Zur Sache: Medienkritik findet statt

Es geht wieder mal um Medienkritik. Langsam, aber sicher kann ich das Gejammer über die schwindende Bedeutung der Medienkritik nicht mehr hören.

Okay, es gibt immer weniger regelmässige Medienkritik-Seiten oder -Gefässe in der gedruckten Tages- oder Wochenpresse. Dem ist leider so. Wenn heute medienkritische Artikel in der gedruckten Presse erscheinen, sind es leider immer öfters Geschichten, bei denen man sich nie sicher ist, ob sie nur ins Blatt gerückt wurden, um der lieben Konkurrenz ans Bein zu pinkeln, die politisch anders denkenden Journalisten-Kollegen zu verunglimpfen oder aber einfach ins Geheul der Wölfe einzustimmen. Oder aber einfach, weil man ein Extra-Blatt mit Aussagen füllen will, die nicht besser und nicht wahrer werden, wenn man sie gebetsmühlenhaft wiederholt.

Das alles heisst aber nicht, dass es weniger echte Medienkritik gibt. Auf Medienseiten im Internet, in Medienblogs, auf Twitter und sogar in dem von den üblichen Kulturpessimisten so verhassten Facebook gibt es heute wahrscheinlich mehr medienkritische Beiträge als je zuvor. Und das nicht nur aus der Schweiz, sondern auch aus dem Ausland.

Diese weisen aber zur gedruckten Version einen entscheidenden Unterschied auf. Im Gegensatz zu den medienkritischen Printartikeln, auf die nur äusserst selten eine Reaktion erfolgt, sind die Online- Medienkritiken immer Ausgangspunkt einer Diskussion – Medienkritik 2.0 eben.

Ich höre nun schon das Gemurmel der Online- Kritiker und Printfetischisten, die auf die oft unterirdische Qualität der Blogkommentare hinweisen. Natürlich ist ein Teil der Reaktionen jenseits jeglichen ernst zu nehmenden Inhalts. Aber liebe Leute, auch Leserbriefe sind nicht immer von hoher Qualität. Aber man kann sie wenigstens wegschmeissen. Daneben gibt es aber immer wieder hervorragende Kommentare oder Denkanstösse, die die Diskussion auch weiterbringen. Man muss sich halt die Leute aussuchen, denen man auf Twitter folgt oder die auf Facebook zu seinen Freunden zählen. Ganz so wie im wirklichen, realen Leben auch: Ich suche mir ja auch nicht den grössten Deppen als abendlichen Gesprächspartner aus, nur um nachher indigniert feststellen zu können, dass eine Diskussion mit diesem mir gar nichts gebracht hat. Was mich erstaunt, ist, dass man in der gedruckten Presse praktisch nichts über diese Diskussionen aus der Onlinewelt liest. Da nehme ich mich selbst auch nicht aus. Ich werde in Zukunft vermehrt auf solche Beiträge hinweisen oder sie kommentieren und zur Diskussion stellen. Und zwar online und im Print.

Pierre C. Meier, Chefredaktor pc.meier@werbewoche.ch
 

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