Zur Sache: Umbruch und Aufbruch

Das Motto des diesjährigen Schweizer Medienkon­ gresses lädt zu Wortspielen ein. So hörte ich einige Male «Umbruch, Aufbruch, Abbruch». Tönt ja viel­ leicht ganz lustig, aber wirklich lustig ist es nicht. Das sage ich, der ich doch immer noch so gerne zu einem ironischen oder gar zynischen Spruch bereit bin. Schliesslich geht es um die Branche, in der wir ar­ beiten. Seit mindestens zehn Jahren weiss man, dass das Geschäftsmodell der Tageszeitung nicht mehr so funktioniert wie früher. Strategien? Keine.

Zuerst kamen die Gratiszeitungen, diese wurden reihum belächelt («Kurzfutter, Info­-Häppchen»), dann – als sie anfingen, den etablierten Zeitungen nicht nur die Leser, sondern auch die Anzeigen strei­tig zu machen – mit Argwohn betrachtet. Gegen­-Strategien? Keine. Man war ja besser! 20 Minuten wurde dann von Tamedia gekauft, die übrigen Gratis­-Titel gingen ein. Für Tamedia ging die Sache gut aus, den anderen Verlagen blieb die Gratis­-Konkurrenz.

Dann der Sündenfall mit dem Internet. Praktisch alle Verlage stellten die News ihrer Tageszeitungen gra­tis ins Netz. «Netzkultur», «das muss so sein», hiess es. Die Überlegung war so einfach wie falsch: Wenn mög­lichst viele Nutzer die Gratis­-News im Netz anklicken, dann wird auch die Werbung kommen. Theoretisch stimmt das. Aber nur, wenn man die Nummer 1 oder 2 ist. Und es kompensiert niemals den Rückgang im Print. Ab Rang 3 passiert dann in Franken herzlich wenig.

Der Siegeszug der Tablets führte zum App­-Hype. So könnte man zusätzliche Inhalte verkaufen. Und natürlich auch Werbung. Meinte man.

Neuer Hype: Paywall. Unzählige Varianten (mete­red, freemium, social) werden an­ und ausgedacht. Den Erfolg – wenn sie überhaupt schon eingeführt und nicht zum x-­ten mal verschoben wird – bezeich­net man schönsprecherisch als «ermutigend», was soviel wie «bringt nicht wirklich was» heisst.

Aktuell ist der Mobile-­Hype. Immer mehr Leute greifen mittels Smartphone auf die Websites zu. Das mit der Werbung kommt dann schon. Hofft man.

Auffallend ist, dass seit mindestens zehn Jahren die meisten Strategien der Medienhäuser reine Reak­tionsstrategien waren. Jemand – meistens ein bran­chenfremder – machte was und dann reagierte man. Wirklich bahnbrechende strategische Überlegungen gab es selten. Man sparte am Produkt und hoffte auf bessere Zeiten. Oder man diversifizierte in andere, branchenfremde Bereiche.

Es braucht einen Umbruch. Und zwar rasch. Nur dann kann der Aufbruch gelingen. Dazu ist es aber nötig, eingefahrene tradierte Denkweisen über Bord zu werfen. Rasch und gründlich.
Andere Branchen, die in einer ähnlichen Krise steckten, haben es vorgemacht. Es geht nur so. Sonst droht der Abbruch.

Pierre C. Meier, Chefredaktor pc.meier@werbewoche.ch

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