Zur Sache: Selbstversuch

Letztes Jahr habe ich geschrieben «Nach drei Wochen Ferien, davon zwei Wochen im Ausland mit nur sporadischem Konsum von Schweizer Medien». Ganz bewusst habe ich mich immer schon während meines Urlaubs auf den Konsum der jeweiligen Landesmedien konzentriert. Da hatte ich nach meiner Rückkehr naturgemäss immer ein Informationsdefizit, was Schweizer Medien- und Journalismusthemen betraf.

Dieses Jahr war das anders. Facebook und Twitter haben dafür gesorgt, dass ich auch in Südfrankreich bestens über die mich interessierenden Schweizer Medien-Themen informiert war. Und gewissermassen als Nebeneffekt bekam ich auch andere sich auf die Schweiz beziehende Themen mit. Ich musste nur den Links meiner Facebook-Freunde folgen oder die Tweets derjenigen Personen lesen, denen ich auf Twitter folge. Direkt aufgerufen habe ich während dreier Wochen keine einzige Seite einer Schweizer Zeitung.

Wer jetzt aber meint, dass nun auch ich in den Totengesang der gedruckten Presse einstimmen würde, der hat sich getäuscht. Ich habe genauso wie in früheren Jahren morgens im Café du Marché zu meinem «Grand crème avec croissant» Zeitungen auf Papier gelesen. Einmal natürlich den Nice-Matin, der über alle News zwischen Nizza und Marseille berichtet, jedes Kaff und jede lokale Festivität abhandelt, aber auch lokale politische Themen bringt. Ein interessantes Konzept: Inklusive Korsika hat er sieben unterschiedliche Regionalausgaben, notabene voll mit Rubrikanzeigen. Dazu kam dann abwechslungsweise Figaro und Le Monde.

Wo liegt denn nun der Unterschied im Medienkonsum? Das Folgen der Twitter- und Facebook- Links war reine Informationsaufnahme über Themen, die mich interessieren. Kurz oder weniger kurz (je nach Verlinkung), gezielt und wichtig insofern, da sie von Leuten kamen, von denen ich die Interessen kenne und deshalb weiss, welche Art von Informationen sie gerne teilen. Ein rationaler und zeitsparender Medienkonsum.

Ganz anders das Lesen der gedruckten Presse. Im Nice-Matin war es der Millionenraub von Diamanten im Luxushotel oder der Waldbrand in der Nähe, es waren lokale Informationen. Im Figaro war es vielleicht ein kritischer Artikel über den Staatspräsidenten, ein Bericht über den Nahen Osten oder in Le Monde die Rezension eines neuen Buches. Das war ein anderer Medienkonsum. Überraschend, spannend, emotional. Dafür nahm ich mir die Zeit und genoss diese auch.

Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch
 

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