Zur Sache: Schwere Geburt

Vor zehn Jahren, genau genommen am 13. Dezember 1999, lancierte das norwegische Verlagshaus Schibsted die Pendlerzeitung 20 Minuten mit einem Paukenschlag. Nur gerade zwei Tage vorher wurde der Starttermin bekannt gegeben.

Projektleiter war Sacha Wigdorovits. Zur gleichen Zeit werkelte Ueli Haldimann an der ersten Ausgabe von Metropol (die dann später auf Metro umbenannt werden musste). Für die schwedische Mediengruppe war es die Lancierung der ersten nicht schwedischen Ausgabe von Metro. 20 Minuten aber hatte die Nase vorn, Metropol startete erst Ende Januar 2000. Von den etablierten Verlagen wurden die beiden Gratiszeitungen nicht ernst genommen. Sie wurden belächelt und verspottet. Man sass auf dem hohen Ross und konnte sich nicht vorstellen, dass eine Gratiszeitung die Bedürfnisse der Leser nach Information bedienen könnte. Dies notabene in einem Land, wo Gratisanzeiger oder Gratiszeitungen eine lange erfolgreiche Tradition hatten.
Viele Inserenten sowie Werbe- und Mediaagenturen waren ebenfalls skeptisch. Man wollte abwarten. Erste Zahlen sehen. Nur nichts riskieren. Der Anfang war also nicht leicht. Für den Haudegen Rolf Bollmann als erstem Geschäftsführer war die Skepsis und Häme, die ihm von vielen Seiten entgegenschlug, ein umso grösserer Ansporn. Er war von seinem Produkt überzeugt und kämpfte mit Herzblut, denn er wollte siegen.
Barbara Domeyer schrieb in der Trend-Nummer 2001 des Media Trend Journal: «Neu, interessant und ernst zu nehmen ist neben dem global verbreiteten Internet eine neue Generation von Zeitungen: die Pendlerzeitungen. Ich möchte an dieser Stelle die Hypothese aufstellen, dass diese Zeitungen zu einer neuen Printkategorie mutieren werden, die vor allem in den noch nicht so tageszeitungsverbundenen jungen Segmenten die Lust auf News auslösen und verstärken. Qualitative Daten zur Nutzungsmotivation der 14- bis 24-Jährigen dieser Pendlerzeitungen stützen die Berechtigung dieser Hypothese: Gefragt, warum man diese Titel (wie 20 Minuten, Metropol und ZürichExpress) praktisch regelmässig liest, sagen bereits 43 Prozent, man habe es sich angewöhnt, es sei irgendwie cool, es gehöre zum Tag.»
Recht hat sie bekommen! 20 Minuten hat sich zu einer Erfolgsstory entwickelt. Von Tamedia übernommen wurde aus dem belächelten Pendlerblatt die grösste Zeitung der Schweiz. Viele der damaligen Kritiker und Zweifler sind heute schön ruhig und nur wenige, so der ehemalige Chefredaktor des Tages-Anzeigers, Peter Hartmeier, geben offen zu, dass sie sich arg verschätzt hatten.
Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch

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