Zur Sache: Tunnelblick

Ein neues, gravierendes Problem bewegt die Schweiz. Unsere geliebten Spielzeuge Smartphones, Laptops, Navigationssysteme, aber auch Digitalkameras verraten uns. Sie messen beinahe auf den Meter genau, wo wir uns gerade aufhalten.

Und noch schlimmer, sie melden das auch noch irgendwohin. Das kann in gewissen Fällen zwar lebensrettend sein, aber das interessiert nur am Rande. Viel gravierender scheint die Gefahr zu sein, dass unsere Positionsdaten in die falschen Hände geraten. Vielleicht sogar an kommerzielle Unternehmen, die damit was anfangen könnten. Im schlimmsten Fall sind das auch noch Firmen, die ihren Sitz im Ausland haben. Davor warnt die Studie «Geographische Wegmarken in der Cyberwelt» des Zentrums für Technologiefolgen- Abschätzung (TA-Swiss), die dieser Tage präsentiert wurde.

Der eidgenössische Datenschützer Hanspeter Thür unterstützt die Befürchtungen von TASwiss und konstatiert selbstverständlich einen dringender werdenden Handlungsbedarf. Wie immer erschallt der Ruf nach griffigen Massnahmen der Politik. Die soll es richten. Ein entsprechender Vorstoss im Nationalrat ist auch schon da. Die Sache beginnt sich zu drehen. Neue Verordnungen und Gesetze braucht das Land. Jawohl! Die 360-Grad-rundum-Vollkasko-Präventions- Mentalitäts-Maschinerie schlägt wieder einmal zu. Der Bürger muss beschützt werden. Staatlich verordnete Sicherheit versus Selbstverantwortung. Der allmächtige, gütige Staat soll es doch bitte richten. Verstehen Sie mich nicht falsch, liebe Leserinnen und Leser. Ich bin nicht gegen Datenschutz. Dieser ist wichtig. Ich bin nur gegen diese Tunnelblick-Haltung unter dem Motto Kommerz ist Pfui. Mindestens ebenso wichtig ist es, skeptisch zu sein gegenüber einem sich in immer mehr Bereiche einmischenden, bevormundenden Staat. Vor einer staatlichen Überwachung graut mir viel mehr, als davor, dass ich in der Nähe eines McDonald’s eine Werbemessage auf mein iPhone kriege. Ich warte ja nur darauf, dass irgendein Präventionsspezialist auf die Idee kommt, man könnte Positionierungsdaten zur Verkehrsüberwachung respektive -kontrolle einsetzen. Aber davon ist in der ganzen Diskussion nur wenig zu hören. Warum auch, der Staat ist ja gütig. Gut getimt, der neue Hit von Google: die Indoor- Navigation. Sie soll nun auch in der Schweiz kommen. Android-Nutzer können sich unter anderem den Weg in Einkaufszentren weisen lassen. Was sich da für Möglichkeiten auftun!

Auf die Reaktionen unserer Bürgerschützer bin ich schon jetzt gespannt.

Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch

 

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