Edelman Trust Barometer sieht die Vertrauenskrise als Chance für die Wirtschaft

Nach einem Jahr Covid-19-Pandemie und ihren Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft zeigt der Edelman Trust Barometer 2021 eine «Epidemie der Fehlinformation» und ein weit verbreitetes Misstrauen gegenüber den etablierten Institutionen. Unternehmen, Regierungen, NGOs und Medien haben die Aufgabe, Vertrauen wiederaufzubauen. Der Lichtblick: Der Wirtschaft wird am ehesten zugetraut, Wege aus der Vertrauenskrise zu weisen.

Die Covid-19-Pandemie mit ihren Auswirkungen auf Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft hat gemäss dem aktuellen Edelman Trust Barometer, der die Agentur Farner als Schweizer Affiliate im Detail zugänglich ist, weltweit eine “Erosion des Vertrauens” beschleunigt.

Dies zeigt sich etwa in dem deutlichen Vertrauensverlust in die beiden grössten Volkswirtschaften, USA und China. Die Regierungen der USA und Chinas werden von den Befragten in 26 anderen, weltweit untersuchten Märkten mit grossem Misstrauen betrachtet. Nur gerade 40 Prozent (USA) beziehungsweise 30 Prozent (China) der Befragten gaben an, Vertrauen in die Führungen der beiden Supermächte zu haben.

Am bemerkenswertesten ist der Rückgang des Vertrauens allerdings unter den eigenen Bürgern: Die USA, die ohnehin schon im untersten Quartil der Vertrauensskala liegen, verzeichneten seit der Präsidentschaftswahl im November 2020 einen weiteren Rückgang um 5 Punkte, während in China das Vertrauen seit Mai 2020 um 18 Punkte sank.

Krise der Führung, Infodemie und Vertrauensverlust

Diese Entwicklung der Vertrauenskrise im Verlauf des letzten Jahres zeigt sich bei Regierungen weltweit: Sie waren im Mai 2020, als ihnen die Menschen den Kampf gegen Covid-19 und für eine wirtschaftliche Erholung zutrauten, vorübergehend die vertrauenswürdigste Institution. Allerdings haben sie den Test in den Augen der Befragten nicht bestanden und den «Vertrauensvorschuss» wieder verspielt. Regierungen sind deshalb die Institution, die im Edelman Trust Barometer 2020 in der zweiten Jahreshälfte 2020 am meisten an Boden verloren (weltweit minus 8 Punkte).

Angesichts des sinkenden Vertrauens suchen die Menschen nach Führung und Lösungen, während sie Persönlichkeiten ablehnen, die sie für nicht glaubwürdig halten. Tatsächlich wird keiner der von Edelman untersuchten gesellschaftlichen Führungsinstanzen – Regierungsvertreter, CEOs, Journalisten oder religiöse Führer – zugetraut, das Richtige zu tun. Die Vertrauenswerte für alle sinken.

Ohne Vertrauen in zuverlässige Informationsquellen grassiert die «Infodemie», die chaotisch wirkende Flut an Desinformation, Falschbehauptungen und Gerüchten. Dieses globale Phänomen hat das Vertrauen in alle Nachrichtenquellen auf Tiefstwerte gebracht, wobei soziale Medien (35 Prozent) und Owned Media (41 Prozent) das geringste Vertrauen erhalten. Traditionelle Medien (53 Prozent) verzeichneten mit acht Punkten weltweit den grössten Vertrauensverlust.

Fehlinformationen behindern auch die Bekämpfung der Pandemie, da das Misstrauen gegenüber Impfstoffen nach wie vor gross ist. Tatsächlich zeigt sich in der Befragung, dass bei denjenigen, die eine schlechte Informationshygiene praktizieren (Quellen nicht überprüfen und/oder nicht sicherstellen, dass glaubwürdige, sachliche Informationen weitergegeben werden) die Bereitschaft, zur Impfung innerhalb eines Jahres nach Verfügbarkeit deutlich geringer (59 %) ist, als bei Personen mit guter Informationshygiene (70 %).

Pandemieängste erschweren zudem die Rückkehr an den Arbeitsplatz. 58 Prozent der Angestellten, die sich für Heimarbeit entschieden, taten dies 2020 aus Angst vor einer Ansteckung.

Grosse Chance bei hohem Einsatz für die Wirtschaft

Hoffnung auf eine Erholung des Vertrauens gibt die Wirtschaft. Der Trust Barometer 2021 zeigt, dass sie nicht nur die vertrauenswürdigste der vier untersuchten Institutionen ist (61 %; NGO: 57; Regierungen: 53; Medien: 51), sondern auch die einzige Instanz, die sowohl als ethisch als auch als kompetent angesehen wird.

Wenn rund um Regierungen also eine Vertrauenslücke entsteht, erwarten die Menschen, dass die Wirtschaft einspringt und die Lücke füllt. Diese hohe Erwartung an die Wirtschaft, aktuelle Herausforderungen anzugehen und zu lösen, waren noch nie so offensichtlich.

Mit den gestiegenen Erwartungen an die Wirtschaft einher geht die Forderung an CEOs, sich mit gleicher Bestimmtheit, Umsicht und Energie auf das gesellschaftliche Engagement zu konzentrieren, mit dem Unternehmen den eigenen Geschäftserfolg verfolgen.

Doch nicht nur sind die Erwartungen an die Wirtschaft gestiegen, es tauchen auch neue Anforderungen auf. So ist beispielsweise die wichtigste vertrauensbildende Massnahme für Unternehmen die Sicherung der Informationsqualität, damit zuverlässige und vertrauenswürdige Informationen an die Mitarbeitenden und damit auch an die Gesellschaft weitergegeben werden.

Tatsächlich glaubt mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent), dass Unternehmen sogar eine Verantwortung haben, die Informationslücke zu füllen, die durch das Misstrauen in Nachrichtenmedien aufgerissen wurde.

Roman Geiser, Managing Partner der Farner Consulting AG, die als exklusiver Schweizer Affiliate des weltweit grössten Agenturnetzwerks Edelman in der Schweiz vertritt, erläutert die Relevanz der Daten: «Vertrauen bleibt die wichtigste Währung für dauerhafte Beziehungen zwischen den vier von Edelman untersuchten Institutionen und ihren verschiedenen Stakeholdern. Gerade in Zeiten von Turbulenzen und Volatilität ist Vertrauen das, was die Gesellschaft zusammenhält und wo sich Wachstum wiederaufbaut und erholt.»

Zur Bedeutung der Kommunikation fügt er an: «Die Wirtschaft muss ihr erweitertes Mandat und die entsprechenden Erwartungen annehmen, wobei die CEOs bei einer Reihe von ungewohnten Themen die Führung übernehmen müssen. Wichtig ist: Zuerst sinnvolle Massnahmen ergreifen und dann darüber kommunizieren. Der Führungsanspruch muss mit Empathie einhergehen. Es gehört Mut dazu, Klartext zu reden. Aber auch die Ängste der Menschen müssen reflektiert werden.»

«In der Schweiz sind wir in der glücklichen Situation, insgesamt stabile Institutionen, eine robuste Wirtschaft und noch funktionierende soziale Ausgleichsysteme zu haben. Doch auch bei uns zeigen sich Schwächen im System und es besteht Reformbedarf. Schweizer Unternehmerpersönlichkeiten haben nun die grosse Chance, sich und ihre Unternehmen nachhaltig zu zentralen gesellschaftlichen oder politischen Themen zu positionieren und damit den Menschen einen Weg aus der Vertrauenskrise zu weisen.»

Steve Heywood, EMEA Head of Affiliates bei Edelman, ergänzt: «In den 21 Jahren des Edelman Trust Barometer, wurde das Vertrauen 2020 wohl so stark wie noch nie auf die Probe gestellt. Während die Menschen von ihren Führungskräften Antworten und Lösungen für nie dagewesene gesellschaftliche, politische und gesundheitliche Herausforderungen erwarten, zeigen die Ergebnisse des Vertrauensbarometers, dass die Führung diesen Ansprüchen nicht gerecht wird.»

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