«Ein ‹Zurück› im Kundenverhalten wird es nicht geben»

Alvaro Del Pozo ist VP International Marketing beim Tech-Giganten Adobe. Im Interview mit Werbewoche.ch spricht er über die Folgen der Corona-Pandemie, Experience Management und die Rückkehr von Live-Veranstaltungen.

Alvaro Del Pozo

Werbewoche.ch: Alvaro Del Pozo, Adobe ist ein Verfechter des sogenannten «Experience Business». Wie hat sich dieses Geschäft in den letzten eineinhalb Jahren verändert?

Alvaro Del Pozo: Ob private Kontakte mit Familie oder Freund*innen, ob Schule, Uni oder Beruf: Wer hier vorab bereits gut aufgestellt war, ist deutlich besser durch die Krise gekommen. Die letzten 18 Monate haben deutlich gezeigt, wie wichtig das Thema Digital für uns alle ist. Auf geschäftlicher Ebene hat sich deutlich gezeigt, dass Unternehmen, die bereits vor der Covid-19-Pandemie digital gut aufgestellt waren, deutlich besser durch die Krise gekommen sind. Für diejenige wiederum, die ihre digitale Transformation bisher auf die lange Bank geschoben haben, war das vergangene Jahr ein eindringlicher Weckruf und auch Anreiz, die eigene Digitalisierung entschieden voranzutreiben. Digitalisierung bezieht sich nicht nur auf interne Abläufe, sondern vornehmlich auf die Neudefinition der Kund*innenbeziehungen in einer digitalen Welt. Wir sprechen hier von Experience Business – die Customer Experience steht ganz klar im Mittelpunkt. Daran lässt sich zunehmend auch der Geschäftserfolg messen. Kund*innen haben heute deutlich höhere Erwartungen als je zuvor, sie haben sich an die neuen digitalen Standards gewöhnt. Ein Zurück zum Davor wird es nicht geben. Die Digitalisierung sollte also für jedes Unternehmen absolute Priorität haben.

Welches waren die wichtigsten Herausforderungen, denen sich Ihre Kunden stellen mussten – und was haben Sie getan, um sie zu unterstützen?

Unser Ziel ist, die Welt durch digitale Erlebnisse zu verändern. Darin wollen wir natürlich auch unsere Kund*innen unterstützen. Mit Produkten und Dienstleistungen in ganz verschiedenen Bereichen wie Kreativität, Dokumenten-Management, digitales Marketing und eCommerce leisten wir einen wichtigen Beitrag für Gesellschaft und Wirtschaft gleichermassen. Entsprechend haben wir von Anfang an sichergestellt, dass unsere Cloud-Lösungen durchgehend und reibungslos für all unsere Kund*innen verfügbar sind. Als Teil unseres Infrastrukturprogramms haben wir unsere Cloud-Lösungen mit mehreren Anbietern und Clouds an verschiedenen Standorten auf der ganzen Welt überwacht und betrieben.

Gibt es sonst noch Massnahmen, die sie ergriffen haben?

Wir haben kurzfristig eine Reihe von Programmen sowohl für Arbeitnehmer*innen und Student*innen als auch für Unternehmen umgesetzt. Beispielsweise haben wir unsere webbasierten PDF-Dienste auf Adobe.com vorrübergehend kostenlos zur Verfügung gestellt, um auch ausserhalb regulärer Büros nahtlose digitale Dokumenten-Workflows zu ermöglichen. Dazu zählt ausserdem die Integration unserer Dienste Document Cloud und Adobe Sign. Zudem haben wir Verlängerungszeiträume ausgedehnt sowie bei grosser Nachfrage im Data und Analystic Web Traffic unterstützt, um der enormen Nachfrage von Unternehmen nach digitaler Kommunikation mit ihren Kund*innen gerecht zu werden. Ausserdem haben wir 30 Millionen Creative Cloud-Lizenzen für Student*innen zur Verfügung gestellt, damit sie auch ohne Zugang zu den Computerlaboren der Universität weiter lernen können. Und gerade weil sich in puncto Digitalisierung insbesondere im vergangenen Jahr so einiges getan hat, haben wir Unternehmen und Menschen weltweit Zugang zu entsprechenden Ressourcen ermöglicht. Die Teilnahme an unseren wichtigsten Veranstaltungen, dem Adobe Summit und der Adobe MAX, war beispielsweise kostenlos und der Zugang vollständig digital.

Ich erinnere mich an die gross angelegten Live-Events, die Adobe beispielsweise in London veranstaltet hat. Diese waren seit Jahren ein wichtiger Teil Ihrer Marketingstrategie. Wie haben Sie sich also angepasst, als die Pandemie zuschlug?

Als das volle Ausmass der Pandemie im vergangenen Jahr offensichtlich wurde, stand der Adobe Summit mit erwarteten 23’000 Teilnehmer*innen kurz bevor. Innerhalb von gerade einmal vier Wochen haben wir die Konferenz auf ein vollständig digitales Event umgestellt – mit Erfolg: Über 100’000 Teilnehmer*innen aus knapp 200 Ländern haben sich registriert. Als Live-Event wäre das so nicht möglich gewesen. Dieses Jahr konnten wir dies mit unserem Adobe Summit 2021 erfolgreich weiter ausbauen. Inspirierende Gäste wie Albert Bourla, CEO bei Pfizer, Michael Nilles, CDIO bei Henkel und Tennis-Ass Serena Williams sowie spannende Neuerungen und Insights können digitale Events auch nach mehr als einem Jahr voller Videokonferenzen noch immer begeistern und Menschen von überall auf der Welt zusammenbringen.

Glauben Sie, dass «live» zurückkommt?

Davon bin ich überzeugt! Viele Menschen freuen sich wieder auf den persönlichen Austausch. Ich denke jedoch, dass auch digitale Formate nicht wieder verschwinden werden. Mit digitalen Events können Unternehmen deutlich mehr Menschen erreichen als nur mit Live-Veranstaltungen – und das weltweit. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Veranstaltungen in Zukunft auch hybrid stattfinden werden, um so beide Welten zu vereinen.

Glauben Sie, dass sich das Kundenverhalten durch diese Pandemie dauerhaft ändert?

Absolut, ein Zurück wird es nicht geben. Das zeigt auch unser Digital Trends Report: 30 Prozent der Befragten sind heute weniger loyal gegenüber Marken und Produkten. Unternehmen spüren diese Auswirkungen bereits sehr konkret, 47 Prozent der Marken in der EMEA-Region bemerken ein verändertes Kaufverhalten ihrer Kund*innen. Heute zählt primär das Kund*innenerlebnis, um der Konkurrenz den entscheidenden Schritt voraus zu sein.

Adobe hat sich in der jüngsten Vergangenheit auf Ihre «Peers» konzentriert – auf CMOs. Jetzt habe ich das Gefühl, dass sich die Aufmerksamkeit in der Branche etwas ändert. Hin zu CIOs und dazu, wie sie mit ihren Kollegen im Marketing zusammenarbeiten. Wie sehen Sie das?

Das ist absolut richtig. Die digitale Transformation ist ohne IT gar nicht denkbar. CIOs und IT-Teams sind die Enabler digitaler Kund*innenerlebnisse. Der zunehmende Fokus auf digitale Kund*innenbeziehungen wirkt sich bereits deutlich auf ihre Aufgabenbereiche aus: Laut unserer aktuellen Studie zur Rolle der CIOs in Europa haben drei Viertel der CIOs im vergangenen Jahr deutlich mehr Verantwortung übernommen. Klar ist aber auch: CMOs und Marketing-Teams sind dank Daten und Insights nicht nur Kund*innenversteher*innen, sondern insbesondere auch die kreative Triebfeder jedes Unternehmens. Herausragende Kund*innenerlebnisse gelingen deshalb nur, wenn Marketing und IT eng zusammenarbeiten.

Was wird für Adobe in Zukunft anstehen? Auf welche Bereiche werden Sie sich in den kommenden Monaten und, sagen wir mal, in den «post-pandemischen» Jahren konzentrieren?

Wir wollen unsere Kund*innen auch zukünftig darin unterstützen, in der digitalen Welt erfolgreich zu sein. Die digitale Kund*innenkommunikation ist heute wichtiger denn je, jedes Unternehmen muss in der Lage sein, die Bedürfnisse seiner Kund*innen zu verstehen und ihnen personalisierte digitale Erlebnisse anzubieten. Gerade weil Drittanbieter-Cookies vor dem Aus stehen, unterstützen wir unsere Kund*innen jetzt mit der richtigen Technologie dabei, ihr Business erfolgreich auf eine First Party-Datenstrategie umzustellen, um sich optimal auf die Post-Cookie-Ära vorzubereiten.

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