Stadtlandkind: «Wir investieren relativ wenig Geld ins Marketing»

Wer heute gegen Amazon, Zalando und Co. ankommen will, muss kreativ sein. Stadtlandkind vertreibt nachhaltige Kindermode, Spielsachen und Wohnaccessoires. Der Erfolg des St.Galler Family Concept Stores basiert auf persönlichen Begegnungen, Mund-zu-Mund-Propaganda und der cleveren Nutzung von Social-Media-Kanälen. Roberta und Tobias Zingg, die Köpfe hinter Stadtlandkind, im Interview.

22_Stadtlandkind

Roberta und Tobias Zingg, Gründer von Stadtlandkind und Träger des E-Commerce-Awards als beste Newcomer.

 

MK: Seit 2013 vertreibt Stadtlandkind nachhaltige Kids’ Fashion, Spielzeug und Wohnaccessoires in die ganze Welt. Sie sind als Branchenfremde in den Online-Handel eingestiegen – weshalb?

Roberta Zingg: Wir beide kommen aus dem kaufmännischen Bereich, spielten aber schon länger mit dem Gedanken, etwas selbst auf die Beine zu stellen. Gemeinsam mit einem befreundeten Ehepaar entwickelten wir die Idee zu einem Online-Shop. Ich war gerade zum ersten Mal Mutter geworden und stellte fest, dass in der Schweiz professionelle Stores für nachhaltige, gut designte, biologische und qualitativ hochstehende Kinderkleidung fehlten. So entstand das Konzept für Stadtlandkind.

 

Mit welchen Anfangsschwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen?

Tobias Zingg: Glücklicherweise verfügten alle vier Gründer über Skills, die sich super ergänzten. Christof Müller war als Art Director tätig, seine Frau Corinne kommt aus dem Bereich Kundendienst, Roberta hatte sich bereits im Gebiet Fotografie teilselbstständig gemacht, und ich beriet E-Commerce-Unternehmen beim Markteintritt in die Schweiz. Dank der Hilfe von Freunden und Bekannten konnten wir den Shop mit einem relativ kleinen Budget aufbauen. Wir starteten bei null und machten alles selbst – heute gibt es für Online-Shops ja vorgefertigte Lösungen.

R. Zingg: Da Modekollektionen rund ein Jahr im Voraus eingekauft werden müssen, begannen wir schon Geld auszugeben, bevor wir überhaupt online waren. Zudem war es nicht ganz einfach, die Lieferanten von uns zu überzeugen, ohne etwas vorweisen zu können. Wir reisten quasi mit leeren Händen an die internationalen Messen und versuchten in persönlichen Gesprächen, die kleinen, exklusiven Brands, die wir auf Stadtlandkind anbieten wollten, für uns zu gewinnen.

 

Wie wichtig sind solche persönlichen Beziehungen in einer digitalen Welt?

R. Zingg: Für uns sind sie entscheidend. Gerade, wenn man im Online-Business tätig ist und viel per Mail kommuniziert, ist es gut, wenn man die Lieferanten zweimal im Jahr face-to-face sieht. Wir kennen jeden unserer Partner persönlich und telefonieren regelmässig. Wenn beispielsweise Artikel aufgrund von Qualitäts- oder Funktionsmängeln zurückgeschickt werden, kann man die Hersteller darauf hinweisen und das Problem beheben lassen.

stadtlandkind-website

Dieses Interview mit Roberta und Tobias Zingg zu Stadtlandkind stammt aus Ausgabe 10/2019 von MK Marketing&Kommunikation.

Viele Ihrer Lieferanten kommen aus Süd-, Ost- und Nordeuropa. Gibt es manchmal kulturelle Missverständnisse?

R. Zingg: Man merkt schon, dass in anderen Ländern auch die Geschäftskultur anders ist. So lieferte uns ein spanischer Schuhhersteller
mit wirklich tollen Produkten seine Sandalen immer erst im Herbst. Es dauerte eine Weile, ihm zu erklären, dass die Schweizer im Oktober keine Kindersandalen mehr bestellen. Schlussendlich nahmen wir den Brand aus dem Sortiment.

 

Nicht nur ihre Lieferanten sind international, die Konkurrenz ist es auch. Wie geht man damit um?

T. Zingg: Es gibt Schwergewichte wie Zalando, die dank deutschem Einkauf Brands, die wir auch haben, zu einem tieferen Preis anbieten
können. Wenn wir dies merken, suchen wir sofort das Gespräch mit unseren Lieferanten. Schliesslich zahlt es sich auch für die Hersteller
nicht aus, wenn ihre Waren unter Wert verkauft werden. Bis jetzt konnten wir immer erreichen, dass solche Preisunterschiede aufgehoben
wurden.

 

stadtlandkind

Stadtlandkind hat sehr viele internationale Kunden. Weshalb?

T. Zingg: Wir haben sehr viele Fans, die unsere Produkte auf Social Media posten. Besonders in Korea gibt es Familien, die immer wieder
bei uns bestellen und sich auch nicht von den hohen Versand- und Zollgebühren abhalten lassen. Zudem profitieren wir von einer guten
Mund-zu-Mund-Propaganda. Bisher haben wir relativ wenig Geld ins Marketing investiert, allerdings geht das Thema Social Media mittlerweile so tief, dass wir für diesen Bereich einen Spezialisten anstellen sollten.

 

Stadtlandkind wächst noch immer im zweistelligen Prozentbereich. Welche Pläne gibt es für die Zukunft?

R. Zingg: Als Nächstes möchten wir den Westschweizer Markt mit einer französischen Shop-Version erobern. Parallel dazu werden wir das Sortiment im Non-Fashion-Bereich erweitern. Zudem wollen wir noch mehr B2B-Produkte lancieren. Gestartet haben wir mit einer Geburtsbox, die Vorgesetzte Mitarbeitenden überreichen können, die gerade Eltern geworden sind – das ist super angekommen. Mittelfristig möchten wir zudem weitere Märkte im Ausland erobern.

 

Was raten Sie jemandem, der neu in den Online-Markt eintreten möchte?

T. Zingg: Ich würde klein anfangen und langsam und selbstfinanziert wachsen. So lernt man am meisten und muss sich nicht gleich von Beginn an mit komplexen Themen auseinandersetzen. Für Shops gibt es inzwischen fixfertige Software, sodass man nicht alles selbst konzipieren muss. Wenn jemand ins Ausland exportieren möchte, würde ich ihm empfehlen, das gesamte Warenlager nicht in der Schweiz, sondern im EU-Raum aufzubauen. Von da aus lässt sich auch der Schweizer Markt mittels Sammelverzollungen bearbeiten. Und natürlich ist eine gute Zusammensetzung des Teams wichtig.

Weitere Artikel zum Thema