«Das Metaverse kann sich zu einem gigantischen Marketingkanal entwickeln»

Wieder einmal steht die digitale Welt an einem Scheideweg: Das so genannte Metaverse, virtuelle Realität und NFTs sind enorm hoch im Kurs. Hält der Hype an – und was können Unternehmen tun, um einzusteigen? Johannes Hapig von m&k Werbewoche.ch im Gespräch mit Tobias Müllhaupt, CEO von Miss Wolf.

m&k Werbewoche.ch : Tobias Müllhaupt, für viele Menschen sind das Metaverse und alles, was dazugehört, noch «Neuland». Sie haben dazu aber bereits ein Geschäftsmodell entwickelt. Was, in einfachen Worten erklärt, tut Ihre Agentur «Miss Wolf»?

Tobias Müllhaupt: Mit Miss Wolf produzieren wir sämtliche Werbemittel, die auf einem digitalen Screen abgebildet werden können: egal, ob Social Ads, anspruchsvolle HTML5-Ads, DOOH oder komplexe Dynamic Feeds. Durch das Aufkommen des Metaverse ist es naheliegend, dass wir das oben genannte Portfolio nun erweitert haben. Wir bieten seit kurzem Produktionen für Metaverse-Plattformen, NFTs und auch AR- Produktionen. Zu uns kommen Marken oder Agenturen, die bereits eine ausgereifte Vorstellung davon haben, wie und wo sie im Metaverse präsent sein wollen. Wir übernehmen dann den Produktionsjob.

 

Wenn man noch überhaupt keine Ahnung davon hat, was das Metaverse ist: Können Sie uns einen Crashkurs geben?

Die Grundidee des Metaverse ist nicht kompliziert. Einfach gesagt, umfasst das Metaverse jede digitale Erfahrung, die dreidimensional, immersiv, dauerhaft und virtuell ist – also nicht in der physischen Welt stattfindet. Insbesondere zwei Begriffe des Metaverse gilt es zu unterscheiden: Die Virtual Reality bezeichnet eine völlig neue digitale 3D-Welt, welche die Realität ersetzt; in der Augmented Reality werden digitale Inhalte der natürlichen Umgebung hinzugefügt.

 

Wieso sollten sich Unternehmen in der Schweiz schon heute dafür interessieren, was im Metaverse passiert?

Wir befinden uns heutzutage nicht mehr in einer linearen, sondern in einer exponentiellen Entwicklung von Technologien. Das bedeutet, es kann unvorstellbar schnell gehen, dass sich neue Technologien bei der breiten Masse durchsetzen und die Entwicklung des Metaverse so massiv beschleunigt wird. Als Unternehmen in der Schweiz würde ich mir daher schon jetzt strategische Gedanken machen, wie ich die gegenwärtigen respektive die zukünftigen Metaverse-Technologien nutzen kann. Es werden moderne und skalierbare Geschäftsmodelle entstehen. «Growth Hackers» und digitale Marketing-Pioniere sehe ich in der Verantwortung, den Einstieg ins Metaverse innerhalb eines Unternehmens zu pitchen und voranzutreiben.

Ein weiterer Begriff, den man immer häufiger liest, ist jener der «NFT». Digitale Bilder von gelangweilt schauenden Affen werden von Popstars für horrende Summen ersteigert, der Künstler Wolfgang Beltracchi lanciert eine DaVinci-Kollektion auf der Blockchain. Noch einmal für Laien wie mich: Was ist das, so ein NFT?

Non Fungible Tokens sind nicht austauschbare, Blockchain-basierte Token, mit deren Hilfe sich Besitzverhältnisse digital abbilden lassen. Das Schöne daran: Dank der Transparenz der Blockchain-Technologie kann jeder überprüfen, ob jemand tatsächlich die Rechte an einem digitalen Gut hat oder nicht. So kann ein digitales Bild oder Musikstück zwar tausendfach kopiert und heruntergeladen werden. Trotzdem gibt es nur einen Token, der das Original repräsentiert und mittels der Blockchain kann aufgezeigt werden, ob jemand im Besitz dieses Tokens ist oder nicht. Geregelt wird das über sogenannte Smart Contracts. Das sind «digitale Verträge», die ebenfalls transparent einsehbar sind. Spannend finde ich, dass bei den NFT-Transaktionen die Creators bei jeder Transaktion belohnt werden. Zum Beispiel kann ein Creator Lizenzgebühren in seine NFT programmieren. Jedes Mal, wenn der Token den Besitz wechselt, wird ein Teil des Wiederverkaufswerts an den ursprünglichen Schöpfenden oder an eine beliebige Person oder Organisation zurückgegeben.

 

Auch hier die Frage: Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es für Unternehmen?

Bereits jetzt gibt es interessante Möglichkeiten, als Unternehmen einzusteigen: Der «simplere» Weg ist der Launch einer eigenen NFT-Collection mit Kunst, Sammelkarten … oder der Kauf von virtuellem Land. Wer Lust auf einen komplexeren Einstieg hat, der kann auf Plattformen wie Roblox und Decentraland virtuelle Markenerlebnisse erschaffen. Hier steht vorerst die Brand Awareness und das Engagement im Fokus. Tolle Beispiele sind Vans World und Alo Sanctuary. Alternativ: Als einfacher End-User kann man sich die Oculus Quest 2 holen und die ersten Schritte ins Metaverse wagen.

Sprechen wir über die nahe Zukunft: Welche Metaverse-Visionen haben Sie, was wird möglich sein?

Das eine Extrem ist: Alles fällt in sich zusammen und die fundamentale Idee, die  dezentrale Vision setzt sich nicht durch. Das andere Extrem ist: Das ganze Leben spielt sich nur noch im Metaverse ab und das «virtuelle Ich» hat irgendwann mehr Wert als mein «reales Ich». Bekanntlich wird sich die Lösung irgendwo in der Mitte dieser beiden Extreme einpendeln. Entscheidend ist, dass zuerst fundamentale Hürden überwunden werden: Die Technologie muss da sein – man braucht etwa VR-Brillen, bei denen einem nicht schwindelig wird, wenn man sie länger trägt. Die grossen Tech-Unternehmen arbeiten gerade an solchen Lösungen. Ebenfalls müssen sich rentable Businessmodelle für Unternehmen entwickeln.

 

Und wie können Brands diese Entwicklungen nutzen, um neue Einkommensströme und Leads zu generieren?

Das Metaverse hat das Potenzial, eine voll funktionsfähige Wirtschaft zu sein. Einzelpersonen und Unternehmen werden in der Lage sein, verschiedene «Arbeiten» zu schaffen, zu besitzen, zu investieren, zu verkaufen und für verschiedene «Arbeiten» entschädigt zu werden. Das Metaverse kann sich zu einem gigantischen Marketingkanal für Unternehmen entwickeln.


* Tobias Müllhaupt (unten im Bild als Digitaler Avatar) ist Gründer und Geschäftsführer der digitalen Produktionsagentur Miss Wolf in Zürich. Der 29-Jährige war zuvor unter anderem als Head of Social Media für Globus tätig. Das Unternehmen produziert mtliche Werbemittel, die auf einem digitalen Screen abgebildet werden können, und bietet seit kurzem auch Produktionen für Metaverse-Plattformen, NFTs und AR-Produktionen an.

Weitere Artikel zum Thema