Richtige Social-Media-Kommunikation in der Krise

In der aktuellen Pandemie ist es für Marken wichtig, den richtigen Ton zu treffen – egal über welchen Kanal. Die Marketing-Expertin Miriam Ernst erklärt, wie gute Social-Media-Kommunikation in der Krise funktioniert und wie sich Unternehmen auf Krisenkommunikation vorbereiten können.

In Zeiten von Corona ist eine gut durchdachte Krisenkommunikation essenziell. (Symbolbild: unsplash)

Werbewoche.ch: Frau Ernst, die aktuelle Krise erfordert ein Umdenken in jeglichen Bereichen. Besonders für Unternehmen hat sich die Art und Weise zu kommunizieren sehr verändert.  Wie sollte Ihrer Meinung nach die Kommunikationsweise in solchen Zeiten erfolgen?

Miriam Ernst: In derart speziellen Situationen sollten Unternehmen ihre Kommunikation feinfühlig, positiv und ermutigend ausrichten. Vielmehr sollten Unternehmen durch die Herausforderung entstehende Chancen aufzeigen, ein zusammengehörendes Gefühl vermitteln – zum Beispiel mit Hashtags wie #wirbleibenzuhause. Wichtig ist, dass die Unternehmen glaubhaft kommunizieren und sich selbst treu bleiben.

 

Gab es besondere Herausforderungen, insbesondere zu Beginn der Pandemie, denen sich Unternehmen bei der Kommunikation stellen mussten?

Im Fall der aktuellen Pandemie lag die grösste Herausforderung darin, dass es so etwas noch nie gegeben hat und somit keiner einen Fahrplan für eine Pandemie-Situationen hatte. Die User hatten sehr viele offene Fragen wie «Wann und wie geht es weiter?», und die Community Manager hatten keine Antworten darauf parat.

 

Wie sollten Unternehmen unter derart ungewöhnlichen Bedingungen wie aktuell die Corona-Krise die Kommunikation am besten angehen?

Bei der Kommunikation spielt der Zeitpunkt eine sehr entscheidende Rolle. Wenn es darum geht, negative Inhalte, also Auswirkungen, zu kommunizieren, ist es sehr wichtig, auf eine sachliche, klare und aktive Kommunikation zurückzugreifen. Besonders wichtig ist es auch, möglichst die erste Stimme auf dem Markt zu sein, damit die Verbreitung von Fake News und Gerüchten erst gar keine Chance hat. Insbesondere sollte das Thema nicht einfach ignoriert werden, sondern Unternehmen sollten die Situation nutzen, die Community durch aktive Einbindung zu stärken.

Negative Fakten sollten nicht allzu lange im Vordergrund stehen, sondern der Community müssen positive Zukunftspläne, Chancen und Lösungsansätze vermittelt werden. So können im Beispiel Corona neue Wege über Digitale Events wie digitale Wein- und Bier-Tastings geschaffen werden.

 

Was können Unternehmen konkret tun, um für künftige Krisen gewappnet zu sein? Welche internen Massnahmen können Unternehmen punkto Kommunikation im Vorfeld treffen?

In Europa hat niemand mit so einem Risiko gerechnet. Dennoch hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die auf allgemeine Krisen vorbereitet haben, klar im Vorteil lagen. Jedes Unternehmen sollte grundsätzlich Krisenszenarien erstellen und hierzu klare Schritte in der Kommunikation definieren: Wer darf kommunizieren, wie wird kommuniziert und welche Freigabeprozesse werden benötigt?

Ich definiere für neue Kunden immer sogenannte Kommunikation- und Social-Media-Policies. Darin werden die Mitarbeitenden zum einen motiviert, selbst aktiv auf Social Media zu sein, zum anderen wird aber auch klar definiert, dass deren Aussagen von denen des Unternehmens klar zu trennen sind.

Wichtig ist auch, dass Informationen in Krisenzeiten nur vom offiziellen Unternehmensaccount kommen dürfen. Das ist wichtig, damit das Unternehmen sich klar und einheitlich positioniert. Die Freigabeprozesse in der Krisenkommunikation dauern oft sehr lange. Auch hier sollte so früh wie möglich an einem Konzept gearbeitet werden, das es ermöglicht, schneller reagieren zu können. Gerade auf Social Media zählen nicht Tage, sondern Minuten.  Darüber hinaus hilft es, allgemeine Statements vorzubereiten, die dann im spezifischen Fall nur minimal angepasst werden müssen.

Was ich für besonders sinnvoll und effektiv erachte ist, dass zu Beginn einer Krise, alle aufkommenden Fragen der Community gesammelt und so vorformulierte Text-Blöcke erstellt werden. Die Community Manager können damit dann schnell und relativ frei agieren.

 

Social Media kommt in Zeiten der Corona-Krisenkommunikation eine besondere Bedeutung zu. Warum eignen sich diese Kanäle besonders für Krisen-Kommunikation?

Social Media ist ein fester Bestandteil des täglichen Lebens vieler Menschen, somit ist es das Medium, auf dem Unternehmen am schnellsten ihre Community erreichen, ohne dass sie auf die Presse angewiesen sind. Dies birgt Vorteile wie auch Nachteile: Social Media ist ein schnelllebiges Medium, auf dem man auch auf negatives Feedback und Reaktionen vorbereitet sein sollte. Gleichzeitig bietet Social Media aber auch die Chance, gerade in Krisenzeiten Communities zu stärken. Mit spielerischen, kreativen und auch emotionalen Content Ideen kann man ein Statement setzen und die Bindung der Community an die eigene Marke stärken.

 

Welche Social-Media-Plattformen können Sie speziell für die Kommunikation in Zeiten der Krise empfehlen?

Hier gelten die gleichen Regeln wie in jeder Art der Kommunikation: Es sind die Kanäle relevant, auf denen ich die richtige Zielgruppe erreiche. In allumfassenden Krisen, wie im Fall Corona, ist jedes Medium, das das Unternehmen nutzt, relevant. Wenn ich als Unternehmen im B2B-Bereich tätig bin und täglich mit meiner Zielgruppe über LinkedIn kommuniziere, dann ist auch das mein Kanal, um in Krisenzeiten Meinungen, Ziele, Fakten und News zu kommunizieren. Wenn ich ein Fashion-Unternehmen bin und eher die junge Zielgruppe anspreche, dann kann Instagram oder auch TikTok der bessere Kanal sein. Natürlich muss auf jedem Medium unterschiedlich kommuniziert werden. Man sollte also nicht die gleiche Message von TikTok auch über LinkedIn spielen. (lacht)

 

Können Sie Content-Formate nennen, die sich speziell für die Krisenkommunikation eignen?

Grundsätzlich läuft Video auf allen Plattformen besser. Dennoch, wenn ich es als Unternehmen nicht schaffe, die Informationen in einem Video zu vermitteln, dann sollte ich ein anderes Format wählen. Vielleicht gelingt es meiner Kreativabteilung besser, ein Bild zu erstellen, das die Situation passender ausdrückt als ein Text unserer Presseabteilung. Jedes Format kann verwendet werden, die Umsetzung ist da viel entscheidender!

 

Aus einer Krise können sich auch Chancen ergeben. Wie gelang es Unternehmen bislang, diese positiv umzusetzen? Und wie kann gut umgesetzte Kommunikation Unternehmen in Krisenzeiten zur Stärkung dienen?

Viele Unternehmen haben jahrelang auf Digitalisierungsstrategien verzichtet oder diese immer in die Zukunft geschoben. Einige Unternehmen wie zum Beispiel die Steinbeis SMI Universität haben innerhalb von zwei Wochen ihr komplettes offline Programm digitalisiert und haben somit auch für das «New-Normal» Chancen, weitere Studenten aufzunehmen, die nicht immer vor Ort teilnehmen können. Andere Unternehmen haben sich einen neuen digitalen Geschäftszweig aufgebaut oder sich umorientiert und gezeigt, dass sie agil genug sind, um in Krisenzeiten schnell zu reagieren. Ein schönes Beispiel ist auch Harpers Bazaar. Das Magazin hat ein Heft komplett ohne Fotoshootings herausgebracht und die Shootings mit Illustrationen ersetzt. Durch dieses Statement wurde der Verkauf des Heftes enorm angekurbelt.

Wir lernen, dass es gut ist, sich nicht nur auf einen Geschäftszweig zu verlassen, sondern kontinuierlich mit der Zeit zu gehen und neue Chancen wahrzunehmen. Und das idealerweise, bevor die Krise einen dazu zwingt.

 

Welchen Unternehmen ist Ihrer Meinung nach der Social-Media-Auftritt in Zeiten der Pandemie besonders gelungen?

Meiner Meinung nach haben es drei Unternehmen besonders gut gemacht: Einerseits Coca-Cola, die direkt zu Beginn verstanden haben, dass es wichtig ist klare Statements zu setzen. Andererseits Jägermeister, die es geschafft haben, über ihren Instagram-Kanal Positivität zu streuen und aktiv zu unterstützen, die Community aber auch mit kleinen Tipps und Botschaften versorgt haben, um die Zeit zu Hause zu geniessen.  Dann ist da noch Iceland Tourismus, die auf die Frustration der Menschen eingehen und dieser mit charmantem Humor einen Ausweg bieten.

 

Wie kann ein Vorgehen für die Kommunikation im Falle einer Krise gestaltet sein?

Vor der Krise sollte grundsätzlich eine Social-Media-Guideline erstellt und mit Mitarbeitern geteilt werden. Zudem soll ein schneller Weg zur Freigabe von Antworten in Krisenzeiten definiert werden.

Zu Beginn der Krise muss man klare Statements definieren, die nicht fehlinterpretiert werden können, wie das Beispiel Coca-Cola zeigt. Diese Statements können gut an einer kleinen Gruppe getestet werden, um von den Reaktionen zu lernen, bevor sie veröffentlicht werden. Ausserdem sollte man alle Fragen beantworten. Wenn diese nicht beantwortet werden können, dann soll ein Zeitrahmen festlegt werden. Ein Antwortkatalog, den die Community Manager frei nutzen können, unterstützt ebenfalls. Wenn Gemeinsamkeiten gefunden werden können, sollten an diese appelliert werden, zum Beispiel durch eine passende Kampagne.

Während der Krise sollten Wege gefunden werden, die Krise zu lockern und zu erleichtern. Wenn möglich, kann man auch Humor einbauen. Gleichzeitig sollte nicht zu lange auf dem Thema rumgeritten, sondern lieber neue Wege und Ziele definiert werden.

Nach der Krise soll eine Auswertung vorgenommen werden: Was ist gut gelaufen, was nicht? Wo kann man sich in der Zukunft verbessern? Was lernen wir aus der Krise? Wenn ein Fehler passiert ist, diesen klar ansprechen und sich nicht rausreden.

 

Was können Unternehmen jetzt direkt umsetzen, um zukünftig auf Krisen vorbereitet zu sein?

Zum einen aus den Fehlern und guten Beispielen von anderen Unternehmen lernen. Zum anderen offen für Change-Management im Unternehmen sein, aktiv auf Wandel, Veränderungen und Krisen reagieren, Lösungsideen und neue Entwicklungen im Unternehmen integrieren. Wer aktuell noch keine Policy und Krisen Prozess hat, sollte spätestens jetzt einen aufstellen und für die Zukunft planen, wie das Unternehmen in Krisenzeiten reagieren soll.


Miriam Ernst ist Gründerin von Miriam Ernst Consulting, einer Marketing- & Kommunikations-Beratung mit Fokus auf Marketingstrategie, Digital Marketing, Social Media und PR.

Weitere Artikel zum Thema