Binge Watching ist Schnee von gestern

Binge Watching, das Ansehen von vielen Episoden einer TV-Serie am Stück, kommt allmählich aus der Mode. Selbst der Streaming-Riese Netflix, der sich in den vergangenen Jahren häufig als die Binge-Watching-Plattform schlechthin präsentiert hat, will heute nicht mehr mit dem Begriff in Verbindung stehen. Es gilt vielmehr als Zeichen von Qualität, wenn nur eine Episode pro Woche geschaut wird, zeigt eine Studie der Anglia Ruskin University.

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«Binge Watching ist ein eher negativ konnotierter Begriff. Er bedeutet, dass Inhalte im Übermaß konsumiert werden. Das hat bei den Jugendlichen eher einen Flair von Coolness, weil die Erwachsenen darüber die Nase rümpfen. Aber Streaming-Dienste wollen auch über ein jugendliches Publikum hinauswachsen und nicht nur als Fast-Food-Plattformen gelten», sagt Stefan Caduff, Geschäftsleiter der Medienpsychologie-Institution Sapia, auf Nachfrage des Nachrichtenportals Pressetext.

Studienautorin Mareike Jenner hat den Wandel der Reputation von Binge Watching anhand der Debatte um die Netflix-Serie «Tote Mädchen lügen nicht» untersucht, die sich mit dem Thema Suizid bei Jugendlichen auseinandersetzt. Der Forscherin zufolge musste die Serie viel Kritik für diese Darstellung einstecken, was auch eine Diskussion über ihr Format auslöste.

Netflix veröffentlichte jeweils alle 13 Episoden der bislang drei Staffeln am Stück. Das Binge Watching einer ohnehin schon kontroversen Serie wurde von vielen Kritikern als bedenklich wahrgenommen.

 

Begriff «Binge Watching» tabu

«Die Sorge über ein jugendliches Publikum weist historisch gesehen oft auf generelle Ängste vor den Auswirkungen von Medien auf ein ‹ungebildetes› Publikum», so Jenner. Die Wissenschaftlerin meint, dass im öffentlichen Diskurs Binge Watching immer mehr als «schlechtes» oder «schädliches» Fernsehen wahrgenommen wird.

Es gilt mittlerweile als Zeichen von Klasse, wieder Serien mit einem zeitlichen Abstand zwischen Episoden anzusehen. Der Streaming-Dienst Disney+ richtet sich bereits danach und veröffentlicht jede Woche nur eine Folge von Serien.

Auch bei Netflix zeigt sich diese Tendenz allmählich. Laut Jenner kommt der Begriff Binge Watching in Werbekampagnen der Plattform gar nicht mehr vor. Der bekannte Schauspieler Guy Pearce war im vergangenen Jahr in der Netflix-Serie «The Innocents» zu sehen und meinte in einem Interview, Netflix habe ihm untersagt, den Ausdruck Binge Watching bei Promotions zu verwenden. (pte)

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