Zur Sache: Mea Culpa

Wenn man als Journalist Zeitungen liest, kommt es vor, das man denkt, diese oder jene Geschichte hätte man gerne selbst geschrieben oder in seinem Blatt gehabt. Als Chefredaktor geschieht das oft bei einen Kommentar oder einer Kolumne.

Man hat dann zwei Möglichkeiten: Entweder deklariert man seinen Ärger und rügt seine Redaktion unter dem Motto «Da hätten wir auch daran denken können», wobei mit dem «wir» eigentlich «ihr Schlafkappen» gemeint ist, oder man nimmt sich selber an der Nase und ärgert sich noch viel mehr.
Ich gebe zu, letzte Woche habe ich mich sehr geärgert und ich ärgere mich immer noch. Mein lieber Kollege Kurt W. «Zimmi» Zimmermann hat in seiner allwöchentlichen Medienkolumne in der Weltwoche etwas thematisiert, das eigentlich bei uns hätte erscheinen müssen. Es geht um die Causa Hans-Peter Rohner, seines Zeichens VR-Präsident und CEO des Werbemittlers Publigroupe, und seine Nichtwahl zum SRG-Generaldirektor. Dass die Werbewoche nur alle 14 Tage erscheint und somit das Thema letzte Woche gar nicht hätte bringen können, ist nichts als ein hilfloser Versuch einer Rechtfertigung. Man hätte es ja auch online bringen können. Online first heisst das!
Die Kolumnen von Zimmi sind eigentlich immer lesenswert. Oft sind sie Rundumschläge, oft sind sie polemisch – beides passt zur Weltwoche – oft gehen sie ein wenig am Ziel vorbei, amüsant sind sie alleweil. Von Zeit zu Zeit treffen sie auch punktgenau eine wunde Stelle. Dies war letzte Woche der Fall.
Es geht nicht nur um die an und für sich unglaubliche Geschichte, dass sich Rohner als VR-Präsident und CEO der Publigroupe, einer Firma, die sich in einer grundlegenden und äusserst schwierigen und delikaten Restrukturierungsphase befindet – von der heute niemand sagen kann, ob sie gelingen wird – als Kandidaten für den Posten des SRG-Generaldirektors aufstellen lässt. Und dann nach der Wahlniederlage noch lamentiert, dass sich die Auswahlkriterien geändert hätten. Was die ganze Geschichte für die interne und externe Glaubwürdigkeit von Rohner bedeutet, können Sie unter Weltwoche.ch nachlesen.
Es geht vor allem um den zweiten Punkt, den Zimmi anspricht – und der hat mich noch mehr geärgert –, nämlich die Tatsache, dass mit einer Ausnahme (da irrte Zimmi!) keiner der sonst so klugen Medienbeobachter diesen Skandal thematisiert hat. Weder meine lieben Journalistenkollegen noch die doch sonst immer gern für ein kerniges Statement zur Verfügung stehenden Medienwissenschaftler, noch die Szene-Blogger haben sich zum Thema geäussert. Wie gesagt eine Ausnahme gab es im Vorfeld der Wahl: Die SonntagsZeitung hat in einem Artikel das Thema gebracht, aber nicht etwa als eigene Meinung, sondern diplomatisch geschickt versteckt hinter den Äusserungen eines geschassten leitenden Mitarbeiters der Publigroupe.
Eigentlich unverständlich! Mea culpa oder vielleicht auch nostra culpa?
Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch

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