Ein «Egon» für die Schweiz

Der Chief Marketing Officer von Schweiz Tourismus ist «Werber des Jahres 2023». André Hefti setzte sich gegen drei Topkreative durch. Was treibt ihn an, wie kam es zu den meisterhaften Kampagnen rund um Robert de Niro, Roger Federer und Anne Hathaway? Und welche Akzente will er als Werber des Jahres setzen?

(Bild: Chris Reist, Illustration: Silvan Borer)

So ein spannendes Rennen um den Egon hat es lange nicht gegeben. Die Fachjury hatte schon gewählt, zwei Favorit:innen zeichneten sich ab. Dann begann im zweiten Schritt das Onlinevoting. Die Abonnent:innen des Newsletters können jeweils ihre Stimme abgeben für einen der Nominierten. Pro Abo eine Stimme. Dieser Teil der Abstimmung zählt, genau wie die Jurywertung, 50 Prozent. Für etwas mehr als eine Woche war das Onlinevoting-Fenster offen und … das Netz brach fast zusammen (ich übertreibe nur leicht), so stark mobilisierten die Nominierten ihre Community. Die Anmeldungen für ein Newsletter-Abo schnellten in die Höhe und es ergab sich ein atemberaubendes Kopf-an-Kopf-Rennen. Insgesamt gaben mehr als 800 Menschen ihre Stimme ab. Als das Fenster sich schloss, wurden die Onlinestimmen und die Juryergebnisse mithilfe eines seit Jahren bestehenden Prozentschlüssels ausgewertet und ergaben: Der Marketingchef von Schweiz Tourismus, André Hefti, gewinnt das Voting und ist «Werber des Jahres» 2023.

Was ist gute Werbung?

Wie kreativ kann oder muss man sein als Marketingchef? André Hefti lacht. Ohne Ideen und die kluge Art der Umsetzung von Insights gehe nichts, so der Werber des Jahres. Die Digitalisierung, sagt er, werde überschätzt. Wenn alle so intensiv dem Insight und der kreativen Idee nachgingen wie dem Hype der Digitalisierung, könne sich manche Marke einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erarbeiten. Seiner Meinung nach werde Kreativität trotz oder gerade wegen der Digitalisierung an Bedeutung gewinnen. Aber er findet, der Lebenszyklus selbst guter Werbung sei sehr kurz geworden. Selbst herausragende Werbung über einen längeren Zeitraum erfolgreich zu aktivieren, sei eine Herausforderung. Strategische Weitsicht, Fokus und höchste Ansprüche seien dafür gefragt.

Es sei entscheidend, Kommunikationsplattformen zu bauen, die langfristig bespielbar seien. Viele hätten dafür nicht die Geduld. Schweiz Tourismus schafft genau dies seit Jahren. Natürlich in enger Zusammenarbeit mit herausragenden Agenturen. Aber eben auch mit dem Sympathieträger schlechthin. Mit Roger Federer. «Dass wir Roger Federer als Ambassador für das Reiseland Schweiz gewinnen konnten, war sicherlich das Beste, was mein Team und ich in den letzten Jahren getan haben», reflektiert André Hefti. Aber auch die Zusammenarbeit mit internationalen Grössen wie Robert de Niro, Anne Hathaway und Trevor Noah würden den Charme des Reiselandes Schweiz stärken.

Wer ist der Mann hinter den erfolgreichen Marketingmassnahmen?

André Hefti wächst in einer Welt ohne Marken auf. Im Hause Hefti gibt es keinen Fernseher, aber er weiss und spürt, dass da draussen eine Welt auf ihn wartet, die ihn verführen möchte. Das löst eine Faszination aus, der er sich nicht entziehen kann. Als Student bewirbt er sich zweimal bei einer Werbeagentur, wird aber beide Male abgelehnt. Er muss lachen ob der Absurdität, dies nun als amtierender «Werber des Jahres» zu reflektieren, und fügt noch hinzu: «Vielleicht bewerbe ich mich da jetzt noch mal.»

Bevor André Hefti 2018 den Posten des Chief Markting Officer bei Schweiz Tourismus annimmt und dort das globale Marketing verantwortet, ist er in verschiedenen internationalen Marketingfunktionen in der Konsumgüterbranche aktiv. Er ist verheiratet, Vater von drei Kindern und lebt mit seiner Familie in der Romandie.

Kann die Schweizer Werbebranche international mithalten?

Hefti findet, dass die Schweizer Werbebranche nicht genug Wertschätzung auf der internationalen Bühne erhält. Für internationale Auftraggeber kommen immer noch London, Paris, New York, also die üblichen Verdächtigen, zum Zug. Zu Unrecht, findet der Marketingexperte: «Die kochen auch bloss mit Wasser.»


LAUDATIO

«Du zeigst meisterhaft, was Kommunikation heute ist»

David Schärer war «Werber des Jahres 2021/22». In seiner Laudatio ehrt er den neu gekürten Gewinner des Egons.

«Wer hätte vor mehr als dreissig Jahren auf dem Pausenhof des Spiegelfeld-Schulhauses bei Basel gedacht, dass wir uns eines Tages wiedersehen werden bei dem wohl ehrenvollsten Moment, den unsere Branche zu bieten hat? Dass ich dir den Stab übergeben darf, weil du jetzt «Werber des Jahres» bist? Du sollst heute stolz sein. Stolz auf deine Leistung; stolz, dass du mit deiner Arbeit – ich gehe heute so weit – Werbegeschichte geschrieben hast. Denn was Kampagnen sind, hat sich in den letzten Jahren fundamental verändert, das Primat der Messbarkeit geht oft zuungunsten der Magie. Deine Arbeit aber zeigt, wie man heute für Furore sorgt. Deine Arbeit für Schweiz Tourismus ist wegweisend und leuchtendes Beispiel dafür, was moderne Kommunikation ist. Kommunikation, welche das Publikum erfreut und Ergebnisse bringt. Besonders hervorzuheben ist, dass dir diese profilierte, man kann sagen, beherzte Kommunikation in Zeiten gelungen ist, in der es besonders herausfordernd war, ausgerechnet eine Destination zu bewerben.

Wir leben in schweren Zeiten, ein Aphorismus aus dem Militär sei mir trotzdem erlaubt: Ein US-General sagte einst, Amateure sprächen von Strategie, Profis aber von Logistik. Wir kennen es alle; Papier ist geduldig, insbesondere gilt dies für Konzeptpapiere. Die besten Ideen sind nichts, wenn sie keine Mehrheiten finden, und diese Mehrheiten schmiedest du meisterhaft in deiner Organisation. Ich kann mir Hunderte Bedenken ausdenken, warum eine Kampagne mit Federer, Hathaway, de Niro und Co. mit zu grosser Kelle angerührt ist (wir sind ja ein bescheidenes Land) und die Aussage der Kampagne doch eigentlich eine Negation sei. Und die beste Strategie ist nichts wert ohne ihre Umsetzung. Nelson Mandelas Bonmot «It seems impossible until it’s done» hängt als Fahne in meinem Büro. Deine Kampagne ist exemplarisch für diesen Mut, so eine Sache einfach durchzuziehen. Etwas neidisch bin ich schon, dass es euch und den geschätzten Kolleg:innen von Wirz jüngst gelungen ist, aus einem Filmdreh am Zürcher Hauptbahnhof ein PR-Happening zu inszenieren und dann nicht einmal zu bestätigen, dass ihr es wart. Das ist ein Lehrstück dafür, wie man Hypes organisiert. Wie grossartige Arbeit genau entsteht, ist rückblickend immer schwer zu sagen. Sicher ist, es braucht ein tolles Team und eine:n Auftraggeber:in, der oder die intern überzeugt, die Allianzen findet und in enger Kollaboration die Kampagne besser und besser macht, damit ihre Botschaft wirken kann. Dies ist dir mit deiner Arbeit in glänzender Weise gelungen. Du darfst stolz sein auf die Coups in den letzten fünf Jahren, deshalb bist du der absolut verdiente «Werber des Jahres».

Als Touristiker lebst du auch an einem der schönsten Orte in der Schweiz. Ich wünsche mir, dass es dir gelingt, den Titel des Werbers vielleicht prominenter in die französischsprachige Schweiz zu tragen. Nutz die Chance, unserem Beruf zu mehr Ansehen zu verhelfen und junge Menschen für diese Branche zu begeistern. Ich gratuliere dir ganz herzlich, lieber André.»

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