Zur Sache: Absurdistan

Die beste Analyse der Causa Hildebrand erfolgte meines Erachtens durch Peer Teuwsen in der Zeit. Leider vergass er die Rolle der Medien zu hinterfragen. Die war genau so pitoyabel wie die der Wirtschaft.

Dadurch, dass die ganze Sache von der rechten Schmuddelecke aus angestossen wurde, griff zuerst einmal der Anti-Blocher-Reflex. Verständlich, aber leider auch unprofessionell. Anstatt, dass man versuchte, durch eigene Recherchen der Wahrheit näherzukom¬men, nahm man den angeschossenen Hildebrand zuerst einmal in Schutz und überliess so das Feld den selbst ernannten Moralhütern der SVP. Kritischer Journalismus sollte immer neutral bleiben, auch wenn die Sympathien beim Verdächtigten liegen.

Es war ja anzunehmen, dass der Anti-Blocher-Reflex noch weitere mediale Peinlichkeiten verursachen würde. Am letzten Sonntag war es dann so weit. Die Präsidenten aller grossen Parteien ausser der SVP forderten in der SonntagsZeitung von der Weltwoche, ihre Eigentumsverhältnisse offenzulegen. In der Affäre Hildebrand habe die Weltwoche offensichtlich «eine von der SVP beeinflusste Kampagne gefahren», die sich auch gegen die staatlichen Institutionen richte. Deshalb müsse jetzt geklärt werden, wer hinter der Weltwoche stehe und welche Rolle Christoph Blocher dort allenfalls spiele. Aber es kommt noch besser: GLP-Chef Bäumle meint, «alle Medien müssen darlegen, wer bei ihnen Einfluss ausübt». Die Öffentlichkeit müsse wissen, wer die grossen Aktionäre, Finanzgeber und Spender, aber auch die grossen Inserenten sind. «In letzter Konsequenz brauchen wir neue medienrechtliche Bestimmungen, die Transparenz bei Verlagen herstellen», sagt SP-Mann Christian Levrat. Eine «Lex Weltwoche» soll es richten.

Ging da etwa ein Aufschrei durch die Medien? Mitnichten. Nur ganz vereinzelte Stimmen haben sich gegen eine solche «Lex Weltwoche» gewandt. Eine Ungeheuerlichkeit, denn immerhin haben praktisch alle Parteipräsidenten nichts weniger als ein neues Gesetz gefordert, das die Medien kontrollieren und gängeln soll. Gleichzeitig haben sie alle ihre Mit¬glieder zu tumben Medienkonsumenten degradiert, die nicht selbst beurteilen können, welche parteipo-litischen oder wirtschaftlichen Interessen ein Artikel oder ein Medium verfolgt.

Pro memoria: Nach dem zweiten Weltkrieg mussten die Verleger bei den Besatzungsmächten in Deutschland eine Lizenz beantragen, um eine Zeitung zu machen. Da diese jederzeit entzogen werden konnte, ergaben sich Möglichkeiten der Disziplinierung und Kontrolle der Lizenzzeitungen. Vielleicht gibt es ja in Zukunft auch in der Schweiz ein ähnliches Verfahren. Irgendwo gibt es sicher noch Platz für ein entsprechendes Bundesamt der Medienwächter. Willkommen in der Vergangenheit!

Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch
 

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