Zur Sache: Boulevard-Trottel

Die Geschichte ist nicht mehr taufrisch, aber auch nach zehn Tagen sorgt sie immer noch für unzählige Stellungnahmen, gehässige Blog-Beitrage, grenzwertig bis debile Pro- und Kontra-Kommentare zu diesen Beiträgen und Schnapp-Atmung bei den Sich-sowieso-immer-über-den-Boulevard-Ärgernden. Es geht wieder einmal um eine typische Boulevard- Kampagne.

Der «Petarden-Trottel». So nannte ihn der Blick. Die Rede ist von einem jungen Mann, der beim FCZAuswärtsspiel entweder eine Petarde aufgehoben oder aber eine solche selbst gezündet hat. Was zutrifft, weiss man nicht so genau. Verletzt wurde er, drei Finger wurden ihm abgesprengt. Ein Fressen für eine Boulevard-Zeitung also. Man kann jetzt lange darüber diskutieren, ob der Ausdruck «Petarden-Trottel» angemessen ist oder nicht, da gehen die Meinungen auseinander. Peter Studer, der ehemalige Präsident des Presserates, meinte gegenüber der Basler Tageswoche zur Bezeichnung «Petarden-Trottel»: «Nach der Lektüre muss ich sagen: Der ungenannte junge Mann ist in der Tat ein Trottel.» Recht hat er.

Aber eine Boulevard-Kampagne muss halt weitergezogen werden, jeden Tag muss was Neues gebracht werden. Man findet ein Foto, wo er fünf Finger zeigt (wahrscheinlich aus Facebook). Dazu kann sich auch jeder Nicht-Blick-Leser eine knackige Bildunterschrift vorstellen, man findet seinen Vater, der – welch glücklicher Boulevard-Zufall – Schulpsychologe ist, und befragt auch noch seine Arbeitskollegen.

Jetzt geht es nicht mehr um den Trottel, sondern um den Pranger. Denn um herauszufinden, wie der junge Mann heisst und wo seine Eltern wohnen, braucht es keine ausgeklügelten Recherchen. Das kann jedermann. Dazu meinte die Vizepräsidentin des Presserates, Esther Diener-Morscher (auch in der Tageswoche): «Die Pranger-Funktion des Blicks halte ich für bedenklich. Für die Bestrafung dieses Mannes ist das Gericht zuständig, die Zusatzstrafe durch die Medien ist unnötig.» Und auch Peter Studer meint, dass eine Berichterstattung nur dann medienrechtlich unbedenklich sei, solange der junge Mann und dessen Angehörige nicht identifiziert werden können. Was im konkreten Falle sicher nicht zutrifft. Die Sache eskaliert, die Gegenseite schlägt zu und diffamiert und bedroht Blick-Journalisten mit Plakaten, Handzetteln und SMS. Absolut verwerflich und auch durch die Petarden-Serie nicht zu entschuldigen.

Peinlich wird es aber dann, wenn der Blick einen diesbezüglichen Kommentar so betitelt: «Wir haben Angst um den Fussball».

Pierre C. Meier, Chefredaktor pc.meier@werbewoche.ch
 

Weitere Artikel zum Thema