Bundesstrafgericht in Bellinzona erhält den Goldenen Bremsklotz

Der Goldene Bremsklotz 2016 geht an das Bundesstrafgericht in Bellinzona. Das Gericht erhält den Schmähpreis für sein Urteil gegen einen RTS-Journalisten: Die Bundesstrafrichter bestraften ihn wegen Wahlfälschung. Dabei hatte er mit seiner Recherche eine Sicherheitslücke im Wahlsystem aufgedeckt.

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Der Goldene Bremsklotz des Schweizer Recherche-Netzwerks investigativ.ch geht dieses Jahr an das Bundesstrafgericht Bellinzona: Das Gericht hat den RTS-Journalisten Joël Boissard wegen Wahlfälschung verurteilt. Dieser hatte mit seiner Recherche einen Sicherheitsmangel im elektronischen Stimm- und Wahlsystem aufgedeckt. «Das Bundesstrafgericht wirft Boissard vor, dass er skeptisch war und den Behörden nicht einfach glauben wollte», sagt investigativ.ch Co-Präsident Dominique Strebel. Damit habe das Gericht den Schmähpreis des Recherche-Netzwerks redlich verdient.

Die Probe aufs Exempel gemacht

Boissard hatte im Frühling 2015 seine Abstimmungsunterlagen doppelt erhalten. Er machte die Probe aufs Exempel – und konnte via Genfer E-Voting-System zweimal abstimmen. Eine Sicherheitslücke, die Boissard sofort den Behörden meldete und anschliessend in einem Beitrag thematisierte. Trotzdem verurteilte das Bundesstrafgericht ihn wegen Wahlfälschung zu zwei Tagesssätzen à 200 Franken. Eine geringe Strafe. Aber aus Sicht von investigativ.ch ein völlig falsches Signal.

Wahlen und Abstimmung sind zentrale Säulen unserer Demokratie. Es besteht ein grosses öffentliches Interesse, Mängel und Schwachpunkte aufzudecken.

Im Zweifel gegen die Medienfreiheit

Das Bundesstrafgericht bezeichnete das doppelte Abstimmen in seinem Urteil als «unnötig» und «nicht sachdienlich» für die Recherche. Dieses Urteil aus Bellinzona ist leider kein Einzelfall: Staatsanwälte und Richter kennen selten Pardon, wenn Journalisten während der Recherche die Grenzen der Legalität ritzen. Investigativ.ch kritisiert schon lange, dass die Justiz in solchen Fällen praktisch immer gegen die Journalistinnen und Journalisten entscheidet. Selbst wenn der aufgedeckte Missstand gravierend und das öffentliche Interesse gross ist. Dabei könnten die Richter Journalisten in solchen Fällen wegen «Wahrung berechtigter Interessen» freisprechen, wie Co-Präsident und Jurist Dominique Strebel betont. Er unterstreicht: «Das öffentliche Interesse an Recherche muss in der Rechtsprechung mehr Gewicht bekommen.»

Die Mitglieder haben entschieden

Das Recherche-Netzwerk Investigativ.ch vergibt zum vierten Mal den Goldenen Bremsklotz. Neben dem Bundesstrafgericht waren dieses Jahr auch das Eidgenössische Personalamt und das Kantonsgericht Graubünden für den Schmähpreis für Informationsverhinderung nominiert. Die Mitglieder von investigativ.ch haben den Sieger mittels Online-Abstimmung ermittelt und sich knapp für das Bundesstrafgericht ausgesprochen.

Die Preisverleihung findet im Rahmen des Jahrestreffens am 10. Mai in Zürich statt. Eingeladen ist auch die österreichische Investigativ-Journalistin Sahel Zarinfard. Sie arbeitet bei der gemeinnützigen Recherche-Plattform dossier.at.

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