Zur Sache: Weltfremder Datenschutz

Social Networks gelten als Erfindung des Web 2.0. Dem ist aber nicht so. Social Networks waren schon immer das Fundament des Internets, nur hiessen sie damals anders. In den Anfangszeiten des Internets gab es Newsgroups, dann bald mal Chatrooms. Auch das waren eigentliche soziale Netzwerke.

Social Networks gelten als Erfindung des Web 2.0. Dem ist aber nicht so. Social Networks waren schon immer das Fundament des Internets, nur hiessen sie damals anders. In den Anfangszeiten des Internets gab es Newsgroups, dann bald mal Chatrooms. Auch das waren eigentliche soziale Netzwerke. Sie dienten alle dem selben Zweck, nämlich dazu, dass Leute andere Leute mit den gleichen Interessen suchen, sich mit denen austauschen und vernetzen. Das ging von wissenschaftlichen Newsgroups bis hin zu zum Teil perversen Sexthemen. Zwar gab es keine Bilder, und die Inhalte waren mühsam zu lesen, aber dies waren die Vorläufer der heutigen Social Networks. Mit dem Web 2.0 wurde es möglich, dass die Internet-User dank einfacher Applikationen eigene Inhalte ins Netz stellen konnten. Und zwar Inhalte jeglicher Form: Texte, Bilder, Videos etc. Man kann sich nun direkt gegenseitig verlinken, ansprechen, in den Freundeskreis einladen und seine eigenen Kontakte à jour halten. Dies geschieht mühelos, weil Änderungen sich im gesamten Freundeskreis automatisch aktualisieren.
Heute sind Social Networks die Shooting-Stars des Internets. Neben den grossen Sites wie MySpace, Facebook, , Xing, StudiVZ gibt es unendlich viele Social-Network-Sites. Einer Studie von Datamonitor ist zu entnehmen, dass sich momentan rund 42 Millionen Europäer in Social Networks aufhalten. Das Wachstum der Sites ist gigantisch, man erwartet ein Ansteigen auf mehr als 100 Millionen in den nächsten Jahren. Weltweit hat MySpace 250 Millionen Mitglieder, Facebook deren 125 Millionen. Auch in der Schweiz boomen die Sites. Facebook hat hierzulande 600’000 Mitglieder. Social Networks sind zu einem wichtigen Faktor für die kommerzielle Kommunikation geworden. Durch die immense Vernetzung können Markenimages innert Kürze hochgejubelt oder vernichtet werden. Dies und noch viel mehr konnte man am Exchange-Event der Werbeagentur-Gruppe Y&R erfahren, der kürzlich stattfand.
Was mich am Phänomen der sozialen Netzwerke fasziniert, ist aber ganz etwas anderes. Die Teilnehmer auf diesen Seiten frönen einem absoluten Exhibitionismus. Sie geben ungefragt und freiwillig alle Details von sich preis. Das geht von beruflichen Fähigkeiten und Ansichten bei Business-orientierten Seiten bis hin zu allerintimsten Details. Details, die die gleichen Leute im persönlichen Gespräch wahrscheinlich nur ungern oder andeutungsweise herausrücken würden. Die vermeintliche Anonymität des Internets, respektive der gewissermassen geschlossene Benutzerkreis, lässt die Leute sich in Sicherheit wiegen. Man ist ja unter sich. Die Grenzen zwischen privaten und beruflichen Details lösen sich auf, man sitzt 24 Stunden im Glashaus. Weltweit und für immer, denn das Internet vergisst nichts. Da kommen einem die Bemühungen der Datenschützer doch sehr weltfremd vor.
Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch

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