«Der Kunde hat an Macht gewonnen»

E-COMMERCE Dank der zunehmenden Digitalisierung geraten digitale Verkaufskanäle immer mehr in den Fokus. Thomas Lang, Geschäftsführer und Inhaber der Carpathia Consulting GmbH, spricht im Interview mit MK über Trends und Herausforderungen im E-Commerce-Bereich. Thomas Lang, Geschäftsführer und Inhalber der Carpathia Consulting GmbH.MK Der Online-Handel in der Schweiz boomt. Was sind die Gründe dafür? THOMAS LANG […]

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Thomas Lang, Geschäftsführer und Inhalber der Carpathia Consulting GmbH.MK Der Online-Handel in der Schweiz boomt. Was sind die Gründe dafür? THOMAS LANG Hauptgründe liegen im immer breiter werdenden Angebot wie auch in den Servicedienstleistungen rund um den Kauf- und Lieferprozess. E-Commerce hat zwischenzeitlich die grosse Masse erreicht und wir haben es nicht mehr nur mit Käufern zu tun, die periodisch, sondern regelmässig einkaufen. Zudem haben sich die Online-Shops weiterentwickelt und im Bereich der Usability und Produktpräsentation zugelegt, sodass ein Grossteil des Wachstums darauf beruht, dass sich auch Frauen mehr davon angesprochen fühlen. Früher waren die Shops oft viel zu technisch.MK Hat der stationäre Handel überhaupt noch eine Zukunft?LANG Ja, aber er muss sich in einer neuen Rolle wiederfinden. Er ist nicht mehr der Monopolist in Sachen Produktinformation, Sortimentsauswahl und Preisgestaltung, sondern ist nur noch ein Teil im Puzzle des Kaufvorbereitungs- und -transaktionsprozesses wie auch der Abwicklung. Der Kunde hat an Macht gewonnen und darf sich erstmals wirklich als König fühlen. Er hat heute Zugang zu mehr und detaillierteren Informationen als der Verkäufer am POS. Das stellt den Handel vor immense Herausforderungen. Es ist davon auszugehen, dass viel mehr Umsätze vom stationären ins Online-Geschäft abwandern werden. Aktuell sind wir bei 6% des Detailhandelsvolumens. 20 bis gar 30% sind im Bereich des Möglichen mit teilweise dramatischen Auswirkungen auf das stationäre Geschäft.MK Für welche Branchen bietet sich ein Online-Shop besonders an?LANG Ich würde die Frage umgekehrt formulieren: Für welche Branchen bietet es sich nicht an? Eigentlich gibt es keine Branche, die von Online nicht profitieren kann. Es gibt jedoch verschiedene Ausprägungen und online wird nicht in jeder Branche gleich eine initiale Transaktion stattfinden. Oft ist jedoch Online einer der wichtigsten Kanäle zur VorInformation, bevor der Kontakt mit dem Handel überhaupt erst erfolgt.MK Gerade im Online-Bereich haben die Schweizer Anbieter mit starker Konkurrenz aus dem Ausland, wie Amazon oder Zalando, zu kämpfen. Wie kann man gegen diese Anbieter bestehen?LANG Indem man sich auf seine wahren Werte konzentriert. Amazon und Zalando operieren mit einer brutalen Daten- und Logistikkompetenz gepaart mit erstklassigem Marketing. Sie bleiben jedoch anonym und bisweilen seelenlos. Das kann eine Chance für die Schweizer Anbieter sein, indem sie sich auf ihre Herkunft und Tradition konzentrieren und auf das «warum sie etwas tun». Auch ihre lokale Verbundenheit kann ein Wettbewerbsvorteil sein. Hier offenbaren die Schweizer Anbieter leider grosse Mankos. Man spürt das online nicht, was sie stationär leben. So haben sie keine Chance im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern.MK Wie sollte heute ein gelungener Online-Shop aussehen?LANG Als Kunde muss ich auf den ersten Blick sehen: Was bekomme ich hier, wer ist der Anbieter, warum soll ich da kaufen und was sind meine Vorteile? Das muss nicht unbedingt der günstigste Preis sein. Es können auch aussergewöhnliche Beratungskonzepte, beispiellose Serviceleistungen oder eine schnelle Verfügbarkeit überzeugen. Das muss aber klar rüberkommen. Der Kunde sollte nicht erst nach diesen USPs suchen müssen. Zudem spielt das Vertrauen in den Anbieter eine grosse Rolle, insbesondere bei kleinen und unbekannteren Shops. Nicht zu vergessen sind natürlich ansprechende Präsentation, gutes Design und perfekte Usability.MK Was sind die häufigsten Fehler bei der Gestaltung eines Online-Shops?LANG Der grösste Fehler ist das Denken in Funktionen. Man lässt sich von Technikern verleiten und baut zig Funktionen ein, die a) niemand braucht und b) vom Wesentlichen ablenken. Oder der Kunde wird zu komplett unnatürlichen Prozessen und Abläufen gezwungen, nur weil das die Software so vorsieht. Der Kunde geht da oft schlicht vergessen. Dabei wäre es optimaler, sich am Kunden, seinen Bedürfnissen, Wünschen, Ängsten etc. auszurichten.MK Am 7. Mai findet zum ersten Mal die Swiss E-Commerce Connect statt. Was ist die Idee dahinter? Und was sind die Highlights?LANG Die Idee ist eine Veranstaltung vom Handel für den Handel. Oft bestehen Konferenzen aus wahren PowerPoint-Infernos und sind versteckte Verkaufsveranstaltungen. Wir wollen mit der Connect den Handel verbinden und den Erfahrungsaustausch fördern. Neben zwei Keynotes werden wir mit Panels zu aktuellen Themen und Herausforderungen arbeiten. Dort können wir den Teilnehmern auf den Zahn fühlen, Fragen aus dem Publikum beantworten und auch mal kritisch nachhaken, was bei klassischen Referaten oft nicht möglich ist. Die Connect möchte connecten. Highlights sind die Panelteilnehmer selber, die fast ausnahmslos aus Geschäftsleitungsmitgliedern führender Online- Händler bestehen.MK Was für Trends sind in Zukunft im Bereich E-Commerce zu erwarten?LANG Die Innovationsgeschwindigkeit ist in verschiedenen Bereichen sehr hoch. So sehen wir im Logistikbereich verschiedene – oft auch branchenfremde – Akteure, die mit Innovationen aufwarten. So beginnt auch die Automobilindustrie mitzumischen mit Volvo, die jedes Fahrzeug zur Paketstation machen will. Oder es wird mit Dynamic Pricing experimentiert, bei dem jeder Kunde (theoretisch) einen anderen Preis hat, abhängig von der errechneten Wahrscheinlichkeit seiner Kaufkraft und seiner Nachfrage. Mobile wird noch viel stärker kommen; nicht nur als eigentlicher Transaktionskanal, sondern eng verbunden mit dem stationären Handel, um Online-Kompetenz an den POS zu bringen.

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