«Amazon kam ursprünglich auch aus dem Bücherbereich»

Martin Koncilja, Marketingleiter von Microspot.ch und Interdiscount, spricht im Interview mit der Werbewoche über die neue Ausrichtung der grünen Onlineplattform, die künftig den gesamten Non-Food-Bereich der Coop-Gruppe bündeln soll.

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Werbewoche: Nach dem Scheitern von Siroop hat Coop beschlossen, das Sortiment von Microspot zu erweitern und den Heimelektronikshop als Handelsplattform mit Warenhauscharakter neu auszurichten. Wieso hat man im Zuge dessen nicht gleich den Namen geändert?

Martin Koncilja: Am Umsatz gemessen sind wir der viertgrösste Schweizer Onlineshop. Darum macht es aus meiner Optik überhaupt keinen Sinn, den bekannten Brand durch einen neuen zu ersetzen.

Ist der nach IT klingende Brand Microspot tauglich, um Parfüms und Gartenhand­schuhe zu verkaufen?

Ich glaube, dass der eigentliche Name an sich heute gar nicht mehr so relevant ist. Viel entscheidender ist, was hinter der Marke steht. Stimmen Preis, Convenience, Service? Solche Faktoren sind den Kunden viel wichtiger, als ob der Name genau zum Sortiment passt.

Also gibt es ein Commitment zu diesem Namen?

Ja, dieser Name bleibt. Definitiv.

Optisch kommt Microspot mehr wie ein Elektronik-­Discounter als ein Onlinewarenhaus daher. Wird der Auftritt angepasst?

Um neue Kunden ansprechen zu können, sind sicherlich Veränderungen nötig. Allerdings werden wir die nach und nach vornehmen und nicht auf einmal. Denn für uns ist auch wichtig, weiterhin für die grosse Zahl an Stammkunden, die wir haben, in bewährter Form da zu sein.

Besteht durch die Sortimentserweiterung die Gefahr, dass die Marke verwässert und man die Stammkundschaft dadurch verjagt?

Die Gefahr würde bei einem «Big Bang» mit neuem Namen, neuer Farbe und neuen Werten sicherlich bestehen. Da wir aber genau wissen, woher wir kommen und alle Anpassungen schrittweise machen, denke ich nicht, dass dieses Problem auftritt. Amazon kam ursprünglich auch aus dem Bücherbereich, wandelte sich nach und nach – und heute gibt es auf der Plattform alles zu kaufen.

Wen spricht Microspot heute an?

Stand heute ist, dass wir keine klar definierte Zielgruppe haben, sondern die breite Masse angehen. Aufgrund des Computer- und Heimelektroniksortiments haben wir in der Vergangenheit deutlich mehr Männer als Frauen angesprochen, da sich Männer oft stärker für diese Segmente interessieren.

Nun weiten Sie Ihr Sortiment massiv aus. Gibt es klarer definierte Zielgruppen?

Die Strategie ist, mit Microspot die Non-Food- Plattform von Coop zu realisieren – mit einem so breiten Sortiment, dass wir am Ende jede Frau und jeden Mann in diesem Land ansprechen. Das ist das Ziel.

In der Vergangenheit haben Sie weitgehend auf Imagewerbung verzichtet. Wieso?

Wir gehören ja zu Interdiscount, einem traditionellen Handelsunternehmen. Im Handel standen in der Vergangenheit bei der Kommunikation immer Produkt und Preis im Vordergrund. Mit den tiefen Preisen haben wir bisher bei Microspot diesbezüglich sehr gut gelebt. Diese Karte, dass wir die Günstigsten sind, haben wir auch gerne gespielt und an die grosse Glocke gehängt. Dass der Preis einfach ein sehr entscheidender Faktor ist, merken wir zum Beispiel auch daran, dass viele Kunden über Preisvergleichsportale zu uns gelangen.

Man konnte es sich also bisher leisten, auf Imagewerbung zu verzichten. Ändert sich das künftig?

Jetzt, wo wir Microspot breiter ausrichten und die Bekanntheit erhöhen wollen, müssen wir natürlich auch Image, Branding und einen gewissen Witz in die Kommunikation reinbringen. In Zukunft wird der Preis einer von vielen Faktoren sein. Uns liegt beispielsweise die Convenience des Kunden am Herzen – da wollen wir in Zukunft als Non-Food-Plattform von Coop viel mehr Gas geben. Ein einfaches und unkompliziertes Handling von Bestellungen oder Retouren ist äusserst wichtig.

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Sie sagen «Non­Food­-Plattform von Coop» – werden andere Shops der Coop­-Gruppe integriert?

Die meisten Formate haben einen eigenen Shop, zum Beispiel Import Parfümerie oder Bau & Hobby. Sicherlich werden mit der Zeit andere Formate auf der Plattform präsent sein.

Geben die anderen ihre Onlineshops auf?

Nein, sie behalten ihre Shops.

Was ist das Ziel in Bezug auf die Konkurrenz, die mittlerweile in der Schweiz ziemlich mächtig ist?

Zusammen mit Interdiscount sind wir im Bereich Heimelektronik Marktführer. Der Anspruch ist aber, dass wir auch im Onlinebereich zu den führenden Anbietern gehören.

Ist eine Verknüpfung zwischen den Interdiscount-Filialen und dem Microspot-Portal geplant?

Nein, das ist nicht geplant. Wir haben ja die Interdiscount-Plattform, bei welcher in Zusammenhang mit den 200 Läden cross-channel das grosse Stichwort ist – mit grossem Erfolg. Aber eine Vermischung mit Microspot ist nicht vorgesehen.

Wird der Interdiscount-Onlineshop aufgrund der starken Microspot-Plattform nicht früher oder später überflüssig?

Ich denke nicht. Aktuell ist Instant Delivery, also das Abholen vor Ort, ein sehr grosses Thema. Wir merken dies besonders in den Hochfrequenz-Filialen, sprich an Bahnhöfen oder an Flughäfen. Da haben wir einen enormen Zustrom an Leuten, die Dinge sofort benötigen. Darauf setzen wir auch in Zukunft voll und ganz.

Der Microspot-Claim lautet «Der Preis entscheidet». Ist das auch in Zukunft die richtige Wahl? Digitec Galaxus beispielsweise fährt eine andere Strategie, setzt auf Community, Content und Kundendienst und hat damit offensichtlich Erfolg.

Wie erwähnt wird der Preis ein entscheidender Faktor bleiben. Ob das in Zukunft noch im Claim gesagt werden muss oder ob die halbe Schweiz sowieso schon weiss, dass wir für tiefe Preise stehen, ist nicht entschieden.

Sind nach dem Microspot-Blog weitere Massnahmen im Bereich Community Building geplant?

Der Blog war der erste Schritt, genau. Seit 2018 führen wir mit 20 Minuten im Bereich Content eine grosse Partnerschaft und posten dort
alle zwei Wochen ein Video, in welchem ein Gadget-Tester aktuelle Geräte von uns testet. Auf Video Content wollen wir in Zukunft noch stärker setzen. Um dieses Thema kommt man gar nicht mehr herum und da wollen wir auch mehr drauf setzen.

Sind auch Kundenbewertungen oder Rezensionen in Planung?

Das ist sicher eine der vielen Ideen, die wir haben und prüfen. Aber momentan ist noch nicht klar, was wir als Nächstes anpacken.

Haben Sie Lehren aus dem Fall Siroop gezogen, was Marketing und Werbung betrifft?

Weil Siroop auch zur Coop-Gruppe gehörte, haben wir den Fall sehr eng verfolgt. Ich möchte an dieser Stelle aber auch mal betonen, dass vieles auch sehr gut und richtig gemacht wurde.

Zum Beispiel?

Wenn man weiss, was es braucht, um so einen Shop innert kürzester Zeit aus dem Boden zu stampfen, verdient das meinen vollen Respekt. Rein auf die Werbung bezogen hat Siroop zudem die Bekanntheit extremschnell erhöht. Und was sonst sonst nicht so gut lief, haben wir natürlich analysiert und daraus unsere Schlüsse gezogen. Aber ich möchte als Marketingleiter nicht einem Berufskollegen sagen, was er gut und was er schlecht gemacht hat.

Interview: Thomas Häusermann

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