Zur Sache: Bestiarium

Über Qualität in den Medien lässt sich an Branchentreffs und Diskussionspodien stundenlang debattieren. In welche Richtung das Gespräch geht, hängt stark von den Leuten ab, die die Debatte gerade führen.

Versuchen wir deshalb mal Ordnung in den Speakers Corner zu bringen. Grob unterteilen lässt er sich zuerst mal in Medienschaffende und Medienkonsumenten – wobei man bedenken muss, dass Medienschaffende auch immer Medienkonsumenten sind. Umgekehrt ist dem nicht so, mit Ausnahme der Gruppe von Leserbriefschreibern, Onlineleserkommentatoren und Leserreportern. Die treten zum Glück an Branchentreffs und Diskussionspodien nicht auf.

Konzentrieren wir uns also auf den Bereich der eigentlichen Medienschaffenden und beginnen ganz oben mit den Verlegern. Kein Verleger wird sagen, dass ihm die Qualität seiner Medien schnuppe ist. Er glaubt fest daran, dass die Qualität wichtig ist. Aber diese Qualität genau zu definieren schafft er oft nicht. Nichtsdestotrotz kann er diese vorzüglich an Branchentreffs und Diskussionspodien verteidigen. An zweiter Stelle folgen die CEOs – wobei man hier zwischen ehemaligen Journalisten und reinen Zahlenpickern unterscheiden muss. Die ehemaligen Journis unter den CEOs können das Schamgefühl, das sie ab und zu befällt, wenn sie der Realität ins Auge sehen, nicht immer ganz unterdrücken, die Zahlenpicker hingegen kennen kein solches: Gut ist, was billig ist und sich erst noch verkauft. Trotz nicht ganz deckungsgleicher Argumente können beide ihre Positionen an Branchentreffs und Diskussionspodien eloquent verteidigen.

Jetzt folgt das Heer der Chefredaktoren. Da tut sich eine breite Palette der Meinungen auf. Von rosarotem Zweckoptimismus bis hin zum schwärzesten Kulturpessimismus findet sich alles. Einig werden sie sich nie, doch ihr Auftreten an Branchentreffs und Diskussionspodien ist meistens amüsant. Oder aber sie kommen erst gar nicht wegen Zahnschmerzen.

Die nächste Gruppe ist die der ehemaligen Chefredaktoren. Diese sind zwar einige Zeit noch auf den Branchentreffs zu finden, aber selten mehr auf den Diskussionspodien. Das ist auch gut so, denn sie betreiben mediales Altersturnen: Artikel in Medienblogs, Kommentare auf Artikel in Medienblogs oder Gastbeiträge bei befreundeten Redaktionen. Leitthema: Früher war alles besser und überhaupt …

Kommen wir zur kleinen Gruppe der sogenannt professionellen Medienkritiker. Die sind zwar oft auf den Branchentreffs zu finden, aber nie auf den Diskussionspodien. Das führt dazu, dass sie ihren Unmut via Pausengespräche, Twitter, Facebook und Blogs kundtun müssen. Auch die universitären Medienforscher erhalten in dieser Gruppe Asyl. Ausserhalb will sowieso niemand auf sie hören.

Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch
 

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