Die wachsende Bedeutung der Brand Performance

Performance Marketing befindet sich derzeit in einem Wandel, sowohl was den kreativen Anteil, als auch was die Komplexität angeht. So wie sich vor einigen Jahren Social Media Advertising deutlich ausdifferenziert hat, nimmt nun Performance an Fahrt auf. Detlef Henke von TLGG spricht in seinem Gastbeitrag über die Bedeutung einer langfristigen Markententwicklung.

Inhalte-passgenau-serviert
Ein Brand soll idealerweise Inhalte passgenau servieren.

Treffen sich zwei Funktionen im Unendlichen. Sagt die eine: «Ey, aus der Bahn, sonst leite ich dich ab.» Sagt die andere: «Hahaha, mach doch, ich bin die e-Funktion!» Ob Sie an dieser Stelle müde lächeln, vor Lachen am Boden liegen oder verwirrt zwinkern, kann nicht einmal gemutmasst werden. Idealerweise lesen Sie diesen Text unabhängig von Ihrem mathematischen Grundverständnis, und sehr wahrscheinlich findet er auch unabhängig davon seinen Weg in Ihren Nachrichtenfeed. Der wesentliche Punkt ist, dass jeder Witz am Ende auch von seinem Kontext lebt: Ihr Vorwissen, Ihre aktuelle Situation, Ihr grundlegendes Interesse an uralten Mathematikwitzen – als das hat einen Einfluss darauf, ob und wie dieser Klassiker bei Ihnen wirkt.

Was aber für Witze gilt, gilt für weit modernere, originellere, einzigartige Kreationen nicht weniger. Emotionale Kampagnen leben von ihrer Anschlussfähigkeit; humorvolle Kampagnen leben von ihrer Fallhöhe. Beides lebt davon, die richtigen Menschen im richtigen Moment zu erreichen. Das Tool dafür: Brand Performance, die nach einer langen Existenz als reines Reichweitenvergrösserungstool heute integraler Bestandteil jeder Kampagne sein sollte. Die Performance ist ein konzeptionelles Element, das Targeting Teil der Kreation.

 

Klassische KPIs verlieren an Aussagekraft

Mit der Ausdifferenzierung von Social Media Advertising vor einigen Jahren wuchs die Bedeutung von Social Ads, Targeting und Performance Boost auch für Kreation und Redaktion. Diese Entwicklung setzt sich heute über alle Kanäle und Formate hinweg: Performance Marketing befindet sich in einem kontinuierlichen Wandel. Der kreative Anteil wächst nach wie vor, doch gleichzeitig gewinnt die Disziplin an Komplexität und strategischer Bedeutung für Marken. Zentrale Richtlinie ist nun aber der Mehrwert. Lange gültige KPIs wie reine Reichweite, Impressions, CTR und selbst Abverkauf haben an Aussagekraft verloren. Sie helfen zwar, die reine Performanceleistung einer Kampagne einzuordnen, lassen jedoch kaum Schlüsse auf die Markenwirkung und Markenentwicklung zu.

Heute setzen Marken verstärkt auf den Net Promoter Score als zentralen Erfolgsindikator. Hier ist es ganz einfach: Wenn eine Marke ihre Zielgruppe überzeugt und diese dann Werbung für die Marke macht, dann hat man das Wichtigste erreicht. Wie gut das funktioniert, lässt sich zum Beispiel über Brand-Lift-Studien herausfinden, wie sie die meisten sozialen Plattformen und Werbenetzwerke anbieten. Nicht immer rennen Marketer und Agenturen damit offene Türen ein: Die Angst vor möglichen negativen Ergebnissen und den darauffolgenden strategischen Fragen und Zielkonflikten ist gelegentlich gross. Doch angesichts der verwendeten Budgets – Brand-Lift-Studien liefern ab etwa 25‘000 Franken aussagekräftige Ergebnisse – sind Fragen der Zielwirksamkeit und der strategischen Herangehensweise natürlich essentiell.

 

Relevanzoptimierte Ausspielung ist die neue organische Reichweite

Im Medienumfeld ist organische Reichweite für Markeninhalte meist ein schöner, inzwischen aber eher milde nostalgischer Traum. Die strategisch-kreative Bedeutung der Brand Performance wird hier besonders deutlich, wenn man sie im Zusammenspiel der Disziplinen betrachtet: Die Strategie definiert die Parameter für die Markenbotschaft, die Kreation gestaltet sie und optimiert sie für die definierten Zielgruppen, die Performance stellt sicher, dass sie die richtigen Nutzer im richtigen Moment und in der richtigen Dosis erreicht. Performance wird zum entscheidenden Hebel, der Relevanz erzeugt, Marken ausdefiniert – und die anderen Disziplinen durch Expertise anleitet. Wo Strategie eher auf der Meta-Ebene denkt, kann die Performance zahlengetriebene Analyse bieten. Wo die Kreation gute Storys und Ideen entwickelt, hat die Performance nicht nur die wirksamen Formate zur Hand, sondern kann mit ihrem Wissen um Trends und neue Formate zusätzlich inspirieren und – im Laufe der Kampagne – optimieren.

Und nicht nur das: Performance veredelt die Leistung der Kreation durch ihre eigene Kreativität im Hinblick auf wirksames Targeting und die genaue Aussteuerung nach Zeit, Ort, Kanal und Endgerät. Im täglichen Wettbewerb um die streng limitierte Aufmerksamkeit der Nutzer*innen sollte es sich keine Kampagne leisten, die Qualität des Kontakts unwichtig zu finden. Zielgenaue Aussteuerung sorgt dafür, dass mutige Kreation die richtigen Interessenten erreicht. So erreichen sie nicht nur ein breites Echo, sondern einen messbaren positiven Marken-Impact.

 

Ganzheitliches Zusammenspiel statt per Algorithmus zum Schweinebauch

Die wachsenden Möglichkeiten der automatischen, Algorithmus-gesteuerten Ausspielung erlauben heute ein sehr feines Targeting nach allen relevanten (also: allen) Faktoren. Dennoch empfiehlt es sich weiterhin, den menschlichen Verstand als obersten Kampagnenverantwortlichen zu bemühen. Zum einen kann an erfolgreiche Kampagnen nur anschliessen, wer die Faktoren des Erfolges verstehen und replizieren kann. Zum anderen wirbt mancher Algorithmus heute noch like it’s 2011: Optimierung auf Reichweite, Impressionen, Schweinebauch – doch Algorithmus oder nicht, letztlich ist das ein Briefingproblem. So setzen nun auch auf den ersten Blick neuartige Adressable-TV-Kampagnen von Marken und Agenturen auf Kontaktmaximierung. Wenn den Zuschauern aber derselbe Inhalt mehrfach am Abend ausgespielt wird, werden auch die beste Kreatividee und das genaueste Targeting nur noch als Spam wahrgenommen – das vielleicht schlimmste, was einer Marke passieren kann, mit messbaren Folgen: Sinkende Abverkäufe, steigende Werbekosten, genervte «Nicht schon wieder»-Kommentare in den Kanälen, frisch installierte Adblocker.

Markenentwicklung ist keine Frage eines Abendprogramms. Sie ist noch nicht mal eine Frage eines Kampagnenflights. Nachhaltige Markenentwicklung wird idealerweise über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren realisiert. Die dafür nötige Reichweite kann jedoch keine beliebige Reichweite mehr sein. Sie entsteht im bewussten und limitierten Einsatz automatisierter Aussteuerung und im Zusammenspiel der Disziplinen. Das jedoch kann nur realisiert werden, wenn die strategisch-kreative Kraft der oft als prozessuale Selbstverständlichkeit wahrgenommenen Disziplin in ihrer Bedeutung ernstgenommen und bewusst genutzt wird.

Detlef-Henke

* Detlef Henke ist Head of Brand Performance bei der Berliner Digitalagentur TLGG.

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