Böse Burger

Das Editorial der Werbewoche-Chefredaktorin Anne-Friederike Heinrich aus der Ausgabe 19/2016 vom 18. November 2016.

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Burger sind böse, und das nicht nur mit Blick auf die heiligen Blutfettwerte. Und obwohl jeder von uns ab und zu so einen grusigen Fettklops braucht, für die Nerven oder einfach gegen den Hunger, schleichen die, die etwas auf sich halten, lieber ungesehen zu McDonald’s oder Burger King und senken vor der Kasse den Blick, um nicht von gleichermassen nach Nervennahrung gierenden Kollegen erkannt zu werden. Nichts schlimmer als zuzugeben, manchmal einfach einen Big Mac oder Crispy Chicken zu brauchen.

Nun ist das mit den Burger- und Fritten-Produzenten wirklich eigentümlich: Die Marken McDonald’s und auch Burger King sind ungemein stark, schon die Kleinsten erkennen an der Autobahn von Weitem das gelbe M im Himmel und wollen genau dorthin – obwohl Mami auf der langen Reise sogar noch extra in den nächsten Ort fahren würde, um ein kuscheliges Restaurantchen zu finden. Keine Chance. Kein Interesse. Ein Burger muss es sein!

Die Konzerne schrauben viel an ihrem Image, experimentieren mit Bio- und Regio-Food und engagieren sich sozial. Die Kids interessiert das eine nicht – Bio und so ’n Kram –, die Alten das andere nicht – der Versuch, aus der Junk-Food-Ecke rauszukommen.

Während der Nachwuchs ganz unverkrampft mit seinem Faible für Kindermenüs und die dazugehörigen Gadgets umgeht (wie er auch findet, es könne zum Znacht mal ein saftiges Täfelchen Schoggi geben), hat der Altvordere stets das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, wenn die Familie mal beim Mac speist: «Nur ausnahmsweise, gibts ja sonst nicht …» Und geht man allein zu McDonald’s, müssen die Gewissensbisse gleich noch mit einer Sprite und einem McFlurry runtergespült werden.

Worauf ich hinauswill: Jeder von uns will McDonald’s, aber keiner will es zugeben. Dazu passt, dass Burgerläden es immer schwerer haben, Lokale an guten Lagen zu mieten, selbst wenn sie versichern, sich der Architektur und dem Umfeld anzupassen, gar «Edel-Burger» zu verkaufen.

In Zürich wollte McDonald’s 2013 eine Filia- le im Eckhaus neben dem Schauspielhaus Pfauen eröffnen. Was folgte, war grosses Theater: Ein Fast-Food-Laden sei der falsche Nachbar für ein renommiertes, international angesehenes Theater, hiess es vonseiten des Schauspielhauses. Man glaube nicht, dass McDonald’s den Theaterbesuchern eine «gastronomische Heimat» bieten könne. In der Folge sammelte die Kultureinrichtung von Theaterbesuchern 6500 Unterschriften gegen McDonald’s. Der Fast-Food-Gigant zog sich schliesslich zurück. Wer häufiger nach vollbrachtem Tagwerk zeitknapp ins Theater eilt, befindet sich nun immer noch im Dilemma: Zu wenig Zeit für fettige Pizza, keine Lust auf Sandwich in Plastikfolie. Also knurrt der Magen, während Homo Faber sich selbst erkennt. Wäre ein Burger da nicht besser gewesen?

Übrigens muss McDonald’s Ende März auch noch aus der Filiale an der Zürcher Bahnhofstrasse beim Globus ausziehen. Der Eigentümer hat einen besseren Mieter gefunden: Tages-Anzeiger-Boutiquen. Schmeckt schon ein wenig nach Mobbing.

Auch im Land, in dem die Zitronen blühen, bekam McDonald’s jüngst kühlen Gegenwind: Das Unternehmen wollte eine Filiale am Florenzer Domplatz eröffnen. Dario Nardella, Bürgermeister von Florenz, sagte: «No!» Nun hat McDonald’s genug, der Burger-Riese fühlt sich diskriminiert: «Wir stimmen damit überein, dass kulturelles und künstlerisches Erbe sowie die italienischen historischen Stadtzentren geschützt werden müssen», erklärte McDonald’s in einer Mitteilung. «Aber wir können keine diskriminierenden Regularien akzeptieren, die die Freiheit privater Initiativen beschädigen.» Die Fast-Food-Kette fordert von Florenz nun 18 Millionen Euro Schadenersatz.

Nun wird spannend sein, zu beobachten, was die Streiterei mit der Marke macht. Ich habe das Gefühl, sie wird sie stärken – bei den Konsumenten. Mich jedenfalls stören Banken und ihre Embleme an zentralen Punkten wunderschöner Städte wie Florenz und Zürich viel mehr als diejenigen von Nahrungsmitteldienstleistern, die mich Homo Faber und Il Duomo ohne flauen Magen geniessen lassen. Knurrrrrr.

Anne-Friederike Heinrich, Chefredaktorin

f.heinrich@werbewoche.ch

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