Eine Marke ist nur so gut, wie ihre Geschichte

Andrej Isler ist Owner und Creative Director der Zürcher Live Communication Agentur «Brandsoul». Mit MK spricht er über neue Paradigmen im Marketing, das Erfolgsrezept von Google und die Notwendigkeit, Mitarbeitende ernst zu nehmen.VON DENISE WEISFLOGHerr Isler, Markenkultur ist im modernen Marketing das Schlagwort der Stunde. Weshalb eigentlich?Im klassischen Marketing gibt es viele Paradigmen wie Zielgruppe […]

VON DENISE WEISFLOGHerr Isler, Markenkultur ist im modernen Marketing das Schlagwort der Stunde. Weshalb eigentlich?Im klassischen Marketing gibt es viele Paradigmen wie Zielgruppe oder Positionierung, die nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen. In der Welt von Social Media sind andere Werte wie Empathie, Motivation und Community wichtig geworden. Unter Markenkultur versteht man die inneren Elemente eines Brands, die geprägt sind durch die Menschen, die Vision und die Kultur eines Unternehmens.Was heisst das genau?Früher hat man sich im Markt vor allem nach aussen konzentriert. Es ging darum, wie man sich positionierte, welche Konsumentenzielgruppen man ansprechen wollte. Das Branding und Corporate Branding waren immer in Hinblick auf das Marketing gesteuert. Dies hat sich nun verlagert. Man hat gemerkt, dass Marken auf verschiedenen Ebenen wirken und das Markenbild per se eine Funktion hat. Das Innenbild eines Brands ist das Schlüsselelement für erfolgreiches Marketing und gelungene Kommunikation. Wie macht man dieses Innenbild sichtbar?Durch Storytelling. Das ist das A und O. Eine Marke ist nur so gut, wie die Geschichte, die sie erzählt. Und die darf nicht irgendeine Geschichte sein, sondern muss auf den Werten des Brands basieren, auf der Mission, die er hat und der Vision, die er verfolgt. Wichtig ist, dass man die Wurzeln der Marke und die Kultur, die dahinter steht, miteinbezieht. Die Protagonisten der Geschichte sind immer die Menschen und nicht die Marke. Denn die ist umso besser, je stärker sie in die Unternehmenskultur integriert ist und gelebt wird. Visitenkarten oder Logos tun dies nicht, das sind nur Visualisierungen für ein breites Publikum.Das klingt nun sehr theoretisch.Kürzlich war ich bei einem CEO, der sich nicht erklären konnte, weshalb ganze Teams abgewandert waren. Er hatte alles auf die Kommunikation nach aussen gesetzt und sehr wenig in die Unternehmenskultur investiert. Als ich ihn nach dem «Why?», also der Vision des Unternehmens fragte, konnte er mir keine Antwort geben. Das ist der springende Punkt. Inwiefern?Um Mitarbeitende zu begeistern und zu halten, braucht es eine starke Unternehmensvision. Diese sollte aber nicht Ratio-gesteuert sein. Wenn jemand sagt, er wolle der grösste Player im Markt werden, ist das nur eine Zielsetzung. Wenn aber jemand erklärt, er wolle so und so vielen Menschen Zugang zu etwas verschaffen – dem Internet, Weiterbildungsmöglichkeiten oder Produkten, die einen Nutzen haben, dann ist das eine Vision, die das «Why?» eines Unternehmens erklärt. Eine Unternehmensvision ist immer mit Werten unterlegt, die man repräsentiert. Diese gilt es nach aussen zu tragen, denn nur so erreicht man, dass sich die Mitarbeitenden mit der Firma identifizieren und entsprechend performen. Das funktioniert nicht über finanzielle Anreize, sondern via Bindung zum Unternehmen.Welche Unternehmen setzen dies besonders gut um?Es gibt sehr viele Beispiele für gute Markenkultur. Besonders US-Firmen haben das Thema schon früh aufgegriffen. Das bekannteste Beispiel ist Google, das sich von einem zwar klar visionären, aber sehr verspielten Start-up zu einem globalen Player entwickelt hat. Obwohl dies eine enorme Kulturveränderung mit sich brachte, hat es Google geschafft, ihre Grund-DNS und ihre Vision, die sie von Anfang an hatten, beizubehalten. Und dies auf allen Ebenen. Sämtliche Arbeitsprozesse widerspiegeln die Vision, die Kultur und die Marke. Was macht Google besser als andere Firmen?Wir hatten während Jahren unser Atelier neben dem Schweizer Google-Sitz im Zürcher Hürlimann Areal. Die Menschen, die dort arbeiteten, waren schon von aussen ganz klar als «Googler» erkennbar. Das sind Dinge, die das Unternehmen stark macht. Google ist eine Community, die Werte repräsentiert, mit denen sich die Mitarbeitenden zu 100 Prozent identifizieren können. Dazu gehört die Auffassung, dass jeder das Recht auf freien Zugang zu Informationen im Web haben soll oder dass es für Entwicklungen freie Räume braucht. Das «Why?» des Unternehmens ist so attraktiv, dass es kontinuierlich neue Talente anzieht.Gibt es auch Schweizer Firmen mit einer solch starken Markenkultur?Da gibt es einige – nehmen wir Sigg. Dieses Traditionsunternehmen existiert seit über 100 Jahren, hat ein klares Produkt geschaffen und ständig weiterentwickelt. Wie das Unternehmen die Geschichte um diese Trinkflaschen aufbaut, dass Sponsoring und die Kommunikation darauf abstimmt, ist ein sehr gutes Beispiel für gelebte Markenkultur. Hier dreht sich alles um Bewegung. Das Vorwärtsgehen des Brands ist aus allen Blickwinkeln klar ersichtlich.Wie erreicht man so ein ganzheitliches Bild?Markenkultur ist alles, was kommuniziert wird. Das fängt beim Outfit der Mitarbeitenden an, geht über die Art und Weise, wie Firmenangehörige auf Menschen zugehen, bis hin zur Gestaltung der Räume – der realen und digitalen. In der erlebbaren Kommunikation sind alle sechs Sinne wichtig. Wie sieht etwas aus, wie klingt, riecht und schmeckt es und wie fühlt es sich an? Der sechste Sinn, die unbewusste Wahrnehmung, ist diejenige Komponente, die an Relevanz gewinnt. Durch sie wird die Marke transportiert.Was geben Sie CEOs auf den Weg, die ihre eigene Marke erlebbar machen möchten?Sie sollten ein Verständnis dafür bekommen, dass das, was sie investieren, nicht nur gegen aussen, sondern auch ins Innere wirken muss. Grundsätzlich muss man weg vom Monolog zum Dialog und die Menschen, die man führt, ernst nehmen. Der Geist des Unternehmens, der Company Spirit, muss auf die Mitarbeitenden so wirken, dass ein Zugehörigkeitsgefühl entsteht. Wenn eine Firma eine klare Vision mit starken Aussagen hat und die Kultur von innen nach aussen trägt, werden Mitarbeitende zu Markenbotschaftern. Dadurch erhöhen sich die Chancen, gute Leute zu bekommen und zu behalten.

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