Neustart statt Fehlstart nach der Coronakrise

Mit den Lockerungen kehrt langsam etwas Normalität in den Alltag zurück – für die Bevölkerung wie auch für Unternehmen. Nun muss überlegt werden, wie man den Spagat schafft zwischen Sparen und trotzdem die Nase vorn haben. Katrin Polzer, Geschäftsführerin von IPG Mediabrands Schweiz zeigt auf, welche Denkweisen Agenturen und Marketingabteilungen jetzt anwenden müssen.

Katrin-Polzer_ipg

Die Schweiz ist zurück im Leben, unsere Welt dreht sich wieder. Alles wie vorher, möchte man manchmal fast meinen. Ganz gut hat die Schweiz das mit dem Lockdown gemeistert. Die Lockerungsmassnahmen konnten sogar schneller als geplant vollzogen werden, und die Ansteckungszahlen sind zumindest bisher weitestgehend stabil geblieben.

Trotzdem haben diese letzten Wochen einiges verändert: Homeoffice und Videocalls prägen immer noch den Arbeitsalltag von vielen; Kurzarbeit und unsichere Zukunftsaussichten geben vielen von uns Anlass zum Sparen – sowohl Konsumenten als auch Unternehmen. Das merkt auch die Werbebranche. Zwar sind zumindest die Personalkosten durch Kurzarbeit vorerst gesunken, jedoch wird sich die Reduktion der Marketinginvestments über kurz oder lang im Umsatz und in den Markenwerten bemerkbar machen.

 

Wie geht es weiter?

Viele Unternehmen haben ihre Werbemassnahmen massiv zurückgefahren. Doch gleichzeitig hat das Ende des Lockdowns den Startschuss gegeben für den Kampf um die Gunst der Konsumenten – um Menschen, die ihr Geld gerade lieber zusammenhalten. Der Wettbewerbsdruck steigt also und mit ihm die Frage: Wer wird in Führung gehen und wer scheidet aus dem Rennen aus – vielleicht sogar für immer?

Eine Krise bietet jedoch auch die geradezu perfekte Ausgangslage, um neu durchzustarten und mit seinem Unternehmen und seiner Marke auf die Überholspur zu wechseln. Dafür braucht es eine authentische Markenbotschaft, ein relevantes Angebot und nicht zuletzt Präsenz, um gerade jetzt für seine Kunden im richtigen Kontext unübersehbar zu sein.

 

Sparen oder investieren

Nur, wie schafft ein Unternehmen den Spagat zwischen den notwendigen Sparmassnahmen und der Chance, gerade jetzt an Vorsprung zu gewinnen? Jetzt heisst es: «Get the biggest bang for the buck», hole aus dem, was du hast, das meiste heraus. Denn nur wer jetzt seine Werbeinvestitionen effizienter, genauer und kreativer platziert als seine Mitbewerber, schafft den optimalen Neustart und wird die Nase vorn haben.

Agenturen und Marketingabteilungen werden in einer Zeit von knappen Budgets mehr denn je gefordert sein, sich nicht nur an Marken- und Reichweitenwerten messen zu lassen, sondern direkt am Einfluss ihrer Entscheidungen auf den Unternehmenserfolg.

Ist Corona also auch in der Werbung ein Trigger dafür, den schon lang begonnenen Wandel hin zu einer komplett daten- und performancegetriebenen Marketingdenkweise endlich anzunehmen und nachhaltig zu realisieren? Nicht, dass wir das nicht schon lange anstrebten. Aber mal ehrlich, so ganz haben wir es bisher nicht geschafft. Immer noch werden zum Beispiel grosse Mediainvestments ohne Modellings oder systematischen «Test and Learn»-Ansatz getätigt – also ohne konkreten Beleg dafür, was der eingesetzte Werbefranken über kurz oder lang zurück in die Kasse des Unternehmens spült.

Und dabei sind die Diskussionen zwischen Marketing- und Finanzabteilungen – und das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen – faktenbasierter, leichter und wohlwollender, wenn es etwa durch ein Mediamodelling möglich ist, über ROIs zu sprechen. Denn dann geht es plötzlich nicht mehr um Marketingkosten, sondern um ein Marketinginvestment.

 

Zeit, etwas zu bewegen

Als Marketingcommunity haben wir durch Corona also einmal mehr die Chance, etwas zu bewegen, aber auch uns neu zu erfinden und die Wirkung unseres Tuns klar zu positionieren. Es braucht also Strategien, kreative Lösungen und flexible Tools, die eine schnelle Anpassung und Optimierung von Marketingmassnahmen möglich machen. Und es braucht den Mut, vieles im Kleinen auszuprobieren, funktionierendes gross zu machen und was nicht funktioniert sofort wieder sein zu lassen. So schützen wir Budgets und lernen dabei noch eine Menge darüber, was uns erfolgreich macht und was nicht. Ladies and Gentlemen, start your engines!

* Katrin Polzer führt seit Oktober 2019 IPG Mediabrands der Schweiz. Zu dem internationalen Netzwerk gehören die Mediaagenturen Initiative und UM sowie die Digital-Performance-Agentur Reprise. Neben ihrer Agenturkarriere sammelte Katrin Polzer über 10 Jahre Erfahrung auf Kundenseite – zuletzt als Werbe- und Marketingleiterin bei der Ikea Group in der Schweiz. Dort verantwortete sie die Transformation von der klassischen Massenkommunikation hin zu einer kundenzentrierten, digitalen und datengetriebenen Markenkommunikation. Katrin Polzer lebt in Zürich und ist Mutter von zwei kleinen Töchtern.

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