Mit verhaltenspsychologischen Hinweisen Retouren reduzieren

Retouren-Sendungen im E-Commerce sind ein Problem – für die Händler*innen, die Umwelt und die Kund*innen. Dabei können schon kleine Anpassungen zu einer signifikanten Reduktion der Retouren führen, so eine Studie von Elaboratum. In seinem Gastbeitrag zeigt Philipp Spreer, dass es konkrete Entscheidungshilfen braucht, die auf Behavioral Design basieren.

e-commerce retouren behavioral patterns elaboratum studieKonsument*innen wollen zwar nachhaltiger leben und Retouren vermeiden. Im Moment der Entscheidung bei einem digitalen Kauf aber mangelt es an der konkreten Handlung. Für diesen «Intention-Action-Gap» gibt es Lösungen. Mit den richtigen Impulsen kann eine grosse Anzahl an Retouren vermieden werden.

Dabei stehen Unternehmen zwei grundsätzlich verschiedene Wege zur Verfügung: Restriktion oder Unterstützung. Restriktive Massnahmen sind etwa subtile Hindernisse im Retourenprozess oder der Ausschluss von Viel-Retournierenden. Sie machen den Einkauf für Kund*innen unattraktiver. Die meisten Händler*innen nutzen diesen Weg nicht. Das hat gute Gründe: Das Shopping-Frustbarometer 2021 von Elaboratum hat gezeigt, dass restriktive Massnahmen in 53 Prozent der Fälle zu einem Kaufabbruch führen würden.

Unterstützende Massnahmen zur Retouren-Vermeidung

Zu den unterstützenden Massnahmen gehören monetäre Incentivierungen, verbesserte Produktinformationen und verhaltensökonomische Interventionen, wie Transparenzhinweise, Aufklärung zu den Folgen von Retouren oder aber soziale Signale. Das Behavioral Design befasst sich mit den verhaltensökonomischen Interventionen, die helfen, Retouren zu vermeiden.

Angebotene Entscheidungshilfen sind wichtig

Das Fachgebiet der Behavioral Economics ist darauf ausgerichtet, das Kund*innenverhalten wirksam zu beeinflussen, ohne Kund*innen zu manipulieren. Der Fokus liegt vielmehr darin, sie in einem für sie vorteilhaften Verhalten zu unterstützen und auf monetäre Anreize oder restriktive Massnahmen zu verzichten.

Mittlerweile hat die Forschung mehr als 120 intuitive Verhaltensmuster identifiziert. Im Zuge von Behavioral Design werden wirksame Interventionen eingesetzt, um bestimmte dieser Verhaltensmuster auszulösen und das Verhalten in einer gesamtgesellschaftlich gewünschten Weise positiv zu beeinflussen – zum Beispiel bewussterer Konsum, der Kauf langlebigerer Produkte oder, eben, die Vermeidung von Retouren. Im Feldexperiment zeigte sich, dass bereits geringfügige Veränderungen in der Kommunikation zu signifikanten Veränderungen im Verhalten der Kund*innen führen können.

Besonders effektive Interventionen

Der Studie zufolge gibt es Interventionen beziehungsweise Behavior Patterns, die sich als besonders effektiv bei der Retourenvermeidung erwiesen haben.

  • Soziale Norm: Diese Intervention kommuniziert, dass viele andere Kund*innen sich bereits nachhaltig verhalten, indem sie Retouren vermeiden. So werden Besucher*innen motiviert, es den anderen gleichzutun.
  • Reziprozität: die Tendenz, sich für einen Gefallen bei seinem Gegenüber revanchieren zu wollen. Die Intervention kommuniziert daher den Gefallen beziehungsweise die Vorleistung des Online-Shops in Form von Produktinformationen und Grössenberatung, um im Gegenzug zu kooperativem Verhalten zu motivieren.
  • Loss Aversion: Die Verlustaversion beschreibt, dass Menschen Verluste höher gewichten als Gewinne. Die Darstellung eines realen Zeitverlusts von durchschnittlich 32 Minuten durch unüberlegtes Bestellen – so viel Zeit verlieren Kund*innen im Durchschnitt durch Retouren – dient dazu, Verlustaversion hervorzurufen.
  • Illusion of Control: Das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kontrolle führt zu einer positiven Einstellung und kann damit die Kooperationsbereitschaft von Besucher*innen begünstigen.

In der Studie wurden der Warenkorb, die Warenkorbbestätigung sowie die Bestellbestätigung als Kontaktpunkte für die Interventionen ausgewählt. Ein konkretes Beispiel: Um das Behavior Pattern soziale Norm auszuspielen, wird bei der Warenkorbbestätigung ein Hinweis gezeigt, der den Kaufenden konkrete Hinweise gibt und bei der Entscheidungsfindung und aktiven Vermeidung von Retouren einen Impuls setzt.

Die Interventionen haben drei Auswirkungen:

  1. Die Retourenquote kann signifikant gesenkt werden.
  2. Bewusstere Bestellungen führen häufig zu geringeren Conversion Rates.
  3. Umsatzrückgänge treten dennoch nicht ein, denn durch das bewusstere Bestellen behalten die Kund*innen mehr Artikel.

Retourenreduzierung und Umsatzwachstum schliessen sich also nicht aus –im Gegenteil.

Dynamisch und differenziert

Der Onlinehandel unterliegt einer hohen Dynamik. Daher sollten auch Interventionen dynamisch und differenziert eingesetzt werden. Manuell ist das nicht möglich. Hier helfen die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz. Algorithmen können aus den unterschiedlichsten Konstellationen von Einflussvariablen – zum Beispiel dem Klickverhalten der User*innen – lernen und die jeweils optimale Botschaft vorhersagen und ausspielen.

Aus dem Pool von Behavior Patterns wird mit Deep-Learning-Ansätzen die passende Intervention ausgewählt und an passenden Kontaktpunkten im Online-Shop ausgespielt. So können Händler*innen auf Veränderungen im Kund*innenverhalten in Echtzeit reagieren. Die Tools für diese bessere Analyse und technologie-gestützte automatisierte Auslieferung der passenden Interventionen gibt es bereits.

E-Commerce soll jetzt handeln

Verhaltenspsychologisch fundierte Interventionen können zu signifikanten Verhaltensänderungen führen. Hierin liegt auch eine klare Empfehlung an alle E-Commerce-Händler*innen: Die Hürden sind nicht eklatant hoch, der Bedarf auf der anderen Seite ist es. Die Zeit zu Handeln ist jetzt, die Mittel sind verfügbar. Jetzt braucht es nur den nötigen Mut zur Umsetzung.


* Philipp Spreer ist Senior Director bei Elaboratum Deutschland.

(Bild: Elaboratum)

Die E-Commerce-Beratung Elaboratum hat gemeinsam mit Behamics und der Universität St. Gallen eine Studie durchgeführt. Das Feldexperiment mit mehr als 100’000 Online-Shopper*innen hat gezeigt, dass jährlich in Deutschland mindestens 4 Prozent der Retouren eingespart werden könnten – das entspricht rund 16 Millionen Paketen.

Weitere Artikel zum Thema