Lifetime Award des Prix Courage 2022 geht an Anni Lanz

Die Zeitschrift Beobachter ehrt mit dem 26. Prix Courage Menschen, die durch ihren vortrefflichen Dienst an der Gesellschaft aufgefallen sind. Fünf Finalist:innen wurden nominiert. Der Lifetime Award geht dieses Jahr an die Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz, die seit bald 40 Jahren für Menschen auf der Flucht kämpft.

Anni Lanz (Foto: Christian Schnur).

Der Lifetime Award 2022 für besondere Dienste an die Gesellschaft geht an die Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz. Seit bald 40 Jahren setzt  sie sich für Menschen auf der Flucht ein. Für ihren unermüdlichen Einsatz für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität ehrt die Redaktion des Beobachter Anni Lanz mit dem Prix Courage Lifetime Award 2022.

Mit 40 Jahren begann Anni Lanz sich für Geflüchtete einzusetzen. Im Verlauf der letzten vier Jahrzehnte beherbergte sie über 100 Personen in ihrer Basler Dreizimmerwohnung – in den Achtziger Jahren die Kurdinnen und Tamilen, die Bosnierinnen, Serben, Kosovo-Albanerinnen in den Neunzigern, die Afghanen, Syrerinnen zu Beginn des neuen Jahrtausends und jetzt die Ukrainerinnen.

Dabei setzte sich Anni Lanz in unterschiedlichster Manier für die Geflüchteten ein: Sie hat abgewiesene Menschen versteckt, sie begleitet und ermutigt, sie immer wieder im Gefängnis besucht, Rekurse geschrieben und politische Kämpfe ausgefochten. Darum erteilte ihr die Juristische Fakultät der Universität Basel 2004 die Ehrendoktorwürde, wurde sie 2005 als eine von fünf Schweizerinnen beim Projekt «1000 Friedensfrauen» für den Friedensnobelpreis nominiert, erhielt sie 2007 den Fischhof-Preis der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz. Und deshalb verleiht die Redaktion des Beobachters Anni Lanz jetzt den Lifetime Award 2022 des Prix Courage.

«Als junges Mädchen habe ich immer nach dem Sinn des Lebens gesucht», sagt Anni Lanz. «Dann habe ich gemerkt: Wenn ich etwas für andere mache, gibt mir das Lebenssinn.»

Fünf kandidieren für den Hauptpreis

Wer den mit 15’000 Franken dotierten Hauptpreis gewinnt, entscheiden zu gleichen Teilen die Leserinnen und Leser sowie die Jury unter Leitung der ehemaligen Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli. Das sind die Kandidatinnen und Kandidaten:

  • Aileen Lakatos kämpft gegen sexuelle Übergriffe bei Film und Theater. Als junge Maturandin nahm Aileen Lakatos an ihrem ersten Film-Casting teil und wurde dabei sexuell belästigt. Während ihres Monologs trat ein Mann von hinten an, berührte ihre Schultern, streichelte ihre Brüste und fasste sie an den Schritt. Später stellte sich heraus, dass es sich nicht um ein echtes Casting handelte, sondern der Dreh für einen Film, der aufzeigen sollte, was junge Schauspielerinnen angeblich alles für eine Filmrolle tun würden. Lakatos wurden somit falsche Tatsachen vorgegaukelt, die als Rechtfertigung für sexuelle Übergriffe benutzt wurden. Sie suchte nach anderen Betroffenen und leitete 2018 gemeinsam mit ihnen rechtliche Schritte ein. Im April 2022 hielt das Bezirksgericht Brugg in einem rechtskräftigen Vergleich fest, dass der Regisseur Schadenersatz zahlen muss.
  • Meinrad Furrer setzt sich für eine Kirche ein, die niemanden diskriminiert. Er segnete gegen den Willen der katholischen Kirche homosexuelle Paare. Im März 2021 gab der Vatikan allen Vertretern der katholischen Kirche die Weisung, dass Segnungen von Homosexuellen untersagt seien. Die Absage an den «Segen für alle» weckte Meinrad Furrers Kampfgeist. Er fand, dass nun ein Signal von Nöten sei. Der Seelsorger ist seit jeher ein Verfechter für eine vielfältige Kirche und segnete im privaten Rahmen schon früher gleichgeschlechtliche Paare. Aufgrund der Weisung aus dem Vatikan entschied er sich, das öffentlich zu tun – dem Verbot aus Rom zum Trotz. Er lud «alle sich Liebenden» ein, sich auf dem Zürcher Platzspitz von ihm segnen zu lassen. Zehn gleichgeschlechtliche Paare profitierten von seinem Angebot.
  • Natallia Hersche ging für die Demokratie in Belarus 17 Monate ins Gefängnis. Die schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin nahm während eines Besuchs ihrer ursprünglichen Heimat im Herbst 2020 an einem Marsch gegen die Wahlfälschung durch den Machthaber Alexander Lukaschenko teil. Dabei wurde sie verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Während der Untersuchungshaft wurde die politische Gefangene mit Schlafentzug gequält und in der Gefängniskolonie, in welcher Hersche nach dem Urteil gebracht wurde, wurde sie – aufgrund ihrer Weigerung Uniformen zu nähen – während 40 Tage in einer unbeheizten, kleinen Zelle in Einzelhaft gesteckt. Die Demokratieaktivistin hätte, um die Haftzeit zu verkürzen, um eine Begnadigung bitten können. Sie entschied sich dagegen, weil sie nichts verbrochen hatte und kam dank Schweizer Diplomatie erst nach 17 Monaten frei.
  • Gabriella Hagger wurde Opfer einer Verschwörungstheorie und wurde in der Folge als Satanistin bezeichnet. Sie kämpft nun dafür, dass es anderen nicht ebenso ergeht. Gabriella Haggers Mann wurde von seiner Tochter des rituellen Kindsmissbrauchs angezeigt. In einer Therapie waren bei der psychisch belasteten jungen Frau die vermeintlichen Erinnerungen satanistischer Ritualen aufgekommen. Obwohl ein Gericht die Eltern entlastete, treffen sie bis heute auf Misstrauen. Dieser Umstand belastete Hagger sehr und sie begann zum Thema zu recherchieren. Dabei stiess sie auf die Verschwörungsgeschichte «Satanic Panic», auf Fachleute, die daran glauben, dass Satanisten Kinder missbrauchen und die Psyche ihrer Opfer mutwillig aufspalten. In ihrer ruhigen, hartnäckigen Art klärt Gabriella Hagger über die gefährliche Ideologie auf. Sie berät Angehörige, spricht mit Medienschaffenden und Behörden und stellt damit sicher, dass das Thema nun gesellschaftlich und wissenschaftlich diskutiert wird.
  • Daniel Juzi evakuierte 21 Angehörige eines fliegenden Hilfswerks aus Afghanistan. Er lebte mit seiner Familie während 17 Jahren in Afghanistan und ist der lokalen Sprache mächtig. Als Pilot des Hilfswerks Pactec flog er zahllose Einsätze im Land. Luzi beschreibt Pactec als eine Art Lufttaxi für humanitäre Einsätze, die dort fliegt, wo andere sich nicht trauen würden. Auch nach seiner Rückkehr in die Schweiz blieb er Afghanistan verbunden und flog gelegentlich weitere Einsätze für das Hilfswerk im Land. Als die Taliban 2021 die Macht in Afghanistan übernahmen, organisierte er von der Schweiz aus die Evakuation der 21 Mitarbeitenden des Hilfswerks. Hierfür verhandelte er während drei Tagen mit den Taliban.

Wer von den fünf Nominierten den diesjährigen Hauptpreis im Wert von 15’000 Franken gewinnt, wird je zur Hälfte durch das ab sofort eröffnete, öffentliche Voting sowie durch die Jury unter Leitung der ehemaligen Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli bestimmt. Die Preisübergabe findet am Freitagabend, 28. Oktober 2022 statt.

 

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