Zur Sache: Weisser Rauch

Die letzte Woche wird wahrscheinlich in die Annalen der Schweizer Pressegeschichte eingehen. Nach monatelangem Ringen um die richtige Lösung, nach ebenso langen Phasen der Vermutungen, der Gerüchte und des angeblich todsicheren Insider-Wissens war es endlich so weit.

Die letzte Woche wird wahrscheinlich in die Annalen der Schweizer Pressegeschichte eingehen. Nach monatelangem Ringen um die richtige Lösung, nach ebenso langen Phasen der Vermutungen, der Gerüchte und des angeblich todsicheren Insider-Wissens war es endlich so weit. Zwar stieg kein weisser Rauch aus Tamedia in den Zürcher Himmel, aber die Entscheidungen, die verkündet wurden, gaben so viel zu diskutieren wie die Wahl eines neuen Pontifex. Alle meldeten sich zu Wort: Beteiligte, Gewerkschaften, Sympathisanten, Leser. Zum einen ging es um die Zukunft des Bunds, zum andern um die des Tages-Anzeigers.
Beginnen wir mit dem Bund. Während langer Zeit war es unklar, wie es mit ihm weitergehen soll. Die von seiner Leserschaft nostalgisch hochgeschätzte Zeitung hatte mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen. Und dies nicht erst, nachdem Tamedia sich Espace Media einverleibt hatte. Seit Jahren steckte der Bund in Nöten, verlor viel Geld und wurde nach einer gewissen Zeit wie eine heisse Kartoffel weitergereicht.
Ringier operierte recht unglücklich, verlor Geld und war noch so froh, als die Neue Zürcher Zeitung das Problemkind übernahm. Zu dieser Zeit verfügte die NZZ-Gruppe über keine funktionierende Gruppenstrategie, also liess man das Berner Anhängsel schalten und walten. Ohne grosse Kontrolle, aber auch ohne sich wirklich strategische Gedanken über eine mögliche Weiterentwicklung zu machen. Auch dieser Versuch schlug fehl, man verlor wieder Geld und so landete das Kind schliesslich beim ungeliebten Konkurrenten Espace Media.
Der gemeinsame Anzeigenteil des Berner Modells erlaubte ein gewisses Aufschnaufen. Sparmassnahmen taten ein Übriges. Doch die Zukunft blieb ungewiss. Monatelang hing das Überleben des Bundes am seidenen Faden. Die jetzt präsentierte Lösung mit einer drastisch verkleinerten Redaktion bei gleichzeitiger intensiver Zusammenarbeit mit dem Tages-Anzeiger scheint mir richtig zu sein. Es ist nur zu hoffen, dass sie diesmal von Dauer ist.
Auch beim Tages-Anzeiger wird alles neu. Mit einem Vierbundkonzept sucht er den Befreiungsschlag. Die Regionalisierung des Blattes soll gestärkt, der Auftritt mit einer neuen Gestaltung ab Herbst 2009 «hochwertiger» und die Leserführung stark verbessert werden. Im Rahmen dieser Neuausrichtung werden insgesamt 50 Vollzeitstellen in der Redaktion abgebaut. Ein harter Schlag für die Redaktion, aber ein wahrscheinlich notwendiger Schritt. Unverständlich ist nur, dass Tamedia am Gratiszeitungsprojekt News festhält. Jetzt, nachdem der ungeliebte Konkurrent .ch verschwunden ist, würde es News nicht mehr brauchen.
Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch

Weitere Artikel zum Thema