst». Oder eine Virtual-Reality-Station, die mit der Botschaft: «Erreichen wir den Horizont, machen wir ihn weiter», verknüpft ist. Oder ein Mimik-Quiz bei dem es darum geht, die Kunden zu verstehen und zu wissen, was sie wirklich brauchen, denn nichts ist so persönlich wie die Betreuung. Mitarbeitende müssen zwingend die Markenbotschaften kennen, um als Markenbotschafter agieren zu können, denn sie verkörpern den wesentlichen Teil der Marke. Der Event hat definitiv eine Atmosphäre des Vorankommens kreiert und die Mitarbeitenden auf die Zukunft und ihre Herausforderungen vorbereitet. (Interview: Nora Dämpfle)

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