Ricardo – das «e-Commerce Paradoxon Schweiz» überwinden

DIGITALISIERUNG In der zweiten Beitragsserie «Digital – from Talk to Walk» spricht Christoph Oggenfuss* mit Exponenten aus Wirtschaft und Forschung über die Umsetzung der digitalen Transformation. Der fünfte Gesprächspartner ist Christian Kunz, CEO Ricardo Group. Der CEO der Ricardo Group Dr. Christian Kunz.Ich treffe Christian Kunz in den hellen Büros des neuen Uptown Gebäudes am […]

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Der CEO der Ricardo Group Dr. Christian Kunz.Ich treffe Christian Kunz in den hellen Büros des neuen Uptown Gebäudes am Zuger Stadtrand. Dass ich es heute nicht mit dem CEO einer Bank zu tun habe zeigt sich schon am Outfit – aber es wird nicht bei dieser Äusserlichkeit bleiben.Lukratives Marktplatz-GeschäftAls Erstes frage ich Herr Kunz nach den wesentlichen Merkmalen des Geschäftsmodells der ricardo-Gruppe. «Im Kern unseres Geschäftsmodells stehen Marktplätze, wir sind damit im e-Commerce light unterwegs», so Kunz. Mit light meint er, dass Ricardo nur die Verbindung zwischen Käufer und Verkäufer herstellt und selbst keine Supply-Chain Elemente abdeckt.So unspektakulär das tönt, so spektakulär und attraktiv sind die Margen in diesem Geschäft. Marktplatz-Geschäftsmodelle seien weltweit die margenstärksten, was auch für Giganten wie Amazon gelte – dies obwohl wir Konsumenten bei Amazon v.a. das klassische e-Commerce Geschäft wahrnehmen. Das sogenannte «first-party retailer business» (direkter Vertrieb von eigenen Produkten) ist grundsätzlich ein margenschwaches Geschäft, was den Druck auf Firmen mit diesem Ansatz inskünftig weiter erhöhen wird.E-Commerce: Schweiz hinkt hinterherWir sprechen bei ricardo-Gruppe also von einem rein digitalen Geschäftsmodell, das wesentlich von den Elementen Marktplatz, Werbung, Data-Management und organischem Traffic (durch den etablierten Brand) getrieben wird. E-Commerce in der Schweiz ist für Kunz ein Paradoxon: Einerseits bietet die Schweiz gute Rahmenbedingungen für diesen Geschäftsansatz und dennoch hinken wir mit 5% Anteil am gesamten Geschäftsvolumen im europäischen Vergleich massiv hinterher.Als nächstes will ich vom CEO wissen wie sich für ihn die Führung eines digitalen Unternehmens von derjenigen eines klassischen Unternehmens unterscheidet. Nach kurzem Innehalten kommt Kunz zum Schluss, dass es bei den wesentlichen Disziplinen wie Strategie, Mitarbeiter-Rekrutierung und Partner-Management keine Unterschiede gibt. Wenn es aber um das Skill-Set des CEO’s einer Firma wie Ricardo geht, sieht Kunz sehr wohl stark unterschiedliche Anforderungen.Data-Management und Analytics gefragtAn Stelle von Supply-Chain Kenntnissen sind starke Fähigkeiten in den Bereichen Data-Management und Data-Analytics gefragt, zudem ist Erfahrung im Bereichen agiler Entwicklungsmethoden oder Website-Optimierung gefragt. Auf meine Frage in welchem Management-Lehrgang er diese Skills gelernt hätte, antwortet er nonverbal mit einem Fragezeichen in seinem Gesicht. Dieses Angebot fehlt heute in der Schweiz schlicht und einfach. Ganz ähnlich sieht das auch bei Fachkräften aus, die Digital Marketing und Data-Management Voraussetzungen mitbringen müssen. Darum rekrutiert Ricardo diese Leute teilweise auch im nahen Ausland.Digitalisierung als WachstumstreiberDann frage ich Christian Kunz ob er die Digitalisierung mehr als Wachstumstreiber oder als Möglichkeit zur Kosteneinsparung sieht. «In unserem Geschäft ist die wachsende Digitalisierung ganz klar ein Wachstumstreiber – wir haben vor Jahren in eine Plattform investiert die skaliert werden kann. Die Gefahr sehe ich darin, dass mit dem ressourcenschonenden Skalieren vergessen geht, dass auch in Erneuerung investiert werden muss», sagt Kunz.Ergänzend erwähnt er, dass die Antwort bei einem analog/digital-hybriden Geschäftsmodell anders lauten würde. Dort ist der Trade-off zwischen Wachstum, Kosteneinsparung und Investition in den analogen bzw. den digitalen Teil des Geschäftes deutlich komplexer.Damit bei Ricardo die Erneuerung nicht zu kurz kommt sind verschiedene Stossrichtungen etabliert: Das Beobachten von internationalen Playern wie Zalando oder Amazon, die gezielte Rekrutierung internationaler Talente, das Kunden-Monitoring (Voice oft he Customer) und das Erheben globaler Trends. Hier hilft natürlich Naspers, die internationale Muttergesellschaft von Ricardo – nur muss die Auswahl der wenigen, für Ricardo relevanten, Trends am Ende des Tages dennoch durch das eigene Management gemacht und verantwortet werden.«Nichts ist in Stein gemeisselt»Und kann ein rein digitales Geschäftsmodell wie Ricardo durch disruptive Innovation gefährdet werden? «Ja natürlich – in der digitalen Welt ist nichts in Stein gemeisselt» die klare Antwort des CEO’s.Kunz erläutert den Transformationsbedarf am Beispiel der Smartphone-Penetration und den damit zusammenhängenden Nutzergewohnheiten. Der Ricardo-Mobile-Traffic ist von 8% im Jahr 2011 auf heute über 50% hochgeschnellt. Dass damit Transformation angesagt ist versteht sich von selbst. Alle drei Minuten wird heute ein Artikel über ein mobiles Gerät erworben und der «Mobile-Share» wächst munter weiter. Zudem nutzen immer mehr gewerbliche Verkäufer ricardo.ch: Die Plattform ist damit auch ein wichtiger Distributionskanal für professionelle Händler geworden und ist längst nicht mehr ein reiner C2C-Kanal.Konsumenten als Nutzniesser der DigitalsierungUnd wer sind die primären Nutzniesser der Digitalisierung? «Die Konsumenten sind ganz klar die Nutzniesser dieser Entwicklung – die Digitalisierung macht das Leben im Alltag viel einfacher». Das ist auch daran zu erkennen, dass momentan die Mehrzahl der Anwendungen B-to-C-Cases sind.Ergänzend fügt Kunz an, dass das Angebot überwältigend ist – so umfassend, dass bereits schon Filter notwendig sind um den «Lärm» auszublenden. Gleichzeitig ist der CEO überzeugt, dass auf der Business-Seite die Margen auf Wenige aufgeteilt werden (The Winner takes it all). In der digitalen Welt kann ein Team im Silicon Valley oder irgendwo auf der Welt etwas Cleveres entwickeln und praktisch ohne Grenzkosten global ausrollen. Das gibt es in der analogen Welt nicht.«Einsteigen Bitte!»Am Schluss des Gespräches frage ich Christian Kunz was er noch anfügen möchte. «Das Paradoxon warum der e-Commerce Schweiz nicht abhebt, obwohl die Rahmenbedingungen gut sind, beschäftigt mich. Mit ricardo.ch als KMU-Partner und der neuen Plattform ricardoshops.ch für grössere Händler müssen Unternehmen nicht mehr zuerst in teure Webshops investieren, sondern sie können mit ihrem Angebot auf eine professionelle und robuste Plattform mit hoher Reichweite aufsteigen.»Nach diesem Gespräch bei Ricardo wird klar, dass der Digital-Zug für KMU’s bereits fährt und so heisst es «Einsteigen Bitte» bevor der «Last Call» ertönt!Im Rahmen der Digital-Serie in Marketing&Kommunikation von Christoph Oggenfuss (markITing ag) stand die erste Staffel unter dem Titel «Digital – nicht trivial». Die Beiträge gibt es hier.

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