Zur Sache: spät dran

Seit gefühlten zwanzig Jahren weiss man, dass neue Medien den klassischen Printmedien Schaden zufügen, indem sie entweder Leser, Werbung oder beides abzügeln.

Zuerst kamen die Gratiszeitungen. Das war nichts weniger als ein fundamentaler Angriff auf das langjährige Geschäftsmodell der Verlage: Das grosse Geld verdiente man mit den Anzeigen, der Rest kam von den Abonnenten. Diese zahlten brav einen im Verhältnis zum Ausland tiefen Obolus und blieben mehrheitlich bei der Stange.

Die Gratiszeitungen sorgten für Aufregung in der Branche. Alle lamentierten, viele sahen den kulturellen Untergang des Abendlandes kommen. Einige versuchten selber etwas auf die Beine zu stellen. Oder aber man entwickelte das Eigene nur als Drohkulisse: wenige Tage vor der Lancierung des hochgelobten Pendlerblattes Express kaufte Tamedia zusammen mit der Espace Media den Konkurrenten 20 Minuten. Ein genialer Schachzug: So blieben wenigstens die fetten Gewinne im Hause.

Das alte Geschäftsmodell der traditionellen Zeitung blieb bestehen – man hoffte auf eine bessere Konjunktur.

Bald einmal zeigte sich der neue Gegner. Das Internet. Eine grosse bunte Welt, in der beinahe alles kostenlos zu haben war. Der Einstieg der Verlage begann anfänglich etwas zögerlich, aber mit ganz wenigen Ausnahmen machten dann alle den gleichen riesengrossen Fehler. Im Internet verschenkten sie ihre Inhalte. Warum eigentlich, weiss kein Mensch. Aber man hatte ja noch die Werbung. Ob diese Erlöse das Ertragsproblem der Zeitungen lösen, darf vorderhand noch bezweifelt werden. Die Erlöse aus der Onlinewerbung tun es jedenfalls nur maximal bei den Top-3-Sites. Onlinewerbung ist halt zu billig, mosert man. Seit einiger Zeit versucht man nun, mittels wie auch immer gearteten Paywalls Gegensteuer zu geben, der Leser soll wie früher auch schon etwas zahlen: Das alte Geschäftsmodell wird reanimiert. Warten wir ab, ob es klappt.

Das nächste Schreckgespenst folgte bald. Das mobile Web. Scheinbar hat sich niemand vorstellen können, dass der mobile Zugriff auf Webseiten so extrem stark ansteigt. Und gleichzeitig aber die Erlöse aus der Werbung nochmals um den Faktor 10 kleiner werden.

Das alte Geschäftsmodell der traditionellen Zeitung funktioniert nicht mehr. Gibt es ein neues? Nein, aber man arbeitet daran.

Nachdem viele Zeitungen heute auf verschiedenen Kanälen (Print, Online, Mobile, Apps) auftreten, forderten Agenturen, Auftraggeber und auch etliche Verlage einen gemeinsamen Wert pro Titel. Den gab es bis heute nicht. Heute wird ein Ansatz zu einer solchen Studie am Medienforschungstag der WEMF präsentiert. Warum eigentlich erst heute?

Wieso sind wir immer so spät dran?

Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch
 

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