Hybride Messe-Modelle belasten Klima weniger, sagt Studie

Seit Corona haben Messen einen schwereren Stand. Auch im Zuge der Klimakrise stellt sich die Frage, wie weit traditionelle Messekonzepte noch zeitgemäss sind. Visable und die Hochschule Macromedia Köln haben dazu eine Studie erstellt.

Messen sind für viele Anbieter und deren Kunden eine attraktive Plattform für den Wissensaustausch und den persönlichen Kontakt. Die Business-Events verschaffen eine Art Rundumblick, was in entsprechenden Branchen auf dem Markt ist und welche Neuigkeiten es gibt – im Hinblick auch auf Preis, Qualität und Innovation. Insbesondere auf Industriemessen werden oft erklärungsbedürftige und komplexe Produkte präsentiert. Die Aussteller haben die Möglichkeit, bei den Branchentreffs zu networken oder die Konkurrenz zu beobachten. Ein Messebesuch ist oftmals aber auch mit touristischen Aktivitäten verbunden – so profitieren die Messestandorte in wirtschaftlicher Hinsicht

Dabei sind Messen aber auch mit einem enormen Aufwand verbunden, vor allem für die Aussteller und insbesondere dann, wenn es sich um internationale Messen handelt. Der Transport der Produkte ist logistisch und rechtlich aufwändig und geht mit hohen Kosten einher, denen ein unklarer Ertrag gegenübersteht. Wofür bislang weniger Bewusstsein herrscht: Grossveranstaltungen wie internationale Messen haben einen enormen ökologischen Fussabdruck. Und auch regionale Messen verursachen immer wieder ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, Verkehrsprobleme und Staus.

Laut Studie sind Messen CO2-Schleudern

Die Studie «Messewirtschaft – Epochenwechsel oder ‚back to normal‘?» der Hochschule Macromedia Köln und von B2B-Plattformbetreiber Visable internationale Messen entlarve Messen als wahre CO2-Schleudern. Zwar würden viele Messebetreiber alles tun, um nachhaltig zu sein, etwa mit Solarpanels zur Energieversorgung, aber das Problem liege im hohen Reiseaufkommen, das sie mit sich bringen. Am Beispiel der prominenten Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin zeige sich, wie Studienautorin Prof. Dr. Mareike Müller sagt: «Der CO2-Abdruck der IFA ist enorm. Es ist, als würde Berlin für die Dauer der Messe um die Grösse Frankfurts anwachsen. So rechnet man offiziell nicht, aber es verdeutlicht das Problem», so . Gleichzeitig ist es ein Problem, für das kein Bewusstsein herrscht und offenbar wenig politischer Wille, etwas zu verändern: denn klare Regeln zur CO2-Bilanzierung für Messen würden fehlen.

Peter F. Schmid, CEO von Visable, sagt als Mitinitiator der Studie: «Das Veranstalten von Messen und der damit verbundene Reiseverkehr der internationalen Besucher verursachen riesige Mengen CO2. Aber niemand packt das Thema an. Das können wir uns nicht leisten, wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen.»

Digitale Messen bieten neue Möglichkeiten

Doch Messen könnten genauso gut digital abgewickelt werden und in virtuellen Räumen stattfinden. Geeignete digitale Präsentationen können Produkte und Produktdetails sogar noch genauer abbilden, inklusive 3D-Animationen oder per Augmented Reality sogar direkt massstabsgetreu in der Produktionshalle. Der Ausseller kann Fragen der Kunden mithilfe von Chatbots oder persönlich beantworten. Während der Corona-Lockdowns war die Umstellung auf digitale Vertriebslösungen vielfach auch notwendig. So ist während der Pandemie bei dem Unternehmen Visable, das die Plattformen Wlw (ehemals «Wer liefert Was») und Europages betreibt, die Zahl der gelisteten Unternehmen auf 3 Millionen angestiegen.

Haptik und persönlicher Kontakt fehlen

Rein virtuelle Messen ersetzen einstweilen aber nur einen kleinen Teil der Präsenzmessen. Und Besuchermagnete sind sie keine. Sie generieren nur einen Bruchteil des Zulaufs ihrer physischen Pendants. Eine Umfrage von Visable ergab, dass 69 Prozent der Befragten das professionelle Networking, das Kennenlernen neuer Kunden oder soziale Aspekte vermissen würden. Und schliesslich wollen die Kunden die Produkte, an denen sie so speziell interessiert sind, sehen, ausprobieren, erleben und testen. Da es sich bei Messekunden meistens um eine spezielle Klientel handelt, haben sie auch ein Interesse daran, sich untereinander zu treffen und kennenzulernen.

Bemängelt wird bei virtuellen Messen das Fehlen eines einheitlichen Modells, in dem Inhalte bereitgestellt werden können, ohne dass jedes Mal die Auseinandersetzung mit einem neuen System notwendig ist. Vielfach fehle der Wille bei den Messebetreibern selbst, nach neuen und einheitlichen Lösungen Ausschau zu halten – sowie bei der Politik, für einheitliche Rahmenbedingungen zu sorgen. Einstweilen scheinen virtuelle Messen noch zu wenig zugkräftig. Aber ein Wandel dürfte sich abzeichnen – zumal jüngst auch noch die stark gestiegenen Energie- und Treibstoffpreise hinzukommen.

Hybride Messen als Zukunftsmodell

Die aktuelle Macromedia-Studie sieht in virtuellen oder hybriden Messemodellen denn auch einen möglichen Weg Richtung Nachhaltigkeit. Visable-CEO Peter F. Schmid ist allerdings irritiert von der Zurückhaltung der Messeveranstalter, was den Übergang in ein digitales Zeitalter angeht: «Haben denn noch nicht genügend Branchen den digitalen Wandel verschlafen? Gerade Messen sind doch Orte, an denen Informationsvermittlung und Kommunikation im Mittelpunkt stehen – und beides ändert sich gerade massiv durch die Digitalisierung. Wer glaubt denn ernsthaft, dass das zutiefst analoge Messemodell aus dem Mittelalter sich da nicht anpassen müsste? Das ist ja auch eine enorme Chance für die Messebetreiber.»

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