Einige Zeitungen profitieren viel vom Internet, andere kaum

TOTAL AUDIENCE Dank Internet können Zeitungen ihre Reichweite erhöhen. Doch nicht alle Steigerungen sind signifikant! In den letzten zwei Jahren konnten die meisten Titel ihre Onlinenutzer stark ausbauen. Mit einer Ausnahme: Bei der NZZ ging sie um 15% zurück – unter anderem wegen der Paywall. Obwohl die meisten Schweizer Zeitungen ihre Webnutzer kontinuierlich ausbauen können, […]

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Obwohl die meisten Schweizer Zeitungen ihre Webnutzer kontinuierlich ausbauen können, sind die Reichweitengewinne nicht bei allen signifikant. Gemäss Mach Basic 2013-2 lesen schweizweit rund 2,217 Millionen Personen täglich die Pendlerzeitung 20 Minuten beziehungsweise ihre französisch- oder italienischsprachigen Ausgabe. Rechnet man auch noch die Nutzer der Websites 20minuten.ch, 20minutes.ch und 20minuti.ch überschneidungsfrei dazu, so wird die Medienmarke 20 Minuten täglich von insgesamt 2,633 Millionen Personen genutzt. 1,907 Millionen von ihnen lesen nur die Papierversion, 416 000 nutzen nur die Website und 310 000 greifen täglich auf beides zurück. Damit liegt die gesamte Tagesreichweite (Print + Online zusammen) um signifikante 18.8% über dem Reichweitenwert aus der Mach Basic.
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Diese Zahlen gehen aus der Studie Total Audience 1.3 hervor, mit der Wemf und Internetforschung NET Metrix die tägliche Gesamtnutzerschaft einiger Titel ausweisen. Ob dabei mittels PC, Tablet oder Smartphone auf die Online-Angebote zugegriffen wird und ob dies via Browser oder App geschieht, spielt keine Rolle: Alles ist in den Zahlen erfasst.Regionalzeitungen haben das NachsehenInteressant: 20 minuti, das jüngste Kind der 20-Minuten-Familie, profitiert von allen Tageszeitungen am meisten von seiner Onlinepräsenz, denn dadurch übersteigt die Gesamtnutzerschaft die Printreichweite um 44% oder 36’000 Personen. An zweiter Stelle folgt die Tribune de Genève, deren Gesamtnutzerschaft um 32% oder 40’000 Personen grösser ist als jene aus der Mach Basic.
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Der Tages-Anzeiger kann mit tagesanzeiger.ch seine Printreichweite um immerhin 28% oder 140’000 zusätzliche Personen steigern, während 24 Heures 21% mehr Nutzer (43’000 Personen) erreicht und 20 minutes 13% (73’000 User). Alle diese Reichweiten-Erhöhungen sind signifikant. Der Zuwachs von 15% bei Le Temps (17’000 Personen) sowie die bescheidene Steigerung des Corriere del Ticino (7% oder 9000 User) bleiben hingegen im Vertrauensbereich. Auch bei der Nordwestschweiz, dem St. Galler Tagblatt, der neuen Luzerner Zeitung bewirkt das Internet keinen signifikante Reichweiten-Gewinn.
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Mit den erwähnten Tageszeitungen nicht vergleichbar sind die Nutzerzahlen von Blick, NZZ und Le Matin, weil auf deren Portalen nicht nur die Onlinenutzer der jeweiligen Tageszeitung sondern auch jene von Wochen- und teils sogar von Monatstiteln zusammenlaufen. Klar ist aber, dass alle hier aufgeführten Gruppen ihre Reichweite dank Internet signifikant steigern können. Spitzenreiter sind die Gruppen von Blick und Le Matin: Ihre Gesamtnutzerschaft ist um je 21% grösser als die Printreichweite. Auf Platz 2 folgt das Newsnet mit einem Reichweiten-Zuwachs von 19%. Danach folgen 20 Minuten (+18,8%), das NZZ-Netz (+12%) und die NZZ-Gruppe (+10%).
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Le Temps: In drei Jahren 81% mehr WebnutzerDie Studie Total Audience wurde nun bereits zum dritten Mal publiziert. Trotzdem sind Vergleiche mit den Vorjahren nur teilweise möglich. Denn die Mach Basic 2013-2, auf der Total Audience 1.3 basiert, unterscheidet sich bekanntlich in der Methodik mehrfach von den früheren Erhebungen. Die aktuellen Printleserzahlen sind somit mit den früheren nicht vergleichbar. Das gilt aber nicht für die Online-Nutzerzahlen von Net Metrix, weshalb sich immerhin eine Entwicklung der Online-Reichweite (inklusive Doppelnutzer) ablesen lässt: Demnach wird 20 Minuten national heute von 726’000 Personen täglich online genutzt (Grafik A), das sind gut doppelt so viele wie noch 2011 (334’000 Personen). Bei den andern Tageszeitungen verlief der Zuwachs langsamer. Die grösste Steigerung verzeichnet Le Temps, die heute von 20’000 Personen online genutzt wird, 81% mehr als 2011. Und dies, obwohl der Titel im Januar 2011 als erste Schweizer Zeitung eine Paywall einführte. An zweiter Stelle steht der Corriere del Ticino, dessen Webnutzerschaft auf tiefem Niveau um 75% zugenommen hat. Unter allen Abozeitungen und in absoluten Zahlen hat aber der Tages-Anzeiger die grösste Online-«Gemeinde», sie zählt 191’000 Personen und ist seit 2011 um 36% gewachsen. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich diese nun nach dem 31. März 2014, dem Tag der Einführung der Bezahlschranke beim «Tagi», verhalten wird.
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Auch wenn die Printreichweiten mit den Vorjahren nicht vergleichbar sind – und damit auch die Gesamtreichweiten nicht – eines fällt in dennoch auf: Obwohl die Mach Basic 2013-2 den meisten Printtiteln tendenziell tiefere Reichweitenwerte ausweist als früher, ist die Gesamtreichweite der meisten Titel dennoch höher denn je – ausser bei der Basler Zeitung und Le Temps. Bei der BaZ ist dies insofern erklärbar, als der Einstieg von Christoph Blocher dem Blatt rund ein Viertel seiner Abonnenten gekostet hat. Dieser Riesenverlust konnte auch nicht über die wachsende Onlinenutzerschaft kompensiert werden.Le Matin-Gruppe legte um 47% zuBei den Mediengruppen sind die Gruppenwerte erst zum zweiten Mal ausgewiesen. Zudem ist das Newsnet neu anders zusammengesetzt: In der Total Audience 1.2 waren sowohl die Print- als auch die Onlinezahlen von Le Matin Dimanche enthalten, bei der Studie 1.3 nur noch die Onlinenutzer. Ein direkter Vergleich ist also nicht möglich.So viel aber lässt sich zu den Mediengruppen sagen: Als einzige Gruppe hat die NZZ-Gruppe innert eines Jahres 15% ihrer Webnutzer verloren! Der Negativtrend, der hinsichtlich der Gesamtnutzerschaft aber nicht signifikant ist, ist die Folge des neuen Portals, das Mitte 2012 gelauncht wurde und zunächst problemanfällig war, zudem führte die NZZ im Oktober 2012 eine Paywall ein. Das Resultat: Weniger tägliche Nutzer. Alle anderen Gruppen legten punkto Webnutzung zu: Bei Blick und Newsnet betrug der Zuwachs je 29%, le Matin steigerte sich gar um 47%. Für das NZZ-Netz existiert kein Vorjahreswert.Westschweizer mögen 20 minutes auf PapierBei der Nutzerstruktur zeigen sich zum Teil grosse Unterschiede. Besonders interessant: 20 Minuten wird je nach Sprachregion völlig verschieden genutzt: Die Tessiner Ausgabe hat mit 31% den grössten Anteil reiner Webnutzer. In der Westschweiz besteht dagegen die grösste Nachfrage nach der Printausgabe: Insgesamt 89% der 20-Minutes-Nutzer greifen nach wie vor zum Papier.Bei den andern Titeln und Mediengruppen sind die Nutzungs-Unterschiede noch grösser: Der Titel mit dem grössten Anteil reiner Printleser ist das St. Galler Tagblatt (92%). In der Westschweiz hat Le Temps den höchsten Anteil reiner Printleser (85%). Den kleinsten Anteil haben 20 minuti (60%), 20 Minuten und der Tages-Anzeiger (je 70%).Mix aus nicht ganz kongruenten StudienWie ihre Vorgängerstudien kombiniert die Total Audience 1.3 die Daten der Mach Basic 2013-2 (19’000 Interviews von April 2012 bis März 2013) mit jenen der NET Metrix Profile 2013-2 (Messdaten von April bis Juni 2013). Online- und Printdaten sind also punkto Zeitpunkt und Erhebungsdauer nicht deckungsgleich. Dennoch lässt sich so die Gesamtnutzerschaft der ausgewiesenen Medienmarken zumindest annährend modellieren.Autor: Markus Knöpfli

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