Zur Sache: Volltreffer

Die alte Tante an der Falkenstrasse ist immer wieder gut für eine Überraschung. Männiglich war überrascht, als Verwaltungsratspräsident Conrad Meyer vor einem halben Jahr verkündete, dass nach einem CEO gesucht würde. Eine Position, die es in der Vergangenheit des Hauses NZZ noch nie gegeben hatte.

Die alte Tante an der Falkenstrasse ist immer wieder gut für eine Überraschung. Männiglich war überrascht, als Verwaltungsratspräsident Conrad Meyer vor einem halben Jahr verkündete, dass nach einem CEO gesucht würde. Eine Position, die es in der Vergangenheit des Hauses NZZ noch nie gegeben hatte. Der Leidensdruck muss sehr gross gewesen sein, dass sich Meyer zu diesem Schritt entschloss. Rüttelte er doch an einer jahrzehntelangen Führungstradition. Möglich geworden war dieser schon längst fällige Schritt aber erst, als der NZZ-Übervater Hugo Bütler pensioniert wurde. Mit Daniel Hofer, dem Verlagsdirektor, und Markus Spillmann als Chefredaktor verpflichtete man eine neue, junge Führungsriege. Diese stand und steht immer noch vor der gewaltigen Aufgabe, die Neue Zürcher Zeitung in die Neuzeit zu führen, verkrus¬tete Strukturen aufzulösen, Gutes zu erhalten und weniger Gutes zu ändern.
Aber es gibt ja nicht nur die NZZ, es gibt auch die NZZ-Gruppe. Dazu gehören neben der Neuen Zürcher Zeitung die Freie Presse Holding mit ihren massgeblichen Beteiligungen an den Medienhäusern St. Galler Tagblatt, LZ Medien sowie den Zürcher Landzeitungen. Diese haben in ihren jeweiligen regionalen Märk¬ten eine starke Position.Sie tragen auch massgeblich zum finanziellen Erfolg der NZZ-Gruppe bei.
Die starke Stellung der Töchter bringt es mit sich, dass der Einfluss der NZZ auf diese Titel relativ gering war. Eine gemeinsame Strategie war nicht zu erkennen, man führte an der langen Leine. Dass diese Laissez-faire-Haltung auf Dauer kein Erfolgsmodell sein kann, war allen Branchenkennern klar. Die Herausforderungen durch aggressive Mitbewerber, sei es im Print oder im Online, steigen ständig. Ein Strategiewechsel ist überfällig. Dafür braucht es aber jemanden, der die ganze Gruppe operativ führen kann. Einen CEO eben.
Lange wurde gerätselt, wer diesen verantwortungsvollen Posten übernehmen würde. Namen wurden herumgeboten, die Gerüchteküche brodelte. Die Wahl von Albert P. Stäheli scheint mir eine ausgezeichnete zu sein. Am Montagabend traf ich zufälligerweise Maili Wolf, die einstige Tamedia- und langjährige Ringier-Verlagsleiterin. Sie meinte spontan: «Einer der besten Entscheidungen, die Conrad Meyer für die NZZ getroffen hat. Polo Stäheli, ein Mann mit Biss und der entsprechenden Erfahrung. Einen solchen Querdenker kann die NZZ gut gebrauchen.»
Polo Stäheli steht nun vor der grossen Aufgabe, die NZZ-Gruppe mit einer stringenten Strategie in die Zukunft zu führen. Es wird nicht leicht sein, aber Stäheli hat in seinen langen Jahren in Bern bewiesen, wie er einen verschlafenen Laden auf Vordermann bringen kann.
Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch

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