Was in der Online-Werbung falsch läuft

ONLINE-WERBUNG Im Rahmen des Jahresmeetings vom Schweizer Werbe-Auftraggeberverband (SWA) hielt Thomas Koch, Inhaber der grössten unabhängigen Mediaagentur tk-one1 in Deutschland, einen provokativen Vortrag über die Irrwege der Online-Werbung. MK präsentiert fünf Thesen aus dem Referat.

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1. Die Mehrheit der User findet Re-Targeting erschreckend

«Eine Studie aus dem Epizentrum des Online-Business förderte im letzten Jahr zu Tage, dass die Mehrheit der User es «creepy», also erschreckend findet, was wir mit ihren Daten anstellen. War es das, was Sie mit Ihrem Marketing-Geld erreichen wollten: Den Menschen Angst einzujagen? Tatsächlich liegt die Akzeptanz des Re-Targeting nach einer aktuellen Studie von Fittkau & Maaß bei unter 5 Prozent. In der modernen Online-Welt muss man sich ja schon mit sehr wenig zufrieden geben…»

2. Marketing- und Werbeprofis wollen uns zu Kaufrobotern machen

«Die Absicht der Marketing- und Werbe-Profis unter dem Deckmantel des geheimnisvollen Begriffs Big Data ist in Wirklichkeit, wie ich es formulierte, uns zu «Kaufrobotern» zu machen. Sie verpacken es gern in Samttücher und versprechen uns, nur noch die Werbung auszuliefern, die für uns «relevant» ist. Wie ich dieses Wort «relevant» inzwischen verabscheue. Sie erzählen uns, dass eine gar wundersame Welt der Werbung heran bricht, in der die Werbung uns nicht mehr stören muss, sondern wir sie förmlich einladen.Im gleichen Atemzug verdecken sie mit nervigen Pop Ups, Banderoles und Layer Ads, also mit genau der Werbung, die wir nicht gewünscht haben, den Content, den wir aufzurufen versuchten – und verstecken das kleine Kreuz, das uns von der Werbung erlösen könnte, so geschickt, dass wir diese Reklame inzwischen mehr verfluchen als je zuvor in ihrer einhundertfünfzigjährigen Geschichte.»

3. Verbraucher lehnt Online-Werbung ab

«Der Verbraucher weiß sich zu wehren. Die Zahl der installierten Adblocker ist im vergangenen Jahr um 30 Prozent gestiegen und verhindert bei manchen Websites bis zu 70 Prozent der ausgelieferten Werbung. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass ihr durch Adblocker Werbeeinnahmen in siebenstelliger Höhe entgehen.Die Klickraten sind in wenigen Jahren von durchschnittlich 8 Prozent auf aktuell 0,2 Prozent gesunken. Welches andere Medium als Online kann sich erlauben, einen 97 prozentigen Performance-Verlust wegzustecken und dennoch von weiter steigenden Einnahmen zu träumen?»

4. Real Time Bidding und Programmic Buying sind kontraproduktiv

«Aus einem faszinierenden, neuen Medium haben wir binnen kürzester Zeit ein „Gammel-Medium“ gemacht, das kaum mehr einen messbaren, substantiellen Wert besitzt.Die Antworten, die Vermarkter und Agenturen darauf finden – Real Time Bidding oder Programmatic Buying – sind darauf keine Antwort. Ebenso wenig die von den Agenturen angestrebte, vollständige Automatisierung des Planungs- und Einkaufs-Prozesses. Diese Antworten drohen das Problem höchstens zu vergrößern.»

5. Der Mobile-Hype ist ungerechtfertigt

«Ich kann auch, ehrlich gesagt, nicht ganz nachvollziehen, warum Mobile dermaßen gehyped wird. Es sieht mir eher danach aus, dass uns Mobile neue und noch mehr digitale Kopfschmerzen bereiten wird. Denn auf keinem der mobilen Endgeräte findet sich besonders viel Platz für Display-Werbung.Da wir hier auf dem persönlichsten Gerät werben, das unsere Zielgruppe nutzt – das nämlich alle ihre persönlichsten Geheimnisse enthält – ist sogar besonders viel Sensibilität gefragt.Die sehe ich nicht. Ich sehe stattdessen unlesbare 2-Punkt-Schrift und Wallpaper, die zur Hälfte aus dem sichtbaren Feld herauslaufen. Ich sehe auf meiner TV Spielfim-App Banner von Watchever, die sich komplett über das Programm von ARD und ZDF legen und damit die ganze Anwendung unbrauchbar machen. Abgestellt wurde der angebliche „Programmierfehler“ erst, nachdem ich mich vehement beim Vermarkter Tomorrow Focus beschwerte. Von Sensibilität keine Spur.»

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